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Shitstorm – die Angstvokabel du jour bei vielen Marketing-Managern. Man denkt an Nestlés Kitkat oder an den WWF, nein, so etwas braucht man wie nen Kropf im ohnehin schon stressigen Berufsleben.

Andererseits.

Immerhin hat so ein Mistwirbel ja auch einen Vorteil: Derjenige in der Mitte kann sich zumindest sicher sein, dass über ihn gesprochen wird. Und hält er sich im Auge des Sturms, bleibt ja auch erstmal alles ruhig – er muss nur mit dem Tornado mitwandern. Sprich: Es kann auch Strategie sein, solch einen Wirbel zu verursachen – denn das erzeugt mediale Aufmerksamkeit.

Nehmen wir nur mal eine Partei, der es an Ansatzpunkten für Berichterstattung fehlt. Sie hat regiert, nun wird wieder gewählt und man mag angesichts klammer Kassen und der dadurch bedingten Manövrierunfähigkeit auch nichts großartiges versprechen für die anstehende Legislaturperiode. Ohnehin künden die Prognosen ja vom eigenen Wahlsieg, den sollte man nicht durch Inhalte gefährden, raten die Berater: „Schön den Ball flach halten.“ Dies aber hat einen Nachteil: Wo es nun so überhaupt nichts zu berichten gibt, wird auch nicht berichtet – der Wähler könnte den Verdacht bekommen, diese Partei habe gar kein Interesse, gewählt zu werden.

Auch hier schein Social Media Abhilfe zu versprechen. Die Partei organisiert einen Plakatwettbewerb, jeder darf teilnehmen. Doch braucht es ein regelndes Argument: Fünf Vorschläge soll eine Jury herauspicken. Dies ist nicht verwerflich – eine Entscheidung ausschließlich auf einem Publikumsentscheid würde den Gegnern zu viel Einflussmöglichkeiten einräumen. Erst unter diesen fünf Schlusskandidaten soll das Volk entscheiden.

In diesem Moment lässt sich der finale Entscheid durchaus steuern. Denn wir Menschen mit unseren kleinen Affenhirnen sind ja in gewissem Grade ausrechenbar. Streue ich in die Auswahl eine besonders absurd erscheinende Option, so wird sie absehbar die meisten Stimmen erhalten. Das war noch nie anders, die meisten Stimmen bekommt halt der kleinste gemeinsame Nenner – und der trägt häufig den Anhang „hihi“. Unterstützen lässt sich die Wahl eines größten gemeinsamen Nenners durch Weglassen jedweder ernsthafter Alternativen. Nehmen wir an, auf einem der final zu wählenden Plakate stünde „Wir fordern mehr Tierschutz“, so bestünde die Gefahr, dass die aktiven Tierschützer in die Plakatentscheidung einsteigen in der Hoffnung, ihre Ziele erführen dadurch mehr Unterstützung.

So gelangen am Ende drei Motive in die Auswahl, die austauschbare, harmlose Wahl-Worthülsen propagieren, ein weiteres arbeitet mit feinerem Humor. Das letzte aber ist von titanischer Absurdität, es vergleicht die Partei vielleicht mit… sagen wir… Currywurst. Es ist absehbar, welches bei einer Abstimung über Facebook auf Rang eins landet.

Ja, so funktioniert das Arrangieren eines gewollten Shitstörmchens. Dafür braucht man natürlich jemand, der kompetent in der Materie ist. Die SPD in NRW hat so jemand, es ist der geschätzte Nico Lumma. Und so werben die Sozialdemokraten nun auf einem Plakat mit – Currywurst.

Die Reaktionen auf Facebook deuten den ersten Wirbel an, absehbar werden die klassischen Medien aufspringen. Immerhin, die SPD NRW hat ein Thema und da es eine öffentliche Abstimmung war, ist sie natürlich tooootaaaal unschuldig. Das kann sympathisch verkauft werden.

Eigentlich kann man daran nur wenig schlecht finden – fände es nicht ein einem besonderen Kontext statt. Denn tatsächlich ist die NRW-Wahl von bemerkenswerter Inhaltslosigkeit. Alle wollen irgendwie weniger Schulden, dann noch ein wenig Kita-Krach – und sonst? Nur die Grünen und die Piraten wagen den Wähler mit Themen aus der Ruhe zu bringen. Vielleicht ist das die richtige Strategie. Was ich jedoch aus meinem Umfeld wahrnehme, so gibt es viele Menschen, die das genau anders sehen. Sie wollen in einer Zeit hoher Unsicherheit einen ernsthaften Wahlkampf sehen. Und der Grund, warum eine ganze Reihe Personen die Piratenpartei in Erwägung ziehen ist genau der: Die haben wenigstens in einem bestimmten Umfeld echte Inhalte zu bieten.

Und die angestammten Parteien? Die sind ihnen Wurst.


