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Samstag Abend, Freunde zum Essen abholen. Der Fernseher läuft, denn Oma passt auf den Nachwuchs auf. „Wetten, dass…“ ist eingeschaltet. Ein junger Mann mit beelzebubigen Sprungfedern tritt an. Er will über Autos springen, die ihm entgegenfahren.

Ich bin nur sehr homöopathischer „Wetten,dass…“-Zuschauer. Für den Bruchteil einer Sekunde denke ich daran zu twittern, ob „Wetten, dass…“ von einer Sendung, in der normale Menschen ungewöhnliche Dinge tun, die jeder nachmachen könnte, wenn er sich Mühe gäbe, zu einer Stuntleistungsschau geworden ist. Aber das wäre unhöflich den Gastgebern gegenüber.

Dann der Sturz. Der Sekundenbruchteil, in der die Kamera den auf dem Boden liegenden zeigt. Und die Sicherheit: Das ist schlimm.

(Foto: Shutterstock)

Unfälle passieren. Auch in TV-Sendungen. Wie wir als gesellschaftliches System aber mit solch einer Situation umgehen, verrät sehr viel über die Fragen, die wir uns über uns selbst stellen müssen. Denn „Wetten, dass…“ ist eben keine normale Show, es ist ein popkultureller Fokus, erschaffen im öffentlich-rechtlichen System.

Dieses hat so gut reagiert, wie man unter Schock reagieren kann. Wie Thomas Gottschalk mit der Situation umging, das war bemerkenswert. Vielleicht hätte die Regie schneller eine Einblendungstafel statt geschockter Zuschauer zeigen müssen. Aber seien wir ehrlich: In solch einem Moment kühl zu reagieren – dafür bräuchte es robotergleiche Emotionsanlagen.

Versagt hat ein anderes System: der Journalismus.

Natürlich war es absehbar, dass Bild.de zu den ersten Nachrichtenangeboten gehören würde, die in voller Breite Bilder des Unfalls bieten würde. Aber Bild.de ist kein Journalismus, es ist Teil der Unterhaltungsindustrie.

Erschreckend aber ist, dass die Aussicht auf die Klickstrecke eines solchen Unfalls niemand in den Online-Redaktionen zögern lässt. Sie alle bieten nicht nur Bilder des Kandidaten vor der Wette und Aufnahmen des geschockten Gottschalk, sondern eben auch genau jene Szene des Sturzes und den am Boden liegenden, umringt von Sanitätern. Selbst das Tuch, das den Verletzten von den Zuschauern im Saal abschirmt (War es tatsächlich Michelle Hunziker, die auf die Idee kam, nach einem solchen zu rufen? Wenn ja: Respekt.) bietet keinen Schutz – wir blicken von der anderen Seite darauf.

Die Liste derer, die jene Aufnahmen verwenden ist lang: RP Online, N-TV, „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Financial Times Deutschland“, Der Westen. Einen besonders ekligen Tiefpunkt setzt Focus Online: Dort wird das Bild des am Boden liegenden Bewusstlosen eingebaut.

Darf man diese Bilder zeigen?

Also, man darf das schon, es war eine öffentliche Veranstaltung mit akkreditierter Presse.

Die richtige Frage ist: Will man diese Bilder zeigen?

Die Antwort darauf ist nicht leicht.

Denn der Kandidat ist selbst schuld, ließe sich einwenden. Er hätte nicht springen müssen. Und wenn es ihn dann erwischt, dann hat er eben Pech gehabt – und wir dürfen uns daran weiden. Oder es „dokumentieren“, wie mancher Redakteur behaupten wird. That’s show business.

Damit begibt sich der Journalist auf ein Niveau, das dem eigentlichen Sinn seines Berufsstandes Schande bereitet. Denn noch während es fraglich war, wie die Sendung ausgehen würde, tauchten auf Youtube Videos des Unfalls auf. Irgendeinige Adrenalinjunkies überspielten flott die Szenen, auf dass die Welt sie sehe.

Egal ob Videos oder Fotos: Wer diese veröffentlicht schert sich einen Dreck darum, was der Kandidat – so er überlebt – und seine Angehörigen dabei empfinden. Es schert ihn einen Dreck, was die Zuschauer denken, die live in der Halle waren. Wer dieses Material nutzt, will alle Informationen öffentlich sehen.

„Hey, Wikleaks!“, mag mancher rufen – und den falschen Vergleich ziehen. Denn die Weltpolitik ist kein „Wetten, dass…“ und der Kandidat in einer Unterhaltungsshow kein Bekleider eines öffentlichen Amtes.

