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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Jüngst war hier in der Indiskretion weniger los – manchmal muss auch Urlaub sein. In diesem aber hatte ich einen dieser „Das Internet ist toll“-Momente. Denn die vorletzte Woche verbrachte ich in New York und auf dem Flug dahin erwischte ich zum ersten Mal eine Lufthansa-Maschine mit Wifi. Während wir also gen USA flogen lief gerade das Spiel der Niederlande gegen Dänemark im Rahmen der Europameisterschaft.

Reicht für solch einen Stream die Bandbreite des LH-Online-Zugangs? Yep, sie reicht. Ich konnte das Spiel auf dem iPad (wenn auch ein wenig unscharf) verfolgen. Irgendwann allerdings riss der Stream ab, was möglicherweise mit einem fliegenden Wechsel der Landes-IP zusammen hing. Doch im Gegensatz zu deutschen Sendern ist der ORF nicht ganz so pingelig was Stream-Zugriffe aus dem Ausland betrifft: Auf seiner Seite konnte ich weiterschauen. Das war dann auch positiv an den restlichen Tagen.

Wie abgedreht ist es, wenn man im strömenden Regen auf dem Times Square steht, in der langen Schlange vor der Theaterkasse mit den reduzierten Tickets, und gleichzeitig Polen gegen Russland schaut? Denn während deutsche Bürgermeister sich des Themas „Öffentliches Wlan“ nicht annehmen wollen, sieht das in New York anders aus: Der gesamte Times Square ist mit einem kostenfreien und frei zugänglichen Netz-Zugang ausgestattet.

Vor 10 Jahren war dies nicht unvorstellbar – aber es schien noch weit weg zu sein.  Am 27.5.2002 stand nämlich die Fußball-WM in Japan und Südkorea an. An Livestreaming war damals noch nicht zu denken – die Bandbreiten machten dies zu einem eher unerquicklichen Erlebnis.Erstmals aber hatte die Fifa die Online-Rechte an Zusammenschnitten verkauft – dummerweise an die Kirch-Gruppe, die im April 2002 endgültig  Insolvenz anmeldete.

Weil sich diese Krise abzeichnete hatt die Fifa Mitte 2001 eine eigene Vermarktungstochter für das Web gegründet. Sie erwarb die Rechte zurück und holte sich Yahoo als Partner an Bord. Im Gegenzug für das Hosting wurde das Web-Portal dann WM-Großsponsor. Der Plan, den die beiden entwarfen, wäre selbst für die heutige Zeit ambitioniert: 500.000 Nutzer wollten sie gewinnen, die 22,50 Euro für Spiel-Zusammenschnitte zahlten. Wieviele das zahlten veröffentlichten die Fifa und Yahoo meines Wissens nach nie. Und das deutet daraufhin, dass es nicht allzu viele waren.

Kein Wunder, angesichts einiger Merkwürdigkeiten: So ließ sich ein Zugang durchaus von mehreren Computern aus ansteuern – er konnte also weitergegeben werden. Dafür aber waren die vierminütigen Zusammenfassungen auch immer nur 15 Stunden im Netz zu sehen. Damit wollte die Fifa jene Weitergabe von Passworten eindämmen und gleichzeitig die Bandbreiten absichern. Doch die eigenen Probleme zu denen der Kunden zu machen – das funktioniert im Netz nun mal nicht.

Erfolgreich verlief die WM dagegen für Informationsanbieter. Sie ahnten, was kam: Durch die Zeitverschiebung – die Spiele begannen um 17.30 deutscher Zeit – informierte sich zum ersten Mal die große Masse der Menschen über den Stand der Dinge im Vorfeld einer Partie.

In diesen Tagen versuchen sich viele deutsche Verlage schon wieder am Thema „Paid Content“. Noch immer wird gerne behauptet, dies sei ja der Kardinalfehler gewesen, immer schon alles umsonst ins Netz zu stellen. Nur stimmt das eben nicht, wie ich vor einigen Wochen beim Durchblättern von Netzwert feststellte: Schon 2002 wollten Verlage Geld für ihre Inhalte – und schon damals hat das nicht funktioniert.

Umso interessanter finde ich die Grafik aus jener Netzwert-Ausgabe vom 27.5.02. Die W3B-Umfrage von Fittkau & Maaß unter rund 95000 Internet-Nutzern zeigt zwei interessante Knicks im Jahresverlauf: Die Menschen gaben Geld für Online-Inhalte aus – und zeigten gerade bei hochwertigen Informationen Zahlungsbereitschaft.

Möglicherweise begann damals eine Entwicklung, die bis heute andauert. Denn zu jener Zeit bauten die Medienhäuser ihre Online-Angebote ja wieder ab. Redakteure wurden en masse gefeuert, worunter vor allem die Onliner litten – denn sie waren jünger und nicht so lang im jeweiligen Betrieb. Auch die Klickhurerei durch zerstückelte Artikel und Fotostrecken nahm drastisch zu, schließlich musste angesichts der dürren wirtschaftlichen Lage um jeden Klick gerungen werden.

Vielleicht erkannten die Leser damals, wie die journalistische Qualität immer mehr sank. Und von dieser Dekonstruktion der Medienmarken haben diese sich auch nicht wieder erholt. Für Fachinformationen zahlen die Menschen deshalb heute im Netz – für Nachrichten nicht.

Schon damals bei Netzwert liebte es mein Ex-Kollege Olaf Storbeck ökonomische Küchenweisheiten auseinanderzunehmen, so wie er es heute auch in seinem Blog tut. So nahm er sich die damals zum Hassbegriff mutierte Vokabel „New Economy“ vor:

„… ausgerechnet eine Berufsgruppe, die nun wirklich nicht für ihre flippige Art bekannt ist, ist nach wie vor ein glühender Anhänger der Neuen Wirtschaft – die Volkswirte…

Und das hat seinen Grund. Denn in den US-Wirtschaftsstatistiken hat das Phänomen eindeutige Spuren hinterlassen. Kaum ein ernstzunehmender Volkswirt stellt daher mehr in Frage, dass es die New Economy tatsächlich gibt.“

So habe die Arbeitsproduktivität erheblich zugenommen, selbst im Abschwung des Jahres 2001 stieg in den USA die Effizienz. Und weil die Mitarbeiter selbst durch die Verbreitung von Computern im Privatleben diese besser beherrschen lernten, gab es weitere positive Effekte auf das Arbeitsleben. Allerdings sorgte dies auch für einen härteren Wettbewerb der Unternehmen untereinander und somit für sinkende Margen und Gewinne. So doof war die New Economy halt doch nicht.

Im Gegensatz zu jener Netzwert-Ausgabe. Denn die bestand aus nur zwei Seiten und amtlichen Anzeigen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob dies noch immer jenem Tarifstreit der Druckindustrie geschuldet war der einige Wochen zuvor das Blatt ausdünnte – oder der Verlag bereits das Produkt Netzwert systematisch abbaute.


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