Kommentare


Jens 16. April 2012 um 16:52

Also Thomas, soll ich Dir ab sofort bei DrawSomething das Wahlprogramm der NRWSPD (in der ich Mitglied bin) aufmalen? Es gibt sehr viele inhaltliche Punkte – und das sieht man auch bei den anderen Plakaten der SPD.

Ansonsten stimme ich Dir aber grundsätzlich zu. Wenn ich aber dann sehe, dass beispielsweise in Bochum die Piraten Plakate aus S-H auftragen, obwohl die Themen zwischen der Küste nicht unbedingt deckungsgleich zu Rhein und Ruhr sind – dann frage ich mich doch, warum man sie in Erwägung ziehen sollte.

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Thomas Knüwer 16. April 2012 um 16:59

Jens, ich rede hier nicht von mir, sondern von zahlreichen Menschen in meinem Umfeld. Die Plakate mit der Diddelmaus-Farbwahl habe ich bisher in DüDo übrigens noch nicht gesehen. Deren Inhalt aber ist zu 50% Vergangenes („Studiengebühren abgeschafft“) und zu 50% luftig („Jetzt den Westen fördern“).

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Daniela 16. April 2012 um 17:04

Also gegen die „Lieblingsland“-Plakate der SPD hier oben in SH hat das Ding mit der Currywurst ja richtiggehend inhaltliche Brisanz. Man muss nur bedenken, dass es einen langjährigen Streit gibt, ob die Currywurst nun aus Berlin, aus Hamburg oder eben „ausm Pott“ stammt. Lokalpatriotismus, wie es sonst nur ein Jürgen Rüttgers vor den Toren des Bochumer Nokia-Werks heranpöbeln konnte.

Abgesehen davon kann ich meinem lieben Freund Jens nicht zustimmen: Die Probleme der Menschen/der Landesregierungen in Deutschland sind sehr oft deckungsgleich (Steuern, Schulden, KiTas), die Unterschiede zwischen NRW-Problemen und SH-Problemen wohl eher gering. Mich stört da weniger das „identische“ Plakat als die Tatsache, dass man wieder mehr Wahlk(r)ampf GEGEN jemanden als FÜR den Bürger gemacht wird.

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Markus 16. April 2012 um 17:28

Hmm – so ganz versteh ich das Plakat nicht. Ich versuche mich mal:

– Currywurst mit Pommes rot-weiß (oder Pommes Schranke, wie es manchmal heißt). Rot – ja, ist klar, SPD. Weiß – hmmm. Und Curry ist eher braun. Nee – das taugt wohl nicht als Erklärung.
– Currywurst: DAS Lebensmittel der Prolls im Revier. Ja, ok – aber das schränkt doch den Wählerkreis ziemlich ein, oder? Was sollen dann die Rheinländer wählen ???
– Currywurst: Tradition statt Fortschritt – vielleicht läßt sich da was draus machen. Also doch wieder Steinkohle?

Also vielleicht könnt ihr mir da noch ein paar gute Interpretationen liefern?

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Markus Väth 16. April 2012 um 17:36

Also, ich glaube nicht, dass dahinter eine „Mini-Shitstorm“-Strategie steckt. Soviel Raffinesse traue ich der SPD definitiv nicht zu.

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Baranek 16. April 2012 um 17:37

Alles richtig soweit. Allerdings glaube ich zu wissen, dass da nicht so sehr der Herr Lumma dahinter steckt (ok, er war in der Jury), sondern eher der @christiansoeder. Ehre, wem Ehre gebührt!

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Julius 16. April 2012 um 18:21

Das Plakat finde ich an sich gar nicht so schlecht – hat jedenfalls kaum weniger Inhalt als „Wir haben die Kraft“ o.ä.
Daß es den einen oder die andere gibt, denen das Ding nicht gefällt und/oder die keinen Humor haben, geschenkt. Aber daß der erste Kommentar hier gleich von nem SPDler kommt, der meint, „klare Kante“ gegen die Piraten demonstrieren zu müssen, wirkt auf mich schon sehr motzig bis verzweifelt. Naja.
(Ich bin übrigens weder Pirat noch Piratenwähler noch SPD-Mitglied noch SPD-Wähler noch wohne ich momentan in NRW)

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“Currywurst ist SPD” | Jusos Tübingen 16. April 2012 um 20:23

[…] indiskretionehrensache.de Nehmen wir nur mal eine Partei, der es an Ansatzpunkten für Berichterstattung fehlt. Sie hat regiert, nun wird wieder gewählt und man mag angesichts klammer Kassen und der dadurch bedingten Manövrierunfähigkeit auch nichts großartiges versprechen für die anstehende Legislaturperiode. Ohnehin künden die Prognosen ja vom eigenen Wahlsieg, den sollte man nicht durch Inhalte gefährden, raten die Berater: “Schön den Ball flach halten.” Dies aber hat einen Nachteil: Wo es nun so überhaupt nichts zu berichten gibt, wird auch nicht berichtet – der Wähler könnte den Verdacht bekommen, diese Partei habe gar kein Interesse, gewählt zu werden. […]

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Oswald Prucker 16. April 2012 um 20:55

Interessant, zu was man so Plakat alle hoch und runter jubeln kann. Darf das nicht einfach ein Gag sein? Man muss das nicht mögen, aber darf es nicht trotzdem einfach ein Gag sein? Wäre das Plakat von den Piraten, würde es vermutlich als unendlich genial und super lustig gefeiert werden (roflcopter etc.). Da es allerdings von der bösen, langweiligen und sonst was SPD ist …

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Lobo 17. April 2012 um 7:22

Toll! Jetzt hab ich Hunger auf ne Currywurst!

