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Es gibt Diskussionen, von denen man weiß: Sie werden heftig. Zum Beispiel, wenn jemand behauptet, 70 Prozent aller redaktionellen Inhalten würden auf PR-Quellen beruhen.

Am kommenden Dienstag werde ich auf dem Podium sitzen beim Media Coffee in den Räumen unserer Verlagsgruppe. Gerade habe ich es geschafft, einen Blick in das Thesenpapier zu werfen. Dort heißt es allen Ernstes: „Bis zu 70 Prozent der Inhalte von Redaktionen gehen auf Quellen der PR zurück.“

Tschuldigung, musste mich gerade mal auslachen.

Natürlich könnte man sagen, dass eine Pressemitteilung über die jüngsten Quartalszahlen von Daimler Chrysler eine PR-Quelle ist. Aber darf sich die PR eine Berichterstattung darüber als Erfolg auf die Fahnen schreiben? Auch über das Ableben des Papstes gab es Pressemitteilungen – aber ist die Berichterstattung ein Resultat der PR?

Sehr schön auch die Frage, ob Journalisten manchmal Themen von PR-Leuten ablehnen, weil ihnen der Mut fehlt. Das impliziert, dass aus den PR-Kreisen hoch innovative Themenvorschläge kämen. Schön wäre es…

Es wird also eine deftige Diskussion werden, hoffe ich. Und was mich besonders freut: Moderiert wird sie von einem anderen Weblog-Autor, Haltungsturner Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach.


Kommentare


Don Alphonso 12. April 2005 um 12:18

Es lacht sich leicht im Handelsblatt. Es würde mich aber wundern, wenn man bei der FTD noch laut kichern würde. Und ich bin mir sicher, dass manche Journalisten des Manager Magazins eher das Thema wechseln würden; besonders diejenigen, die mal über Intershop und Caatoosee geschrieben haben, wenn die grosse Werbung 1999 daneben stand.

Was eine Qualitätsstufe darunter geschieht, ist ein ganz anderes Thema. Die Zahlenangabe ist dumm – aber das verhältnis stimmt.

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hanno 12. April 2005 um 15:50

woher kommen die 70 prozent den ihrer meinung nach?

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tknuewer 12. April 2005 um 16:39

Die meisten Themen kommen entweder aus dem täglichen Nachrichtenfluss, also Agenturen oder andere Medien. Und vieles entspringt dem eigenen Kopf: Themen finden ist zu einem großen Teil schlichtes Handwerk, wie ohnehin 80 Prozent des Journalismus.

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hanno 12. April 2005 um 16:48

sie, herr knüwer, sind bestimmt die rühmliche ausnahme!

ansonsten glaube ich, dass die 70 prozent ganz und garnicht abwegig sind! zumindest sind pr-quellen oftmals der anstoss für recherchen.

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Leonie Walter 12. April 2005 um 16:57

„Bis zu 70 Prozent der Inhalte von Redaktionen“ — diese Angabe bezieht sich sicherlich nicht auf eine Zeitung wie Handelsblatt, in der doch recht viele Journalisten beschäftigt sind, obwohl auch diese einen gewissen Anteil an PR-Meldungen verarbeiten. Aber gute Qualitätstitel wie Handelsblatt gibt es doch letztlich auch gar nicht so viele.

Eine Fachredaktion, die nur aus einem einzigen Redakteur besteht, muss doch zwangsläufig mehr PR-Inhalte übernehmen, wenn die Zeitschrift mehr als 6x jährlich erscheinen soll.

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tknuewer 12. April 2005 um 17:07

Also wenn die Diskussion kommende Woche auch so lebhaft wird, mach ich mir keine Sorgen, dass es langeweilig wird 😉

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Tino Seeber 12. April 2005 um 18:08

Ist es nicht so, dass alle Unternehmensinhalte/Themen durch PR Abteilungen kommuniziert werden? Da liegen wir also bei 100% – wenn also über Produkte oder sonstige unternehmensrelevante Inhalte berichtet wird. Die Quelle ist stets die PR Abteilung.

Ok, stellt sich die Frage, welcher Journalist da investigativ recherchiert oder sich auf Insider Informationen a la Apple stützen kann? 30% sehe ich da als sehr ideologisches Wunschdenken. Wohlgemerkt, wenn wir von o.g. Berichten sprechen.

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mark793 13. April 2005 um 0:08

In den hypothetischen 70-Prozent sind auch politische Anlässe mitgerechnet, die dann in Pressekonferenzen (ergo: PR) ans Journalistenvolk kommuniziert werden. Und im Lokalen könnte man jeden Bericht über eine Kleintierzüchtervereinssitzung auch als im weitesten Sinn PR-gesteuert deklarieren.

Meines Wissens ist diese 70:30-These zuerst in den US-Medien diskutiert worden und dann ziemlich unreflektiert hier rüber geschwappt. Ganz so krass wird hierzulande noch nicht sein. Aber wenn man einiges von dem mal genauer abklopft, was wir unseren Lesern, Hörern und Zuschauern jeden Tag servieren, dann wird das wenigste davon komplett ohne die Mitwirkung irgendeiner PR zustandegekommen sein. Allein die Zitatabstimmerei und alles, Jesses nee…

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marcc 13. April 2005 um 11:15

Kann es sein, dass einige Methoden seine Zeitung immer genau vollzubekommen, nun durch das Internet nur offensichtlicher werden? Vor 10 Jahren hatte man zuhause als Normalbürger vielleicht zwei Tageszeitungen und eine Wochenschrift. Inzwischen kann ich dank Internet zig Zeitungen lesen (oder zumindest die Überschriften), dank Paperball und Google-News bestimmte Artikel finden und dank diverser Online-PR und Presseverteiler die Nachrichtenquellen leichter zuordnen als früher.

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tknuewer 13. April 2005 um 14:09

Ich fürchte, mit diesem Verdacht könnten Sie richtig liegen…

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Huntley Haverstock 13. April 2005 um 23:02

Selbstverständlich beruht die Mehrheit des redaktionellen Materials in Medien darauf, dass jemand den Medien etwas mitteilt, damit sie es weiterverbreiten.

In mindestens 70 Prozent der Fälle ist dieser Jemand ein professioneller Weiterverbreiter (PR-Mitarbeiter). Das, was als „Recherche“ glorifiziert wird, besteht zu einem guten Teil aus Gesprächen mit professionellen Weiterverbreitern oder mit Menschen, die von solchen Weiterverbreitern vermittelt werden.

Wo soll da ein Problem sein?

Das Problem beginnt da, wo der Journalist seinen eigenen Kopf ausschaltet zum Sprachrohr des PR-Mitarbeiters wird (und zum Beispiel den PR-Mitarbeiter der Gegenseite nicht konsultiert).

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