Stattdessen betreibt, wer diese Bilder und Videos im Rahmen eines journalistischen Produktes verwendet Boulevardjournalismus – und davon nicht mal guten (den gibt es tatsächlich auch).

Wir dürfen uns in diesen Minuten Online-Redakteure in der Republik als Ego-Shooter-Spieler vorstellen. Ihnen geht es nicht um Dokumentation von Ereignissen, um Aufklärung oder Information. Sie wittern Klicks. Und sie weiden sich daran. Die Page Impression ist ihr Punktestand, denn es ist der Maßstab, an dem sie gemessen werden. Also muss ein junger Mann, der zu dieser Zeit um sein Leben kämpft, herhalten für eine Bilderstrecke. Die Aufregung um die schrecklichen Bilder der Love Parade sind längst verdrängt.

Wie wenig Online-Redaktion in Kategorien wie journalistische Standesethik denken, bekam ich Sonntag zu spüren. Via Twitter kritisierte ich die Redaktionen von RP Online und N-TV.de für ihre Unfall-Klickstrecken. Die Reaktionen sprechen für sich.

RP Online macht es sich einfach. Wenn die anderen, dann doch auch wir – Lemming-Argumentation:

N-TV.de sieht in Kritik zuvorderst Majestätsbeleidigung…

… um auf Nachfrage philosophisch zu werden:

Ja, wenn wir alle sterben müssen, warum nicht in Technicolor? Einen Moment lang ist man versucht, jenen Pseudo-Journalisten einen mitgefilmten Unfall mit ihnen in der Hauptrolle zu wünschen, um diesen dann veröffentlichen zu können. Denn sterben müssen sie ja ohnehin mal.

Doch bleiben wir lieber ernst. Dass kaum jemand auf die Klickstrecke verzichten mag, wirft ein trauriges Licht auf den Zustand der großen Redaktionen dieses Landes. Denn anscheinend greift ja auch kein Chefredakteur ein – und zumindest bei einigen der Angebote sollten Leitende Sonntagsdienst haben. Tatsächlich ist es egal in diesen Tagen. Jeder ist irgendwie Boulevard. Die Zeiten sind schlecht, irgendwie muss Geld reinkommen.

Geht es auch anders? Ja. Das beweist Steffen Grimberg bei Taz.de. Dort hat auch Daniel Fiene einen sehr guten Text geschrieben – er war vor Ort.

Wenn wir nun aber in diesen schlechten Zeiten darüber debattieren, wie wichtig Journalismus sein soll, dann erlaube ich mir zu konstatieren: Wenn in solch einem Moment, ein Samstagabendshow-Moderator besonnener als Deutschlands Redaktionen reagiert. Wenn sich diese gleichzeitig auf das Niveau sensationsgieriger Video-Kiddies begeben – dann hat der Journalismus seine Existenzberechtigung als einordnende und moderierende Instanz in der Gesellschaft verloren.

Auf solch einen „Journalismus“ können wir verzichten.

Nachtrag: RP Online hat via Twitter auf meine Kritik reagiert:

„Wir wollten uns nicht rechtfertigen. Wir wollten lediglich darauf hinweisen, dass du wenn, dann auf alle draufhauen solltest.“

Nachtrag II: Was ich gestern vergaß einzubauen ist der journalistische Tiefstpunkt des Sonntags. Die österreichische Boulevardzeitung „Österreich“ (Blattkritik der ersten Ausgabe hier)  hat die Sendung nämlich – vermutlich wegen frühen Andrucks – vorempfunden. Man kann auch sagen: erfunden. Inklusive nicht stattgefundener Star-Auftritte. Immerhin wissen die Leser nun: „Österreich“ darf der Leser kein Wort glauben – es handelt sich um ein Märchenblatt.


Kommentare


Simon 5. Dezember 2010 um 17:42

Die Frage, ob man den bewusstlosen, am Boden liegenden Mann zeigen darf ist relativ leicht zu beantworten. Und bisher dachte ich immer, dieser Grundsatz gilt nicht nur bei der Feuerwehr sondern auch und vor allem im Journalismus: Man zeigt keine Opfer.

