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Der deutsche Sportjournalismus ist im Umbruch – und spiegelt damit, was in den Stadien passiert. Am Samstag habe ich mal wieder live mit meinem geliebten SC Preußen Münster gelitten. Es war nicht immer schön, aber auch nicht immer schlecht, letztendlich ein 2:2 gegen Rot Weiß Erfurt.

Bemerkenswert aber, was sich auf den Rängen abspielte. Da waren die einen, die nicht aufgaben, das Team zu „supporten“, wie der Münsterländer jetzt sagt. Die anderen philosophierten über offensive Außenverteidiger in einer Viererkette und warum es an solchen Spielern in Deutschland mangelt. Und schließlich waren da noch die, für die alle „Graupen“ waren und die alle zwei Minuten schrien „Da bewegt sich keiner! KEINER!“

Früher, so ist mein Eindruck, waren die Zum-Fußball-Geher homogener. Nicht nur in Münster. Sie hatten einigermaßen Ahnung von Taktik, pfiffen, wenn es nicht lief, und feuerten an, wenn es nötig war oder es gut lief.

Heute aber scheint so mancher Fan dem Spiel nicht mehr folgen zu können. Zu groß ist der taktische Umbruch der vergangenen Jahre, hin zu Pressing und Viererketten. Und es gibt immer mehr Anhänger, die sich ehrenhaft der Unterstützung verpflichtet sehen, ähnlich wie in England, wo die meisten Mannschaften selbst bei schwachen Spielen mit stehenden Ovationen von ihren Fans verabschiedet werden.

Dieser Umbruch bei den Fans spiegelt sich auch in der deutschen Sportpresse. Für die hirnlosen Rumkrakeeler gibt es „Bild“. Denn was früher die bestinformierteste deutsche Sportredaktion war, ist heute nur noch platte Stimmungsmache.
Das wird übrigens wunderbar belegt vom aktuellen „DJV-Journal NRW“. Dort zitiert Werner Hinse in einem Artikel über Sportjournalismus ein Interview, das Uli Hoeneß der „Zeit“ gab. Der Bayern-Manager sagte da zur Wahl von Jürgen Klinsmann als Bundestrainer:
„Franz wollte Matthäus. Und das Glück für uns alle war, dass der Sportchef der „Bild“-Zeitung in dieser Zeit in Urlaub war und der Franz nicht aufgepasst hat.“

Für die Fußball-Analysten gibt es die Sportredaktionen der Regional- und Lokalzeitungen, die meistens die stilistisch besten Teile ihrer Blätter. Und natürlich den „Kicker“ – ein Blatt, das layouttechnisch inzwischen in den 80ern angekommen ist. Immerhin. Oder „Sport-Bild“, für manchmal nicht das gleiche gilt wie für ihre Mutter.

Und die ehrenhaften Fans? Die haben etwas in die Welt gesetzt, was heute Modell ist: „11 Freunde“. Was als humpelnder Oberliga-Journalismus begann, ist heute das beste, was es in Deutschland für Fußball-Fans gibt. Allein ein doppelseitiges Foto aus der fünften schwedischen Liga lohnt den Kauf: ein Winz-Stadion am Meer ist zu sehen, zwei Meter hinter dem Tor ragen Felsen empor, drei Fans sitzen auf einer Bank. Herrlich. Auch sonst gibt es alles, von plattem Humor bis zu einer tiefgründigen Strecke über den Elfmeter an sich.

Den „Kicker“ hat das nicht ruhen lassen. Seit drei Monaten versucht er es mit einem „11 Freunde“-Zwilling namens „Rund“. Etwas hochglänzender ist das Pendant, nicht ganz so lustig, dafür in manchen Punkten besser ausgefeilt.

„Fußball – Magazin – da fehlt noch Lifestyle“ hat wohl Oliver Wurm gedacht. Und deshalb „Player“ entworfen, einen manchmal netten, aber oft wenig gelungenen Versuch, mit Macht Lifestyle und Fußball zu vereinen.

Der erste „Player“ sieht aus wie „FHM“ mit Lederbällen. Da gibt es eine modeartige Fotostrecke mit Podolski und eine weitere mit Robinho, die besten Kosmetika nach einer Schlammschlacht werden präsentiert und Tote Hose Campino trifft Didi Hamann. Das ist alles nicht schlecht aber auch nicht dolle. Wenn dann aber die HSV-Spieler bemühte Ausgehtipps für Hamburg verteilen, wird es langsam etwas platt. Obwohl: Ich freue mich schon auf die Ausgehtipps für Wolfsburg.

Es tut sich also was im deutschen Sportjournalismus. Endlich. Jetzt muss nur noch Preußen Münster besser spielen und meine Wochenenden werden entspannter sein.


Kommentare


Christian „Khark“ Lauf 1. November 2005 um 20:38

> Obwohl: Ich freue mich schon auf die Ausgehtipps für
> Wolfsburg.

Ich mich allerdings auch.
– Und ich komme aus Wolfsburg.

Daher mutmasse ich mal, das du mit Wolfsburg irgendwas bestimmtes zu verbinden scheinst 😀

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