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Onlinewahlkampf in NRW | Homo Politicus 17. April 2012 um 9:51

[…] Über die Facebookseite von Hannelore Kraft ließ man diese Vorschläge anschließend abstimmen und nach einiger Mobilisierung, u.a. auch durch Martin Sonneborn, erreichte der Entwurf “Currywurst ist SPD.” fast 5000 Likes. Alles was ich dazu sagen würde hat Thomas Knüwer bereits gestern veröffentlicht: “SPD NRW: Hast Du keinen Shitstorm, bau Dir einen“. […]

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Pottblog 17. April 2012 um 11:56

Links anne Ruhr – und am Rhein (Landtagswahl #nrw12) 17.04.2012…

Duisburg (Loveparade 2010): CDU: Lensdorf soll es richten und OB-Kandidat werden (RP ONLINE) – Die CDU hat den Nachfolger(kandidaten) für Adolf Sauerland gefunden. Siehe auch DerWesten. Bochum: Musikzentrum – Abstimmung geht doch (DerW…

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Jens 17. April 2012 um 12:01

@Thomas (2):
Diddelmaus-Farbwahl – schöner Begriff. Bin ja schon froh, dass es nicht die LSD-Farbeffekte wie 2010 sind. 😉

Ansonsten finde ich das nicht nur rückwärtsgewandt – wäre ich Student, würde ich es vielleicht gut finden, wenn man die Beitragsfreiheit im Studium weiter thematisiert, denn da gibt es ja auch andere politische Meinungen.

@Julius (7):
Das „Wir haben die Kraft“-Plakat war übrigens ursprünglich die CDU. Siehe auch hier: http://www.pottblog.de/2010/03/17/cdu-wir-haetten-gerne-die-kraft-spd-wir-haben-die-kraft/

Ich bin übrigens weder motzig noch verzweifelt, ich fand es aber sehr interessant, dass Thomas in seinem Beitrag die Inhalte der Piratenpartei positiv erwähnt. Übrigens Inhalte mit denen ich mich persönlich zu großen Teilen sehr identifizieren kann. Aber warum landen dann deren Inhalte nicht auf den Wahlplakaten? Es werden stattdessen Inhalte aus S-H recyclet, was ich irgendwie merkwürdig finde. Ich, als jemand der in NRW lebt, fände es sinnvoll Ideen und Vorstellungen für NRW präsentiert zu bekommen.

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Umfrage n 17. April 2012 um 15:50

Currywurst könnte das Nahrungsmittel der ehrlichen Arbeiterklasse repräsentieren.
Die folgenden Lebensmittel-Wahlkampf-Sprüche würden im Wahlkampf auch schnell Parteien assoziiert werden:
Champagner statt Selters.
Mate statt Hate.
Weißwurst, Weißbier, dort wählen wir.
Tofood ist für alle da.
Für CDU und Linke ist mir nix eingefallen.

Wäre es nicht interessant, das Team für die Vorselektion mit Namen und Funktion zu veröffentlichen ? Bei anständigen seriösen und transparenten Preisverleihungen ist sowas doch üblich.

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FF 18. April 2012 um 14:09

@Markus

„Currywurst ist SPD“ – ist doch ’ne schöne, runde, glasklare Aussage!

Ich versteh‘ das so: wo sich der Arbeiter unter dem ollen Kaiser noch „ein Huhn im Topf“ leisten können sollte, möglichst jeden Sonntag, ist unter der „S“PD nur noch ’ne Currywurst drin.

Und zwar nur am 13. Mai. (Und mit Ausnahme von H-4-Empfängern sowie „geringfügig Beschäftigten“. Bitte beachten!)

Fragt mich, wenn ihr was wissen wollt. 😉

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Gedanken (81): Frau Brot | Schokokäse 20. April 2012 um 17:22

[…] sah („fraubrot.jpg“), kam mir eine Assoziation. Und im nächsten Moment musste ich an dieses ungewöhnliche SPD-Wahlplakat denken. Bei dem ich mich natürlich fragte: Oh, ist das denn wenigstens Tofu? Oder […]

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“Currywurst ist SPD” | Jusos Tübingen 11. Januar 2014 um 21:33

[…] indiskretionehrensache.de […]

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