Die Bilder vorher und hinterher gehören sicher zum Journalismus dazu. Der Sinn und vor allem Unsinn von Klickstrecken ist mir schleierhaft. Eigentlich geht es doch um Auflage und Geld verdienen. Was mit Klickstrecken aber nicht zu machen ist. Man könnte genauso gut verzichten. Aber die Sensationslust der Leser will wohl befriedigt werden – was auch die YouTube Videos vom Unfall zeigen.

Die jetzt aufkeimende Diskussion, ob Wetten dass abgesetzt wird bzw werden sollte ist eine unsinnige. Jeder Kandidat kennt das Risiko sich zu verletzen. Die Redaktion auch. Und diese Wette war bei weitem nicht die Risikoreichste in der „Wetten dass…“ Geschichte. Ich erinnere mich noch an einige Skateboard-Wetten, die weitaus gefährlicher waren. Aber diese gingen eben gut.

„Wetten dass…“ wird sich weiterentwickeln und wieder senden. Es wäre töricht diese Sendung jetzt einzustellen. Die Reaktion der Regie und von Thomas Gottschalk ist respektabel. Besser hätte man wahrscheinlich nicht reagieren können.

Ich wünsche dem Kandidaten und seiner Familie alles Gute und eine schnelle Genesung.

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Peter 5. Dezember 2010 um 18:03

So einfach ist es nicht. Opferbilder haben in der Berichterstattung nichts zu suchen, aber haben die Journalisten da überhaupt noch die Wahl? Die Journalisten arbeiten in Medienunternehmen, die Gewinne erwirtschaften wollen. Sie gehören aber gleichzeitig zu den kleinsten wirtschaftlichen Einheiten in der ganzen Maschinerie – sie sind weder in der Lage noch in der Position daran etwas zu ändern. Und überdies sind sie auch leicht zu ersetzen. Eine Kehrtwende geht nur über Druck von den Käufern. Wenn die Verleger endlich einsehen, dass Qualität wieder lohnt, dann werden auch die Klickstrecken weniger. Wir Konsumenten haben es in der Hand, die Gewinne derer zu schmälern, die mit solchen Mitteln arbeiten. Deshalb: Kauft doch morgen die taz statt der Bild.

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Mithos 5. Dezember 2010 um 18:10

Kommt ja noch besser:
In den um Klicks bettelnden Artikeln mit der Klick-strecke (und/oder sogar dem Video) wird auch gern mal die Frage gestellt, ob solch eine potentiell gefährliche Wette eventuell dem Verlangen nach besserer Quote geschuldet sei. Man wirft dem ZDF verantwortungslose Quoten-Jagd vor, während man selbst gerade sensationshaschend Klicks jagt.

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Sascha Pallenberg 5. Dezember 2010 um 18:11

ach gottchen, die antworten von den n-tv twitter bots 😉

@Simon

Klickstrecken sind fundementaler bestandteil des businessplans der deutschen online-medien.
ne, lass es mich anders formulieren, sie sind erstens der wichtigste bestandteil und zweitens geht es um die online-ableger der printmedialen brueder und schwestern.
Pageviews sind auch im jahre 2010 noch das wichtigste gut in ihrer unglaublich beschraenkten onlinewelt und eine klickstrecke laesst dann mal eben schnell 10, 20, 30 pageviews pro besucher generieren und ebenso haeufig werden dann auch die banner der werbepartner eingeblendet, wenn z.B. die ganze seite neu laedt (die meister sind hier uebrigens spiegel online).

ja, ich gebe zu, ich habe mir auch das youtube video angesehen, als die „wetten dass“ twitterlawine mich hier traf und ich ziehe meinen hut bzw. mein cap vor der wetten dass redaktion, die das wirklich gut gehandled haben.

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Felix 5. Dezember 2010 um 18:15

Ich hätte mir eine vernünftige Berichterstattung gewünscht, bei der mit genügend Abstand bloß die Fakten maximal mit einem Bild vom Tuch inklusive schockierten Zuschauern präsentiert werden. Alles Weitere geht in die falsche Richtung, suggeriert Schadenfreude seitens der Berichterstatter. Absoluter Schwachsinn, um das mal direkt zu sagen.

