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Wie stellt sich ein medienforschender Universitätsprofessor von gutem Ruf die Zukunft des Journalismus vor? Gnadenloses zumüllen mit elektronischer Post, bis der genervte Redakteur endlich bei seiner Befragung mitmacht – scheint zumindest der Leipziger Michael Haller zu glauben.

Am 3. Mai bekam ich E-Post aus Leipzig. Von der Uni. Von einem Mitarbeiter von Prof. Dr. Michael Haller. Nun muss für die Nicht-Journalisten erwähnt werden, dass Prof. Haller einen sehr honorigen Ruf genießt, ebenso wie sein Institut. Nur mein Lehr-Herr Prof. Ferdinand Simoneit giftete gern gegen eines von Hallers Werken: "Ein ganzes Buch über Recherche! Das können Sie auch in 60 Zeilen schreiben."

Nun arbeitet Prof. Dr. Haller anscheinend gerade an einer Studie über die Zukunft des Journalismus. Dies teilte er, über welchen Verteiler auch immer, der Redaktionswelt per ungefragter Massen-E-Mail am 3. Mai mit. Und am 11. Mai nochmal, weil der Server zwischendurch zusammengebrochen war. 29.999 andere Kollegen wurden auch informiert, denn von einem solchen Umfang ist die Rede.  Tja, wer viele Mails verschickt, muss mit vielen Klicks rechnen – das ist nicht die Zukunft des Journalismus, sondern die schnöde Gegenwart des E-Marketing. Und wer viele Klicks bekommt braucht entsprechende Technik, so einfach kann das Leben sein. 

Trotz des anscheinend ordentlichen Erfolgs dürstete es Haller aber nach mehr. Und so wurde auch der Deutsche Journalisten-Verband eingeschaltet, der mich ebenfalls zweimal auf die Umfrage hinwies (dies übrigens auch außerhalb seines üblichen Newsletters – also ungefragt). Und natürlich schickten auch wohl meinende Kollegen mir mehrere Hinweise auf diese Studie.

Nun finde ich die Sache an sich unterstützenswert und habe mitgemacht. Gleichzeitig habe ich das Institut angemailt mit der Bitte ab jetzt keine Studien-Werbung mehr zu verschicken. Ergebnis: keine Reaktion. Ohnehin erschienen mir die Fragen, die mir online gestellt wurden wenig klar formuliert.

Doch Haller gibt nicht auf: Jetzt gibts nochmal nen Hinweis auf die Studie, sie läuft ja "nur noch" bis zum 27. Mai und da muss man doch dabei sein. Wäre doch schade, wenn man irgendwann sagen müsste: "Mensch, damals die Studie von Haller, Mist, dass ich die verpasst habe."

Wie immer aber auch die Studie über die Zukunft des Journalismus ausfallen mag, wie sich Prof. Dr. Haller die Gegenwart vorstellt dürfte nach dem Mail-Terror klar sein: Lauter Halb-Debile, die sich nicht entscheiden könne, bei einer Studie dabeizusein – und die sehr viel Zeit haben, ihren E-Postkasten zu bereinigen.


Kommentare


mark793 20. Mai 2005 um 13:07

Mich nervt die Chose allmählich auch. Da ich der berufsständischen Forschung zunächst mal eher aufgeschlossen gegenüberstehe, habe ich mich auch relativ zeitnah daran gemacht, mich durch die immense Fragenbatterie zu klicken. Dabei wurde mein Gesicht schon etwas länger, weil so mancher Fragenblock ins Beliebige abdriftete oder die Auswahl-Items schlecht so schlecht zusammengestellt waren, dass ich mich nur mit Müh und Not zu einer Antwort durchringen konnte. Und just kurz bevor ich mich durch die ganze Chose durchgeackert hatte, kackte die Serververbindung ab. Da war ich dann richtig gut bedient. Und die penetranten Nachfass-Aktionen sind auch nicht eben dazu angetan, mich zu weiterer Mitwirkung an irgendwelchen Studien aus diesem Hause zu motivieren.

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