Die Kommunikationsabteilungen von Großkonzernen wissen immer noch nichts mit Weblogs anzufangen. Das ergab eine kleine Umfrage, die wir unter Dax-30-Berufskommunikatoren gemacht haben. Erschienen ist sie im Rahmen einer Weblog-Sonderseite natürlich während meines Urlaubs. Mit einiger Verspätung deshalb hier nochmal die einzelnen Artikel.
Dax-Umfrage: Internet-Beobachtung fällt schwer
Allein in Großunternehmen werden Weblogs weiter ignoriert – trotz aller Warnungen von Kommunikationsberatern. Bei einer Handelsblatt-Umfrage unter den Dax-30-Unternehmen gaben nur 18 Prozent der Unternehmenskommunikatoren an, das Instrument aktiv zu nutzen, nur zehn Prozent sehen eine Gefahr für die Unternehmenskommunikation. Immerhin 55 Prozent gaben an, Blogs systematisch zu beobachten. Doch bei der konkreten Nennung einzelner Blogs herrscht Schweigen. Es entsteht der Eindruck, dass viele PR-Leute nicht einmal wissen, was Weblogs sind: „Es gehört zum Job, dass ich auf Seiten schaue, die sich mit Siemens beschäftigen“, sagt ein Sprecher des Technikkonzerns. Aber es sei zu kostspielig, dafür eine eigene Auswertungs-Software anzuschaffen oder einen Dienstleister zu beauftragen. Auch der Kosmetikhersteller Beiersdorf scheut den Aufwand: „Wir stehen telefonisch und per E-Mail mit unseren Kunden in Kontakt, da bekommen wir alles mit.“ Das könnte ein Fehler sein: Weblogs bringen eine neue Dimension in die Kommunikation. Während Unternehmenskritiker in abgeschlossenen und Passwort-geschützten Foren unter sich blieben, verbreiteten sich ihre Argumente über Weblogs schnell, sagt Weblog-Berater Martin Röll. Andere Schreiber weisen auf sie hin, Suchmaschinen verlinken auf die frei zugänglichen Seiten. „In fünf Jahren wird das Monitoring relevanter Weblog-Standard sein“, glaubt daher Martin Nitsche von der Dialogberatung Proximity.
Zahl der Weblogs: schwer zu schätzen
Ein beliebtes Spiel gelangweilter Internetanschlussbesitzer ist es, den eigenen Namen bei der Internetsuchmaschine Google einzugeben. Die Resultate können verblüffend sein: Da taucht die Vergangenheit auf, vergessene Schulfreunde, Namensvettern und Verwandte. PR-Abteilungen von Unternehmen haben zwar einen Internetzugang – aber selten Langeweile. Zumindest geben sie offenbar nur selten den Namen ihres Arbeitgebers bei Google ein. Sonst würden sie vielleicht erschrecken, weil böse Beiträge ihnen unbekannter Autoren auftauchen. Derzeit zum Beispiel beim Modehaus Prada oder beim Klingeltonverkäufer Jamba.
Wer diese Treffer anklickt, landet bei Weblogs, kurz Blogs genannt, einer Art privater Internettagebücher. Wie viele es davon gibt, lässt sich nicht einmal ansatzweise schätzen. Weltweit soll es 50 Millionen Blogs geben, die Suchmaschine Technorati zählt aktuell 16,7 Millionen Stück, in Deutschland sollen es Schätzungen der Dialogberatung Proximity zufolge bis Ende des Jahres etwa 350 000 sein. Allerdings: Viele davon sind nicht aktiv. Rund 30 000 werden regelmäßig neu mit Inhalten bestückt, tippt Nico Lumma, der Gründer der Weblog-Plattform Blogg.de. Allein diese zählt monatlich mehr als 5 000 neue deutsche Blogs.