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Helgoländer Vorbote 5. Dezember 2010 um 18:16

Die Leier mit den Bildern kommt ja nun inzwischen gebetsmühlenartig. Überzeugend wird sie damit trotzdem nicht. Was verdammt ist unethisch daran, ein öffentliches Ereignis im Bild zu zeigen? Wieso soll es entwürdigend sein, wenn jemand regungslos am Boden liegt? Es ist saudumm, natürlich, – aber eben passiert.
Und warum ist es nicht unanständig, über den Unfall in Worten zu berichten? Die Nachrichtenkanäle mit Quatschfragen zu fluten wie der nach der Zukunft von Wetten dass? Hätte irgendwer diese Fragen gestellt, wenn es keinen Unfall gegeben hätte? Das, und nur das, wäre interessant.
Man ist kein Adrenalinjunkie, wenn man sich anschauen will, worüber gerade alle reden. (Dann sollen sie das Reden lassen, – was ich nicht weiß, macht mich halt nicht heiß.)
Autounfälle, brennende Häuser, hungernde Kinder, verzweifelte Flüchtlinge – wenn Sie nicht über das Leben berichten wollen, ist das Ihre Sache, aber lassen Sie doch andere diesen Job machen – ohne Gepöbel.

Und was ist das für ein Quatschansatz bei Ihnen, Berichterstattung als Gegenschlag auch nur in Erwägung zu ziehen? (Das ist Freien-Provinzgosse: „weil der da böse zu mir war schreibe ich jetzt schlecht über ihn -bä!“ Nachrichtenwert? – Null.)

An den Journalismus kann man ganz andere Fragen richten, vor allem die, warum dieser Unfall überhaupt so breit verhandelt wird. Die Fernsehzuschauer haben’s gesehen, die anderen bekommen es erzählt (ein paar wenige auch gebloggt, getwittert etc.)- und damit ist eigentlich der Nachrichtenverbreitung genüge getan. Mehr gibt es da nämlich nicht zu berichten. Meinetwegen irgendwann ein Update zum Gesundheitszustand – wenn man wirklich etwas weiß.
Aber wenn schon berichtet wird, dann bitte vollständig und möglichst unverzerrt.

Über die Existenzberechtigung des Journalismus entscheidet übrigens einzig und allein – sein Kunde.

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Daniel Knauer 5. Dezember 2010 um 18:25

Danke für diesen Aritkel und für die vernünftige Meinung darüber. Was BILD darüber schreibt ist unter aller Sau, doch das sind wir gewohnt.

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tinythom 5. Dezember 2010 um 18:33

Um das Bild abzurunden hier der Tweet, mit dem @tknuewer die Reaktion von @ntvde auf Twitter erreicht hat:

„Nach @rponline reiht sich @ntvde in die Reihe derjenigen ein, die mit dem #Wettendass Unfall Klickcents holen wollen.“
http://twitter.com/tknuewer/status/11390812889808896

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Hans 5. Dezember 2010 um 18:46

Die Reaktion von n-tv auf die Beschwerde von Herrn Knüwer ist eine Frechheit und einfach nur schäbig. Moral wird da wohl an der Eingangspforte abgegeben.

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SvenR 5. Dezember 2010 um 18:51

Ja, es war Hunziker, die nach dem Tuch fragte. Ja, Gottschalk hat das wirklich sehr souverän gelöst. Ja, die Regie vor Ort hat handwerklich sehr gut reagiert. In sofern teile ich Dein großes Lob.

Ich finde nur, dass alles sehr lange gedauert hat. Als dann endlich das erste Ersatzprogramm kam – ausgerechnet Dieter Bohlen und Modern Talkings mit »Win the Race« – wirkte das alles andere als dem Anlass gerecht und auf die Situation vorbereitet.

Es war die richtige Entscheidung, die Sendung abzubrechen. Aber dann »Ein starkes Team« zu senden, ich weiß nicht. Einfach nicht vorbereitet.

Die Gefährlichkeit der Wette war hart an der Grenze. Durch das Zeitlimit wurde meiner Meinung nach die Grenze überschritten. So ein Unfall darf einfach nicht passieren. Und wenn er passiert, dann darf man nicht so überrascht sein.

Zum eigentlichen Thema: Die Klickstreckenhurerei ist sowieso ganz furchtbar. Aber auch ich habe mir eine angesehen. Weil ich beim Live-Schauen den Unfall nicht begriffen habe. Ich hatte zwar angespannt hingeschaut, aber nicht erkennen können, wo und warum es zum Unfall gekommen ist. Das konnte mir aber die Klickstrecke auch nicht wirklich zeigen.

Wäre ich böse gewesen, wenn es keine Klickstrecke gegeben hätte? Sicherlich nicht.

