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Manchmal gelingt einem so ein kleiner Coup, der einfach Freude macht. Zum Beispiel, wenn man irgendwo reinkommt, wo man als Journalist eigentlich nicht reinsoll – und doch gibt es keinen, der dagegen was machen kann.

"Entschuldigung, Sie sind vom Handelsblatt?" Ich hatte die Dame noch nie zuvor gesehen, den Herrn neben ihr auch nicht. Doch sie kannten mich. Und hätten mich lieber 50 Meter weiter hinten gesehen, auf der anderen Seite des Absperrbandes, das die Gesellschafterversammlung des Immobilienfonds Molsiris vom Pressebereich trennt.

Das Gespann waren die Pressesprecherin der Commerz Leasing und ein Sprecher der Commerzbank. Als sie den schwarzen Kasten in meiner Hand sahen, ein digitales Abstimmgerät, war klar: Ich durfte hier sein. "Ich sehe schon, sie sind hier auch als Stimmberechtigter", sagte die Dame und wünschte mir viel Spaß.

Na ja, Spaß ist was anderes. Fünfeinhalb Stunden dauerte die Sitzung des Fonds, dem das Westfalenstadion gehört und der am Ende über die Zukunft von Borussia Dortmund abstimmte, meinem "Lieblingsthema", das vorerst mein "Ex-Lieblingsthema" ist. Vorerst. Während der Recherche hatte ich Kontakt zu einem Zeichner des Fonds bekommen. Mit Hilfe seiner Vollmacht kam ich in die Sitzung.

Leider entwickelte sich das Ganze über weite Strecken zu einer schlimmeren Karnevalsveranstaltung als die meisten Hauptversammlungen. Irgendwie passte es dann, dass die Commerz Leasing als Veranstaltungsort eine Blechhalle gewählt hatte, von der aus früher LTU-Charterpassagiere in die Touristenbomber gepfercht wurden. An einer Seite stehen noch immer die Abfertigungsschalter, der fleckige Teppichboden erzählt von softeisverschmierenden Kindern, altbiertrunkenen Damenkegelclubs und nikotinabhängigen Kreisligaclubs auf Saisonabschlussreise. Oft ging?s wild durcheinander, vor allem am Anfang. Das lag vor allem – wie so oft in diesem Bereich – an der Unvereinbarkeit von Sport und Wirtschaft. Viele Fondsbesitzer hatten keine Ahnung, wie Fußball funktioniert. Die paar Borussen-Fans, die Molsiris-Anteile besitzen, hatten Wissensdefiziten in Sachen Geschlossene Immobilienfonds. Beiden ist kein Vorwurf zu machen – man hätte sie zuvor besser aufklären können. Und der Sitzungsleiter? Der ließ es einfach passieren.

Solch eine Sitzung aber, egal ob HV oder Gesellschafterversammlung, kann niemand über die volle Distanz überstehen – nicht nur, weil die schwarzen Klappstühle jedes lädierte Kreuz, und davon gabs mutmaßlich eine Menge angesichts des hohen Durchschnittsalters der Anwesenden, Richtung Schmerzenshölle foltern.

Als Journalist sollte man aber auf jeden Fall mal raus aus dem Sitzungsmief (das war jetzt allgemein gesprochen, gestern gab?s keinen Mief – dazu war es viel zu kalt). Den Stoff für die kleinen, feinen Dinge zu finden, ist wie die Ostereiersuche. Auf den Toiletten zum Beispiel gab es Zettel, die zur Gründung einer Anlegerinitiative aufriefen, um die Commerz Leasing zu verklagen. Und als ich vor dem Saal den Kaffeepegel auf das nötige Maß anhob, rollte gerade der Privatjet von Bayer Leverkusen vorbei. Danke dafür, liebe Leverkusener.


Kommentare


Peter Fisch 16. März 2005 um 9:03

Mir ist völlig unverständlich, wie man diesem Sanierungs“konzept“ zustimmen konnte. Aber ich verstehe auch nichts von Fußball.

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