Private Blogs vermarkten: nur geringe Chancen
In Deutschland gibt es kaum Corporate Blogs – aber einen gelungenen Versuch. Seit Ende Juni schreiben knapp zwei Dutzend Mitarbeiter des Tiefkühlkostherstellers Frosta über ihre tägliche Arbeit, richten Fragen an ihre Kunden oder erklären Produktentscheidungen. „Der Erfolg hat uns alle überrascht“, sagt Friederike Ahlers von Frosta. Etwa 2 000 Fans von Fischer-Pfannen und Fertig- Fettuccine zählt sie täglich. Siemens versucht sich dagegen an internen Blogs. Vorstandschef Klaus Kleinfeld schreibt regelmäßig über seine Erlebnisse. Rund 7 000 Siemens-Mitarbeiter klickten in den Kleinfeld-Blog, heißt es beim Technikkonzern. Damit liege die Seite regelmäßig unter den Top drei der beliebtesten Intranetseiten. Wer als privater Weblog-Betreiber davon träumt, mit seinem Hobby Geld zu verdienen, hat nur wenig Chancen. In den USA nimmt Weblogs Inc., ein Netzwerk von über 100 Autoren, zwar mehr als 2 000 Dollar täglich über Onlinewerbung ein. Doch Blogg.de-Mitgründer Lumma bezeichnet ein solches Modell in Deutschland als „wenig realistisch“. Der Grund: zu geringe Klickraten. Testballons startet aber auch Blogg.de: Ein Formel-1-Blog und ein Sportblog sollen systematisch vermarktet werden. Einen interessanten und bislang in Deutschland einmaligen Vertrag hat Blogg-Chef Lumma gerade verkündet: ein Weblog über seinen privaten Umzug, gesponsert von Immobilienscout24.
Große Dynamik
Am 17. August hat Jeff Jarvis, US-Journalist und Autor des Weblogs Buzzmachine, die Nase voll. Er schickt seinen Dell-PC zurück an den Hersteller. In einem offenen Brief an den Vorstand sagt er, was er vom PC-Riesen hält: nichts. Innerhalb weniger Tage wird der Brief weltweit verlinkt. Wer bei Google „Dell“ eingibt, stößt immer früher auf Jarvis Läster-Litanei. Nach einer Woche gesteht Dell gegenüber einem anderen Journalisten: „Jarvis Beschwerde hätte besser behandelt werden können.“ Zehn Tage später meldet sich der Konzern bei Jarvis – mit einem Werbeanruf. Nach zwei Wochen ein Anruf aus der Kommunikationsabteilung – doch mehr als Floskeln bekommt Jarvis nicht zu hören. „Sie haben nicht eine Kleinigkeit gelernt“, zetert er. Zu diesem Zeitpunkt dürfte eine siebenstellige Zahl von Menschen von der Geschichte gehört haben – ein PR-Desaster für Dell.
Das Gefühl kennt der Axel Springer Verlag. Deutschlands meistgeklicktes Weblog, das Bildblog, unterhält 20 000 Leser täglich mit genüsslich sezierten Fehlermeldungen aus der „Bild“. Bei Springer heißt es offiziell in aller Kühle, man nehme das Bildblog zur Kenntnis. Intern aber nennen es Mitarbeiter ein „sensibles Thema“.
Es ist die Dominanz von Google, die Weblogs so gefährlich macht für Unternehmen. Die Suchmaschine ist der Anlaufpunkt für alle, die im Internet etwas suchen. Google durchforstet dabei nicht nur Weblog-Plattformen, es platziert auch häufig geklickte Beiträge weiter oben. So können sich auch Hobbyautoren schnell oben platzieren. Noch dazu kann jeder von ihnen seine Statistiken einsehen: Läuft eine Geschichte gut, legen die Schreiber nach.
Und ebenfalls im Angebot: ein Gespräch mit Don Alfonso.
„Nicht zu kontrollieren“
Nur wenige Unternehmen halten Blogs für eine Gefahr. Unterschätzen sie das Risiko?
Blogs haben im letzten Jahr vielleicht ein Dutzend deutsche Firmen in Schwierigkeiten gebracht, meistens Medien, die bei Schleichwerbung oder Inhalteklau erwischt wurden. Solange keine echten Überwachungsblogs auftreten, sollten sich Firmen überlegen, wie sie positiver rüberkommen. Die Arroganz und der Zynismus einiger Unternehmen könnte mal dazu führen, dass ein Gefeuerter ein Watchblog aufzieht.
Ein Weblog attackiert ein Unternehmen, der Beitrag klettert bei Google immer höher. Wie sollte dieses Unternehmen reagieren?
Die Unternehmen haben es selbst in der Hand. Wenn es passiert, sollte man damit leben und versuchen, die Kritik zu verstehen und daraus zu lernen. Versuche, das Blog mit Kommentaren, Attacken oder Rechtsanwälten mundtot zu machen, bringen nach meiner Erfahrung gar nichts. Ebenso wenig wie die vollmundigen Versprechungen mancher Consultants, die behaupten, man könnte die völlig anarchischen, unberechenbaren Blogs kontrollieren.
Sind Weblogs schon auf dem absteigenden Ast angesichts von Podcasts und Videoblogs?
Podcasts und Videoblogs sind aufwendig zu produzieren. Weblogs sind wie ein Freundeskreis am Lagerfeuer. Solange Menschen etwas zu erzählen haben, werden sie es tun, ganz unabhängig von der technischen Basis.