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Sascha Pallenberg 5. Dezember 2010 um 20:07

Ich moechte vielleicht noch kurz den „Goldenen Heuchler am Bande“ fuer dieses Wochenende verleihen.
Aaaaand the winner is: Das Abendblatt:

http://www.abendblatt.de/kultur-live/article1717585/Krisenkommunikation-beim-ZDF-klappte-aber-nur-bedingt.html

Ich zitiere mal kurz:

„Besonders pervers aber waren jene Leute, die glaubten, der gierenden Filmschnipselgemeinde im Web die Unfallszene zum Wieder-und-wieder-Anschauen servieren zu müssen. You Tube, das Kolosseum unseres Medienzeitalters?“

Und jetzt ratet mal was unter diesem Artikel positioniert wird? Richtig, eine schoene Klickstrecke mit allen wichtigen Fotos.

Herrlich!

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Fotograf 5. Dezember 2010 um 20:11

Die Reaktionen von RP und n-tv sind übel, da stimme ich zu. Ich möchte aber gerne (als Fotograf, langjährige Polizeireporter-Erfahrung) darauf hinweisen, dass hier meiner Meinung nach -wie inzwischen schon üblich in solchen Fällen- viele Dinge durcheinander geworfen werden. Die Kritiker, wie hier der von mir eigentlich gern gelesene Thomas Knüwer, haben alle ehrenwerte Positionen – aber erkennbar wenig weitergehende Erfahrung mit den Themen und den Menschen dahinter. Meine ganz persönlichen Erfahrungen, jenseits irgendwelcher (zweifelsfrei wichtigen) Debatten: Angehörige haben meist maximal ein kleines Problem mit Fotos wie den hier Kritisierten.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erhalten Pressefotografen, die Unglücke dokumentieren, Anfragen von Angehörigen, ob man ihnen diese Fotos im Original zur Verfügung stellen könnte. Und, Überraschung: in der Vielzahl aller Fälle wollen die einem noch nichtmal etwas Böses, sondern bedanken sich so herzlich, dass es einem selbst fast schon unangenehm ist. Viele schreiben nach Jahren, dass sie dank der Aufnahmen verstehen konnten, was passiert ist, sie das verarbeiten konnten. Es gibt hierbei eine Voraussetzung: Der Fotograf hat erkennbar die Persönlichkeitsrechte des oder der Opfer/s beachtet und einfach dokumentiert, was passiert ist (nicht mehr und nicht weniger). Das ist natürlich einerseits bei einer TV-Show mit Millionenpublikum und akkreditierter Presse ohnehin schon eine andere, zu diskutierende Ausgangslage. Klar, das ist nicht per se eine Entschuldigung für gedankenlose Klickstrecken, aber manche Dinge kann man auch durchaus realistisch sehen UND dokumentieren UND zeigen, auch wenn sie nicht schön sind.

Ganz ehrlich keine Ahnung, wie die Angehörigen in diesem Fall mit Fotos aus einer TV-Show umgehen, die das zeigen, was bereits „alle“ gesehen haben?! So wie ich nicht glaube, dass Thomas Knüwer o.a. für die Angehörigen sprechen können, würde ich mir nicht anmaßen, zu sagen, dass sie die Bilder in diesem Fall nicht stören.

Was aber vielleicht eine gute Idee wäre und zu einem differenzierten Bild(!) führen könnte: Einfach mal einen Kollegen fragen, wieso er draufgehalten hat und nicht sitzen geblieben ist. Ich verstehe, dass das einerseits befremdlich wirkt. Andererseits ist es halt aus meiner (Fotografen-)Sicht auch nicht so einfach. Thomas Knüwer selbst nimmt oben das Wort „Stuntleistungsschau“ in den Mund. In diesen Sekunden der Entscheidung – Fotografieren oder nicht, in diesen Sekunden habe ich doch keine Ahnung, wie der Fall später betrachtet werden wird, kann kaum seinen Nachrichtenwert einschätzen usw. Was ich aber im Kasten habe, habe ich im Kasten (das ist nicht nur gut aufgrund der nicht zu leugnenden Konkurrenzsituation, sondern auch weil keiner in dieser Sekunde das alles abwägen kann – die Redaktion, die nachher darüber entscheidet, ob sie drei anständige Bilder nimmt oder eine 230-teilige Klickstrecke macht, schon – ich möchte aber nur die Fotografensicht schildern und kann aus der sagen: in den meisten Fällen haben damit Kritiker, TV-„Experten“ und bekannte Twitterer ein Problem, Angehörige überraschenderweise meist weniger bis gar nicht).

