Wo Teams bröckeln, muss gemeinsam am Spirit gebuildet werden. Erst recht, wenn eine neue Force die Company joined. Auch in der small PR-Agency at the city limits. Die linke Augenbraue von Senior Consultant Alexandra zieht sich abschätzig nach oben.
Praktikantin Julia schaut mit großen Augen und blondem Blick.
Senior Consultant Sabine sucht Augenkontakt mit Junior Consultant Tanja-Anja, ein hauchfeines Kopfschütteln dokumentiert Unverständnis.
Senior Consultant Lars dagegen verengt seine Augen zu Schlitzen, mit jedem weiteren Satz, den der Chef von sich gibt.
Denn neben ihm steht Marcel. Geschätzte 1,90, dunkle, nach hinten gegelte Haare in denen eine Rayban-Sonnenbrille ihr Fett abbekommt, schwarzer Anzug, ein halbbasketball-großer Bauch wölbt das schwarze T-Shirt.
Wäre alles egal, wenn der Chef ihn nicht gerade vorgestellt hätte. Als den Sohn seines Bruders – und den neuen Managing Partner der kleine PR-Agentur am Rande der Stadt. Zuständig für „New Business“.
In Alexandra kocht es, schließlich hatte der Chef sie damals hergelockt mit der Aussicht auf die Partnerschaft. Lars ist auch sauer: Er ist am längsten hier – da wäre das Angebot, sich zu beteiligen doch wohl nur fair gewesen.
Und Julia, Tanja-Anja sowie Sabine denken das gleiche wie Sekretärin Polia: Die steckt hinter dem Rücken des Chefs und von Marcel den Zeigefinger in den Mund und deutet heftiges Übergeben an. So wie Marcel da steht, gibt es für seine Ausstrahlung nur ein passendes Wort:
„Arschloch„, murmelt Lars.
„Vollpfosten„, grummelt Tanja-Anja.
„Sackgesicht„, zischt Sabine.
„Hackfresse„, denkt sich Alexandra.
„Chidiot„, flüstert Polia.
Na gut, vielleicht gibts doch mehrere Worte.
„Ey, freu mich total auf den Team Spirit hier“, setzt Marcel an. „Extra für Euch war ich auch auf einer Fortbildung. War ein Peer-to-peer creative cross disciplinary lab in dem es um die Entwicklung von interactive narrative pervasive applications ging.“
Polia steckt ihren Zeigefinger noch tiefer in ihren Hals.
„Marcel wird sich vor allem um neue Kunden in den Bereichen Internet und Werbung kümmern. Offene Flanken für uns. Aber große Chancen“, sagt der Chef. „Kriegt ab morgen ein Büro. Mehr als einen Konfi brauchen wir nicht.“
Und auch das erste Projekt hat Marcel schon mitgebracht: „Wird Zeit, dass wir was mit Weblogs machen. Am besten mit einer Branche, die wenig mit Internet am Hut hat. Da merken die nicht, wenn man Bullshit baut. Oracle sponsert uns ein Mittelstandsweblog.“ Die anderen schauen sich entgeistert an.
„Viele, zu viele erfolgreiche Weblogs verkünden Meinungen, sammeln Belanglosigkeiten und sparen nicht mit Polemik“, sagt Marcel weiter. „Die große Mehrheit ist doch sehr persönlich. Durchaus unterhaltsam. Manche sogar stimulierend bis hart an der Grenze zur Pornografie. Was mich wirklich nicht stört! Wer’s braucht… Doch stellt Euch mal vor, alle Weblogs dieser Welt produzieren nur noch Meinungen, Kommentare und subjektive Urteile. Und alle Medien schalten ebenfalls um auf dieses Format, weil es so populär ist. Selbstverständlich mit kontextsensitiver Werbung zum Live-Streit über Sex, Lügen und Internet.
Das wollen und könnten wir sicher nicht verhindern. Aber es mit einem anderen Weblog versuchen.“
„Und was hat Oracle davon?“, fragt Alexandra.
Marcel schaut sie so herablassend an wie sie zuvor ihn: „Natürlich kriegen die ab und zu ein Artikelchen. Stört doch keinen.“
Fast scheint es, als entstiegen kleine Rauchwölkchen den Köpfen des Teams der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.
In der Mittagspause besprechen Sabine, Tanja-Anja, Julia und Polia bei kleinen Salaten mit ganz wenig Öl und Low-fat Lattes die Situation. „Wo kommt der denn her?“, erzürnt sich Sabine.