Don Alphonso ist Autor des Rebellblogs und Mitherausgeber des Buchs „Blogs!“
Kommentare
Heiko Hebig 7. November 2005 um 19:10
Wie viele der Dax-30-Unternehmen haben denn geantwortet? 100%?
Klaus Vetter 7. November 2005 um 22:18
Die Seite war ja richtig prominent platziert.
Don Alphonso 7. November 2005 um 22:48
Ich sollte vielleicht noch dazusagen, dass ich in der Langfassung des Interviews besagte Berater auch als „Scharlatane“ tituliert habe.
Und man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen: Kein Blog in Deutschland wird es auf bsehbare Zeit schaffen, so viele Probleme für ein Unternehmen zu verursachen wie ein einziger kritischer Artikel im Handelsblatt. Wenn sich ein Unternehmen nicht um die paar kleinen Fälle kümmert, ist das keine Ahnungslosigkeit, sondern schlichtweg sinnvoller Einsatz der Ressourcen.
The Jiary 8. November 2005 um 8:22
Das in Fachkreisen heiss diskutierte Corporate Blogging ist in den deutschen (Gross) Unternehmen nachwievor kaum anzutreffen. Eine Umfrage unter 30 DAX Unternehmen offenbart eine eher ignorierende Tendenz gegenüber Weblogs.
Fischer 8. November 2005 um 19:06
Hmmm, ist dem wirklich so oder geben die Unternehmen nur nicht an, sich mit dem Thema zu beschäftigen? Ist das Thema Weblogs wirklich so heiß? Gibt es nicht andere Medien, die unter Umständen einen viel größeren Einfluss auf das Agendasetting haben? Ich denke, dass das Thema in D. gerade aufkeimt und wie die nun seit bereits Februar andauernde Diskussion für und wider Blogs zeigt – es ist kein Medienhype mehr.
+++HINWEIS VON THOMAS KNÜWER++++
An dieser Stelle betrieb Herr Fischer platte Eigenwerbung für ein von ihm mitverfasstes Buch. Bücher, die solche Werbung nötig haben, sind nach meiner Meinung mit Vorsicht zu betrachten.
Coaching-Blogger Morrien 8. November 2005 um 19:22
Sehr informativer Beitrag. Meine Erfahrung mit meinem ersten Monat corporate blogging als Logbuch-Coach:
Blogging im Corporate Bereich verlangt vor allem Texttalent, Textfreude, Eigensinn & Risikobereitschaft:
– Texttalent, aber bitte ausgewogen. Schnoddrig geht nicht. Zu prosaisch geht auch nicht. Das Niveau muss sich angemessen einpendeln, aber wo?
– Textfreude, die an und für sich für mich als Logbuch-Autorin schon belohnend wirkt. Wichtig, denn kommerziell rechnet sich die Sache nicht. PR-mäßig ganz sicher, wenn’s gut gemacht ist.
– Eigensinn & Risikobereitschaft. Sonst wirds langweilig. Sich als Coach transparent machen, das kann grade für Kunden/Klienten/Coachees interessant sein. Grund: Coaching ist ein sehr persönliches Verhältnis nebst aller fachlichen Aspekte in Beratung.
Hier können Interessenten den Menschen entdecken, der sich im Coaching (doch hoffentlich!) mit ausführlichen Selbst-Mitteilungen ansonsten zurückhält…
Mein Fazit:
Inhaber/innen geführte Unternehmen haben mit ihren Blogs gute Chancen per Imagegewinn von ihrem Hobby zu profitieren – soweit sie mit dem Stift umzugehen verstehen!
Das für sich selbst nützt aber nix, wenn nicht gerade jene Leute, die eben ganz und gar nix bloggen in die blogs eingeladen werden.
Dafür werde ich wohl auch noch ein Glossar bereitstellen, das Schwellenängste nimmt. Und ach übrigens, meine Zielgruppe sind Medienleute und selbst da… ohweh ohweh…
Karla 8. November 2005 um 21:58
Coaching-Blogger Morrien, finden Sie Ihre penetrante Eigenwerbung nicht selber peinlich?
Don Alphonso 9. November 2005 um 11:16
He, „Fischer“, schon mal das Wort Kommentarspam gehört?
Mike Schnoor 9. November 2005 um 11:39
Der Artikel ist schick, aber das ist wirklich perverser Ego-Comment-Spam von den obigen Herrschaften. Pfui…
Vera 9. November 2005 um 13:02
Sinnvolle Eigenwerbung, die zum Thema passt und sogar noch neue Aspekte beiträgt, stört mich eigentlich nicht. Das nur zur herben Kritik am Kommentarspam.
