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In diesen Tagen passiert etwas, das die journalistischen Machtverhältnisse in einem bestimmten Bereich erheblich verschieben könnte: Apple hat die Zuteilung seiner iPhone-Rezensionsexemplare nachhaltig verändert, worauf heute Stratechery in seinem Paid-Newsletter hinweist.

Ein neuer Kreis von Berichterstattern kann das iPhone X bereits seit einer Woche testen, der Großteil der US-Journalisten erst seit gestern. Heute jedoch fällt die Sperrfrist zur Veröffentlichung der Besprechungen. An diese Frist halten sich alle, weil sie ansonsten künftig weder  eine Einladung zu Apple-Events noch Rezensionsexemplare bekommen dürften. Solch ein Vorgehen mag man verteufeln, ist allerdings in praktisch allen Branchen, vom Auto bis zum Kino, Alltag.

Dass es solch eine Änderung des Journalistenkreises gibt, klingt zunächst einmal nicht wichtig. Allerdings: Das iPhone ist eben kein Handy wie jedes andere. Es ist in sehr vielen Bereichen unserer Welt, vom Internet über die Datensicherheit bis zur Popkultur, das einflussreichste Produkt unserer Zeit.

Kein anderes Gerät wird bei seiner Präsentation von derart vielen Menschen beobachtet, erst wenn eine Mobile-Technologie im iPhone enthalten wird, gilt sie als massenmarkttauglich. Untermauert wird dieser Status der Bewunderung auch dadurch, dass jedes Apple-Lob den Aussprechenden nach Meinung von Kommentatoren zum „Apple-Fanboy“ macht. Denn wenn das iPhone so unwichtig wäre, wie es so viele hinstellen, warum erhitzen sie sich bei positiver Berichterstattung derart? Nein, all dies dies schafft eben kein anderer physischer Gegenstand. Man kann das doof finden oder toll, aber es ist nun einmal so.

Deshalb auch hat das iPhone journalistische Stars geschaffen. Und die nun vorgenommenen Änderungen sind einerseits symptomatisch für eine veränderte Medienwelt und lehrreich für PR-Leute, andererseits könnten sie neue Stars produzieren.

Mossberg & Co.: die alte Garde

Mit dem iPhone ist eine kleine Gruppe von Journalisten zu weltweiter Bekanntheit gekommen. Das erst iPhone erhielten vorab vier Journalisten: Ed Baig von der „USA Today“, David Pogue (damals „New York Times“, heute Yahoo und CBS), Steven Levy (damals „Newsweek“, heute „Wired“) und Walt Mossberg vom „Wall Street Journal“.

In drei Fällen hat dies die Karriere der Autoren maßgeblich gefördert. Vor dem iPhone waren sie in den USA bekannt, das iPhone sorgte für weltweite Leser.

Pogue wurde mit seinen unterhaltsamen Videos zum bodenständigen Technik-Erklärer und zum vielleicht ersten Journalistenstar der Youtube-Generation, wegen seines Technik-Enthusiasmusses genauso gehasst und geliebt, wie das iPhone selbst.

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Mossberg wuchs zum ultimativen Apple-Berichterstatter mit gutem Draht zu Steve Jobs. Obwohl er kritisch über Apple schrieb (nur eben nicht in wütenden Worten) musst er sich immer die Titulierung als Apple-Fanboy gefallen lassen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Kara Swisher zerbrach er die engen Ketten des „WSJ“ und machte sich selbständig, erst mit AllthingsD, dann mit recode, das von Vox Media übernommen wurde. Inzwischen ist Mossberg in Rente und wie sehr er fehlen wird, zeigte seine fantastische, letzte Kolumne.

Ed Baig dagegen wusste sich nie so recht abzuheben. Heute gehört er nicht mehr zu jenen, die früh ein iPhone bekommen.

Steven Levy ist heute der „Go-to-Guy“ der Apple-Presseabteilung. Unter anderem durfte er sich den neuen Apple-Campus ansehen, mutmaßlich im Gegenzug für das Versprechen, dass die entsprechende Strecke in der „Wired“ zur Titelstory würde.

Jene erste Generation bekam auch deshalb Vorrechte, weil sie für große Institutionen arbeitete. „New York Times“, „Wall Street Journal“, „USA Today“, „Newsweek“ – das waren vor 10 Jahren die vier vielleicht größten Print-Namen der  USA. Allein „Time“ fehlte hier. Der Zugang der Autoren entstand zu einem nicht unerheblichen Teil also aus ihrem Arbeitsvertrag und der Dachmarke ihres Arbeitgebers.

The Next Generation: Blogger

Das iPhone ist nicht unerheblich schuld am Entstehen neuer Medien im Tech-Bereich. Denn Apple schuf mit seiner Kommunikation eben auch eine Faszination für das, was wir heute auch in Deutschland Gadgets nennen. Und gleichzeitig erleichterte es mobiles bloggen, fotografieren und filmen.

Stück für Stück wurden aus Blogs für eine Fachöffentlichkeit wie Techcrunch Verbrauchermedien mit globaler Ausstrahlung. Weil es so einfach ist, eine neue Webseite zu starten wagten die meistgelesenen Autoren der bestehenden Blogs den Sprung in die Selbständigkeit, die Techmedien-Landschaft parzellierte sich und wuchs zugleich. Beispiel Joshua Topolsky: Der ehemalige Chefredakteur von Engadget gründete 2011 The Verge und 2016 dann The Outline.