„Ichchch waiss“, radebrecht Bulgarin Polia. „Brudda von Chef hat Geald gemacht mit Internet-Firma. Chat an Börse gebracht und verkaauft.“
Sabine schaltet schnell: „Und die Geldspritze kommt von Papa, damit Sohnemann einen Job hat. Na Glückwunsch.“
Zurück in der Agentur wollen die Überraschungen nicht abreißen. Denn Marcel hat auch noch ein „Teambuilding-Tool“ entworfen. „Wir brauchen was für noch mehr Spirit hat mein Onkel gesagt. Und ich finde ein echt abgehender Song ist nen starkes Feature. Wir schreiben ihn gemeinsam, singen ihn gemeinsam und dann mailen wir ihn an Kunden, posten ihn auf unserer Site und natürlich usen wir ihn als unsere Phone-Waiting-Music.“
Alexandra sieht aus, als hätte sie einen Prada-Schlüsselanhänger verschluckt: „Einen bitte WAS werden wir machen?“
„Nen voll krassen Song“, antwortet Marcel. Das Schweigen im Raum ist so kalt wie der einbrechende Winter hinter den Scheiben der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.
Im gläsernen Konfi – dem der noch geblieben ist – skizziert Marcel die Textfragmente. „Englisch muss sein. Wir machen hier keinen fucking Schlager, klar. Also wie sehen wir uns? Wie ist unser Positioning?
Schweigen
„Vermittlung!“, hilft Marcel sich selber. „Wir sind die Telefonleitung in die moderne Welt. Nein, nicht Telefonleitung, das klingt so grau. Fenster! Wir sind das window zur modern world!“
Schweigen.
„Schreib das, Juliane.“
„Julia“, korrigiert ihn Julia.
„Whatever. Und wie arbeiten wir?“
Schweigen.
„Zusammen“, behilft Marcel sich wieder. „Together. Noch besser. Join together. Das underlined die togetherness noch. Schreib das, Janine.“
„Julia“, korrigiert ihn Julia.
„Whatever. Und was sollen unsere Kunden machen? Na?“
Schweigen.
„Uns vertrauen. Unserer comptence. Trust our competence, da kann man nicht wrong sein. Schreib das Jessica.“
„Jul… Whatever“, grummelt Julia.
Zwei Tage später gehts ins Studio. Leider sind gewisse Stimmdefizite zu beobachten. Es tut Julia furchtbar leid, dass ihr Hals so rau ist. Aber da ist halt dieser süße Student (Lars Blick verdunkelt sich), und der spielt Eishockey. Und sie wusste ja nicht, dass es solche Wirkung hat, wenn sie ihn die ganzen zwei Stunden während des Spiels anfeuert, obwohl die Halle natürlich echt kalt und zugig war… „Schon gut, Josefine“, unterbricht sie Marcel.
Auch Alexandra und Lars kommen nicht für Soloparts in Frage. Blass sehen sie aus, dass sie nicht geschlafen haben, verschweigen sie. Nicht aber, dass sie als echte Fans Frank Sinatras Todestag begehen mussten. Tja, Single Malt und Zigarren sind halt nicht so gut für die Stimme, klar, daran hätten sie denken können, aber wer denkt schon an sowas?
„HAAAAATSCHIIIIIIEEEE“ kommt es in diesem Moment von Tanja-Anja. „ÖCHÖCHCÖHCHCHCC“, anwartet Sabine. Erkältet. Hart erkämpft, wie beide wissen – aber besser nicht ausführen. In weiblicher Togetherness haben sie die City nach erkälteten, einigermaßen netten Männern durchforstet. Der abendlichen Verabredung folgte heftiges Geknutsche, bis auch die letzte Vire das Venture gejoined hatte.
Bleibt noch Polia. Nervös tritt sie vor das Mikro und beginnt: „Fiee chour findo to se modan woald…“ Nach zwei Minuten ist ihr Solo-Part gestrichen. „Muss ich halt ran. A man has got to do, what Ihr wisst schon. Aber für den Chor wirds noch reichen bei Euch“, giftet Marcel.
Und so entsteht ein Werk, das die Musikwelt erschüttert. Und kurz darauf auch jeden, der anruft bei der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.
„Und jetzt spreche ich mit DHL“, kündigt Marcel an. „Und dann stürmen wir die Charts!“
(Gefunden bei argh!)
Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:
Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
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