Personalien gehören zu den liebsten Rubriken der Leser. Nur haben die Berufskommunikatoren noch nicht gelernt, wie eine solche Meldung gehalten sein sollte, damit sie gedruckt wird.
Der wohl meistzitierte journalistische Lehrsatz lautet: "Nichts interessiert den Menschen mehr als Menschen." Und haben wir einen Blattkritiker von außen in der Redaktion zu Gast, erwähnt der fast immer, dass er unsere Profil-Seite mit Portraits und Personalien bevorzugt liest. Und seien wir ehrlich: Freitags in der Lufthansa greift der Business-Class-Flieger nicht deshalb so gern zur "Gala", weil er sie seiner Frau/Freundin/Affaire/Lebensabschnittsgefährtin mitbringen will – sondern weil er oder sie selbst wissen möchte, ob Brad und Angelina nun wirklich…
Deshalb ist es so bewundernswert, mit welcher Vehemenz und Professsionalität die Berufskommunikatoren in Deutschlands Unternehmen und PR-Agenturen diesem Trend engegen gehen, ja gar raketenhaft rennen. Kaum etwas kommt einer Gemme der PR-Kunst näher, als Meldungen über Jobwechsel und Neueinstellungen. Hier ein frisches Beispiel:
Herr Dr. Volker Doberanzke, 42 Jahre, zuvor Global Chief Operating Officer des Geschäftsfeldes Asset Management der Commerzbank AG in Frankfurt/Main, tritt zum 1. Juni d. J. als Generalbevollmächtigter in die IKB Deutsche Industriebank AG ein, wo er Führungsaufgaben in den Bereichen Risikomanagement, Finanz- und Rechnungswesen, Organisation und IT übernehmen wird. Im Rahmen der Nachfolgeregelung der Bank ist vorgesehen, dass Herr Dr. Doberanzke nach erfolgreicher Einarbeitung zum Vorstand berufen und im Laufe des Jahres 2006 die Aufgaben des dann in den Ruhestand tretenden Finanzvorstands, Joachim Neupel, übernehmen wird.
Das liest sich leicht, das liest sich locker, das wird gern genommen. Und wer freut sich nicht über Wortbasteleien wie "Herr Dr." oder "des dann in den Ruhestand tretenden" (der arme Ruhestand, wird einfach getreten, dabei hat er gar nichts getan).
Personalien übrigens, fallen in den Bereich der Nachrichten. Nachrichten wiederum gehören heute schnell kommuniziert. Von wegen Informationsvorsprung und so. Deshalb freut es uns Journalisten besonders, wenn Berufskommunikatoren schon vier, sechs Wochen, nachdem ein neuer Geschäftsführer sein Amt angetreten hat, dies per Post vermelden.
Dann sehe ich sie richtig vor mir, die meist auswärts zu Mittag speisenden Kommunikatoren, wie der Kantinenfunk sie langsam erreicht, wie sich alle schon fragen "Mensch, wer geht denn da seit Wochen in das Büro im obersten Stock?" und sie ausrufen: "Halleluja! Da gibts wohl nen neuen Geschäftsführer, das sollten wir auch mal vermelden." Aber nur keine Hast, liebe Kommunikatoren und PR-Mäuse, lassen sie sich Zeit, bloß nicht zu früh so was vermelden, nachher verbringt der designierte Chefsesselbesetzer seinen ersten Urlaub, fährt Ski – und bricht sich das Genick. Dann wäre so eine Pressemitteilung Wochen nach, ja noch schlimmer: Wochen VOR, seinem Amtsantritt doch echt vergeudete Arbeitszeit gewesen. Nein, da lässt man sich lieber ein wenig Zeit, das ist wahre Effizienz.
Wer so viel Energie sinnvoll verteilt, der findet dann auch genug Kraft um die Ankunft niederer, aber erfahrener Chargen zu vermelden. So wie heute das Systemhaus Leitwerk aus Appenweier-Urloffen (Ich gestehe: Den Ort hielt ich im ersten Moment für einen Witz). Gleich drei erfahrene neue Mitarbeiter kommen, "LEITWERK mit frischem Wind in der Führungsriege", schreit die PR-Agentur Saalto hinaus.
Solche Meldungen machen mir Hoffnung für Deutschland. Immer nörgeln wir berufsnegativen Schreiber, ältere, erfahrene Mitarbeiter hätten keine Chance mehr in der deutschen Wirtschaft. Dabei belehrt uns jede Personalien-Meldung eines Bessern. Jeder ist grundsätzlich erfahren, der zu einem Unternehmen kommt.
Im Fall von Leitwerk zum Beispiel Ralf S. Er ist 26 und "startete seine berufliche Karriere nach seinem Studium der Elektro-/Informationstechnik an der Technischen Hochschule Karlsruhe bei LEITWERK, als technischer Leiter." Und jetzt ist der Mitglied der Geschäftsführung. Wow! Das nenne ich Erfahrung!
Oder Sandra H., vor deren Erfahrung ich in die Knie gehe vor Ehrfurcht. Auch sie ist 26, diplomierte Wirtschaftsinformatikerin (BA), und "absolvierte bereits ihre Ausbildung zur IT-Systemkauffrau bei der LEITWERK Gmbh in Appenweier und ist demnach mit den internen Unternehmensabläufen bestens vertraut." Danach Studium an der Berufsakademie Karlsruhe, wo sie in ihrem Praxis-Semester bei LEITWERK "das Marketing verantwortete". Hier verpasst LEITWERK nebenbei eine große Chance: Welches Unternehmen ist schon so innovativ, dass Studenten im Praxissemester das Marketing verantworten dürfen?. Nun ist Sandra H. Assistentin der Geschäftsführung. Übrigens ist sie "ledig und lebt in Achern-Großweier".
Offensichtlich lassen sich also Personalien-Meldungen auch noch als Kontaktanzeigen nutzen. Die E-Mail-Adresse, unter der Fotos angefordert werden können, steht ebenfalls in der Pressemitteilung. Ein toller Service für ledige Journalisten.
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