Apple konnte daran nicht vorbeigehen und versuchte auch hier mit ausgewählten Bloggern Beziehungen einzugehen. Das funktionierte jedoch nicht ganz so einfach. Und so scheint es heute, dass selbst John Gruber, Gründer des vielleicht wichtigsten Apple-Blogs Daring Fireball, nur noch in der zweiten Reihe steht – er erhielt sein iPhone X auch erst einen Tag vor Fall der Sperrfrist.

Apple setzt auf Influencer Marketing

Als am frühen Morgen deutscher Zeit die iPhone X-Rezensionen erschienen, wurde Apples Strategieänderung in Sachen PR deutlich. Steven Lewy hatte mehr Zeit mit dem neuen Vorzeige-Handy und bespricht es in „Wired“; der Popkultur-Riese Mashable rückt in die erste Reihe, genauso Buzzfeed.

Doch dann ist da das Social Web. Mit dem fremdelte Apple immer ein wenig, auch weil es nicht nötig erschien, dass die Marke dort selbst aktiv wird. Die Faszination Apple sorgte dafür, dass die Kunde von neuen Produkten auch so ihren Weg auf Facebook, Twitter & Co. fand.

Apples Instagram-Kanal ist das wohl deutlichste Zeichen, dass die Kommunikationsabteilung das Thema Social Web anders zu sehen beginnt.

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Offensichtlich tragen die Chefkommunikatoren der veränderten Medienwelt Rechnung mit Influencer Relations.

Einerseits deutet darauf Mindy Kaling hin. Die gefeierte und Social Media-affine Schauspielerin und Comedian (10,6 Millionen Follower auf Twitter) durfte das iPhone X nämlich auch seit einer Woche testen. Das wieder erzählt sie in einem eher untechnischen Medium: der „Glamour“. 

Vor allem aber sticht eine Hand voll Youtuber heraus. Sie durften in einem New Yorker Appartment einen Tag mit dem X verbringen. Darunter war mit „Soldier knows best“ zwar ein Gadget-Youtuber:

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Doch genauso durften auch die Sneaker-Youtuber von High Snobiety ran:

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Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hardcore-Techies, Linux-Liebhaber und Android-Fanatiker diese Besprechungen hassen.

Doch genau sie sind ja nicht die Zielgruppe. Ich glaube Apple hat erkannt, wo seine Chance liegt.

Nämlich nicht in den Techcrunches dieser Welt: Die lesen genau jene Tech-Enthusiasten, denen die Individualisierung von Android wichtig ist, die beschwören, dass 0,1 Megapixel mehr Kameraleistung alles verändern und sie mit Open Source sicherer unterwegs sind, weil sie ja selbst alles programmieren können.

Auch nicht in den klassische Medien. Die haben ohnehin nicht mehr so viel Einfluss und werden über das iPhone X schreiben, egal wie sie behandelt werden. Denn iPhone-Rezensionen bringen Klicks.

Nein, der wichtigste Hebel sind nun jene, auf die eine junge Generation blickt mit der Hoffnung auf Orientierung, und sei es Mode-Orientierung: Youtuber. Diese dürfen gar nicht zu technisch-analytisch daherkommen. Vielmehr sieht Apple in ihnen eine Rolle, die sehr gut passt zu einer Generation, die von Helikopter-Eltern erzogen wurde: Sie haben Angst vor Fehlentscheidungen und Enttäuschungen. Und so leben jene Youtuber ihnen das Gefühl vor, das sie selbst haben werden, wenn sie ein neues Gerät auspacken und ausprobieren. Weil sie das tun steigt die Begehrlichkeit, denn nun möchte man sie ebenso begeistert fühlen wie jene Youtuber.

Für die ist dies natürlich ein guter Pakt: Ihnen werden jede Menge neuer Zuschauer zugespült, ihr X-Test könnte der Start für eine globale Karriere werden.

Mit klassischem Journalismus hat das weniger zu tun. Auch dort gibt es aber natürlich einen Trend hin zum Vorfühl-Reporting, wenn TV-Berichterstatter nicht mehr über einen Garten reden, sondern selbst im Bericht eine Blume pflanzen müssen (obwohl das Blödsinn ist) oder Autoren auf Millennial-Portalen ihre singuläre Gefühlsweltsicht als allgemeingültig präsentieren.

Doch, ja, das was Apple da treibt ist ein Stück weiteres Stückchen Entmachtung des klassischen Journalismus.

Aus Sicht des Unternehmens selbst  jedoch dürfte diese Strategie zielführend sein. Früher bekamen den engsten Zugang jene, die fair und unvoreingenommen berichteten wie ein Walt Mossberg. Heute gibt es diesen Zugang für jene, die absehbar positiv berichten.

Mit diesem Vorgehen ist Apple nicht superhyperduperinnovativ. Doch in Sachen PR-Strategie gilt das gleiche wie für Handymodelle: Apple determiniert maßgeblich, was massenmarktfähig ist.

Und deshalb sind Influencer Relations dank des iPhone X gerade im „Massenmarkt“ der Konzern-PR angekommen.

Nachtrag: Stratechery, das Blognewsletter-Organ von Ben Thompson, ist nicht nur ein Musterbeispiel für funktionierenden Paid Content, sondern auch eine absolute Abo-Empfehlung für alle, die sich für die Tech- und Web-Branche interessieren. 

Hinweis: Ich besitze Apple-Aktien.


Kommentare


teekay 1. November 2017 um 16:23

Ich finde es gut, dass derartige Rezensionen fest in der Hand weisser amerikanische Männer bleiben-wo käme ein globales Produkt auch hin, wenn man Diversität ausweiten wuerde…(/Ironie)

Antworten

Thomas Knüwer 2. November 2017 um 15:07

@teekay: Auf die Youtuber hast Du nicht geschaut, oder?

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