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Früher war alles einfacher, auch für Renate Künast. Früher, also bevor es dieses Internet, erst recht dieses verdammte Social Web gab, da hätten ihre Partei-Presseabteilung bei einer Demonstration ein Bild gemacht und es verschickt. Die Perspektive wäre genau gewählt worden. Denn wird die Kamera zu tief gehalten, kommen die Plakate mit Sprüchen nicht ins Bild; wird sie zu hoch platziert würde auffallen, dass die Menge der Protestierenden ein überschaubares Ausmaß hat. Entstanden wäre dann ein Bild wie dieses vom vergangenen Freitag bei einer Protestveranstaltung gegen die Übernahme von Monsanto durch Bayer:

Dieses Foto wäre früher dann von all jenen Medien übernommen worden, die am bewussten Tag kein besseres Thema gefunden hätten. Und die Konsumenten jener Medien hätten dann gedacht: „Mööönsch, sind ja doch ne ordentliche Menge Leute, die was gegen diese Übernahme haben.“ Auch wenn der eine oder andere sich vielleicht gewundert hätte, wieso so viel von CO2 und einer Pipeline die Rede auf den Plakaten ist, obwohl es doch laut Renate Künast um Monsanto geht – also um Saatgut.

Im Jahr 2017 dagegen findet solch eine Debatte eben auch auf Twitter statt, wo die Grünen-Politikerin das Foto postete. Dort ist dann auch die Konzernkommunikation der Bayer AG. Und tweetete dieses:

Unter dem Post von Künast tobt nun die Debatte. Die Frage, ob Monsanto-Saatgut befürwortenswert ist oder nicht, lassen wir dabei mal außen vor. Wichtig aber ist: Hier hat eine Politikerin versucht, PR aus der Vor-Internet-Zeit zu betreiben. Dabei inbegriffen ist, das was ein Kommentator sehr schön als „Wahrheitsdehnung“ bezeichnet.

Doch das funktioniert heute nicht mehr, wenn auf der anderen Seite eine Angegriffener steht, der digitale Kommunikation beherrscht und trotz Konzernstruktur die Freiheit hat, die richtige Tonalität zu wählen  – beides scheint bei Bayer vorhanden. Denn der leicht spöttische Tonfall ist aus meiner Sicht genau die richtige Antwort für das donnernde „Hier versammelt sich der Widerstand…“ von Renate Künast.

Natürlich kann solch ein Foto immer noch über Agenturen laufen und noch immer mit der Unterzeile: „Demonstration gegen Monsanto-Übernahme vor Bayer-Zentrale“. Doch einerseits fängt man eine gewisse Menge Leute dann doch auf Twitter ab und bietet ihnen ein anderes Bild. Zum anderen signalisiert man Künast, dass Realitätsdehnung nicht die feine Art ist. Vor allem aber bietet der humorige Ton die Chance, die gesamte Story zu drehen. Dann wird aus der langweiligen Demo vor dem Bayer-Haus ein unterhaltsamer Dialogo zwischen Konzern und Politikerin. Welche Story ist für Medien wohl interessanter?

Bayer kassiert auf Twitter viel Applaus für seine Replik. Nur Renate Künast, der scheint es an Humor zu mangeln. Sie reagiert noch einmal als „Welt“-Mann Ulf Poschardt den Tweet aufgreift und das tut sie – verzeihen Sie die Wortwahl – angepisst:

Nachtrag: Renate Künast hat nachgelegt. Macht die Sache aber nicht wirklich besser…


Kommentare


Ingo 2. Mai 2017 um 15:11

Vielleicht sollte man die Geschichte auch gaaanz korrekt wiedergeben: Anders als suggeriert, steht auf den Plakaten nichts von CO2, sondern von CO, also Kohlenmonoxid. Der Streit über die CO-Pipeline zieht sich schon Jahre hin.

Und auch eine mögliche Bild-Unterschrift „Demonstration gegen Monsanto-Übernahme vor Bayer-Zentrale“ wäre inhaltlich kompletter Humbug, da die Demo anlässlich der Bayer Hauptversammlung in Bonn stattfand. Das Gebäude im Hintergund, des von Bayer geposteten Fotos, ist nämlich das ehemalige Bundeshaus…
Ihre Ex-Kollegen vom Handelsblatt haben das übrigens korrekt berichtet: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/monsanto-deal-auf-bayer-hauptversammlung-der-richtige-schritt-zur-richtigen-zeit/19732378.html

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Thomas Knüwer 2. Mai 2017 um 17:19

@Ingo: Das ändert alles. Fun Fact: Ich habe keine Kollegen beim Handelsblatt.

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Edge 3. Mai 2017 um 11:37

Hä? Das heißt Künast hätte bewusst ein unvorteilhaftes Foto von der Demo veröffentlichen sollen? Ich würde die Aufregung verstehen wenn sie von tausenden Demonstranten geschrieben hätte, aber das war nicht der Fall. Wo ist also das Problem? Das Problem ist in der Tat eher die des Unternehmens die sich über den Protest lustig macht, statt inhaltlich darauf einzugehen.

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Thomas Knüwer 3. Mai 2017 um 12:06

@edge: Realitätsdehnung ist das Stichwort. Sie will den Eindruck von Größe vermitteln, wo keine ist – das Nackte-Kaiser-Prinzip.

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Stefan Balazs 4. Mai 2017 um 10:17

Im Prinzip führt Bayer fort, was im Amflora-Blog begonnen von CropScience begonnen hat: Die andere Perspektive zu zeigen! Das war damals demaskierend und funktioniert heute auch noch gut und wirkt auf Twitter noch frischer und professioneller.

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