Don Alphonso 9. November 2005 um 13:39
Es gibt durchaus bekannte Blogger, die solchen Spammern Rechnungen schicken. Mit gutem Recht. Wer ein Buch promotet, soll das auf seinem Blog machen, und nicht sagen, dass er zu dem Thema was Dolles zu bieten hat. Und wer das nicht kapiert, sollte besser keine klugscheisserischen Sprüche übers Bloggen veröffentlichen, sonst wird das schnell unangebehm teuer.
tknuewer 9. November 2005 um 14:03
Ja, ja, die Frau Morien ist echt umtriebig. Jetzt hat mich doch gerade meine Bekannte angerufen, die Tanja-Anja. Selbst bei ihrem Chef hat Frau Morien in ein paar Tagen einen Termin…
jwm 9. November 2005 um 18:56
Ist das nicht der allgemeine Lauf der Dinge? Dass sich Inkompetenz und Dreistigkeit nach einiger Zeit bei allen Dingen versammeln?
Mario 9. November 2005 um 19:36
Interessant: Frau Morien bloggt mit dem Stift?
Mike Schnoor 10. November 2005 um 8:25
Das wäre also das „Retro-Bloggen“ mit dem Stift…
Coaching-Blogger Morrien 25. November 2005 um 20:30
Danke für die vielen hilfreichen Feedbacks zu meinem ersten Kommentar in diesem blog. Ist ja nicht so schön, wenn man gleich zu Beginn dumm auffällt.
Ich traue mich durchaus, unter eigenem Namen mit Fehlern einzusteigen und daraus zu lernen. Kein Problem!
Wer aber sind denn die Leute, die meine Lehrmeister/innen der Stunde waren? 🙂
Der große Auftritt gekürzelter Besserwisser imponiert mir wenig. Da nenne ich mich gern beim Namen, stolper mal und steh dann wieder aufrecht.
Das ist ja übrigens, was man auch im Coaching lernen darf. Dass Fehler immer auch gut für was sind. Das wussten schon die alten Chassidim.
Ich empfehle an der Stelle, den ollen Buber mal wieder raus zu kramen…
Coaching-Blogger Morrien 25. November 2005 um 20:40
Danke für die vielen eindeutigen Feedbacks zu meinem ersten Kommentar in diesem blog. Ist ja nicht so schön, wenn man gleich zu Beginn dumm auffällt.
Nun ja, das verzeih ich mir. Warum nicht mal mit Fehler machen einsteigen und daraus lernen. Kein Problem!
Wer aber sind meine Lehrmeister/innen der Stunde? Der große Auftritt gekürzelter Besserwisser/innen imponiert mir wenig.
Der Blog ist zwar ein großer Maskenball, aber neugierig bin ich doch. Zumal als Coach. Die Persona, die Maske eben, weiss ich, wird manchmal gerade denen lästig, die sie tragen.
Don Alphonso 26. November 2005 um 10:26
Die „alten Chassidim“ hatten für Fehler in ihren kleinen esoterischen Gottesstaaten absolut nichts übrig, und schon gar nicht, wenn irgendwelche Frauen dazwischengequäkt haben. Das mit den Frauen halte ich für reformbedürftig, aber das mit dem Quäken nicht, zumal, wenn es in einer Mischung ais Philosemitismis, Ahnungslosigkeit und Dummdreistigkeit daherkommt wie bei manchen Blogkommentarspammern.
Coaching-Blogger Morrien 8. Dezember 2005 um 19:46
Wenn auf die Chassidim zu verweisen gleich heisst, philosemitisch zu sein, dann ist von quäkenden Frauen zu sprechen ganz sicher sexistisch. Auch wenn manche Blogkommentatoren darüber -zumindest an der Oberfläche- differenziert parlieren.
Neuer Lektüretipp: Judith Butler
Vorteil: Nach Kritiker-Denke womöglich wieder daneben, aber merkt kaum eine/r, weil die Gute hier zu Lande wenig rezipiert wird.
Nachteil zugleich: Es kennt sie keiner, warum ich die Chassidim bemüht habe, um verständlich zu bleiben.
Sprich: Wie man’s auch macht, es is verkehrt. Da bin ich beinah bange, was jetzt wieder moniert wird. Aber nu, Bange hält wach. Für was auch immer. Und mal ehrlich: Fast fühl ich mich erinnert an spätpubertäres Rangeln mit Freunden.
Ganz nett, das nochmal neu erleben zu dürfen. Jetzt eben blogomäßig.
Vorteil: Ich kann problemlos abschalten, wenn’s nicht mehr lustig ist.