Auch Worte können böse sein. Wäre ich persönlich Angehöriger, würde ich mich maßlos darüber aufregen, wie Menschen über den Fall reden und schreiben. Wie kreischende, junge, pubertierende Weiber Samuel hassen (nicht zu vergleichen, ich weiß, aber lieber würde ich mir 100 Fotos vom Unfall ansehen, als nur zehn Tweets gestern Abend aus dieser Ecke – ok, von n-tv auch nicht), weil ihr Star nicht mehr auftritt, auch die Worte der professionellen Schreiber im Boulevard und in seriösen Medien gleichermaßen, die alles besser wissen, würden mich maßlos aufregen, vielleicht auch mancher Blogger, der es eigentlich gut meint.

Übrigens habe ich auch bei Handelsblatt online ein Foto von Rettungskräften und Ersthelfern, die um den am Boden liegenden Samuel stehen, gesehen. Perspektive: hinter der Sichtschutzdecke.

@Thomas Knüwer: Hätten Sie früher, als Redaktionsmitglied, an dieser Stelle interveniert?

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Daniel Lücking 5. Dezember 2010 um 20:30

Wen wundern die Zustände, wenn Erbsenzählern das Ruder in Verlagen und Redaktionen überlassen wird, denen Klicks und Anzeigenkunden mehr bedeuten, als alles andere? Journalismus -nein- es ist ein Geschäft, wie überall in der Wirtschaft.

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» Wetten, dass die Journaille in den meisten Fäll … Nachtwächter-Blah 5. Dezember 2010 um 20:33

[…] dass die Journaille in den meisten Fällen einfach nur skrupellos und kalt ist: […] dass die Aussicht auf die Klickstrecke eines solchen Unfalls niemand in den Online-Redakti… – na, etwas anderes hätte ich beim Streben nach Klickvieh auch gar nicht erwartet. […]

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Thomas Maier 5. Dezember 2010 um 20:34

Der Journalismus, und das lässt sich an solchen Dingen evident beobachten, ist einer der großen „Opfer“ des Iconic Turn. Ich will die Zeitungen ja nicht in Schutz nehmen, aber wenn sie von der Masse gelesen werden wollen, müssen sie leider zu solchen Mitteln greifen. Dass dies ins ethisch extrem fragwürdige abgleitet, entschuldigt das freilich nicht. Aber wir sehen, wie machtvoll bildhafte aber oberflächliche Medien gegenüber textlichen in zwischen sind.

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Martin 5. Dezember 2010 um 20:41

Thomas, Du hast recht. Mit journalistischer Ethik ist es nicht mehr weit her, leider.

Sind es aber tatsächlich nur die in Echtzeit verfügbaren Page-Impressions, die Journalisten ihre Standesethik vergessen läßt? Ist das nicht zu einfach gedacht? Ist es nicht vielmehr ein Symptom unserer egozentrischen Gesellschaft, in der jeder erst mal auf seinen eigenen Vorteil schaut.

Es ist schon bemerkenswert, das Gottschalks Reaktion als bemerkenswert wahrgenommen wird.

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Ulrich Voß 5. Dezember 2010 um 20:49

Dass gerade die Reaktion des Mediums, das davon lebt, quasi alles live in die Welt zu senden (oder zu streamen), die dämlichste ist, wundert mich am Ende nicht. Die haben sich wahrscheinlich schon davon verabschiedet, irgendwas noch journalistisch bearbeiten oder reflektieren zu müssen.

Das Erschreckende daran ist, dass n-tv wahrscheinlich einfach einen Schritt weiter ist als die anderen. Weil sonst ja doch alle auf Youtube nachschauen, deren „Zensur“ bei den wahrscheinlich mehrfach parallel hochgeladenen Videos nicht schnell genug hinterherkommt.

Michael Seemann würde jetzt wahrscheinlich was von Kontrollverlust erzählen …

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Mainboarder 5. Dezember 2010 um 20:51

Es macht einen wütend diesen Beitrag zu lesen. Aber leider aus dem Grund, dass du recht hast.
Schlimm sind zudem Teilweise auch die Kommentare der Leser. Es erinnert an eine Fütterung des medialen Haifischbeckens.

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Marcus Cyron 5. Dezember 2010 um 21:13

Hunziker hat nicht nach dem Tuch gefragt, weil ihr eine Idee kam, sondern weil man am unfallort eines wollte. Das macht die Sache aber nicht schlechter. Beim ZDF hat man fast so gut reagiert, wie es möglich ist.

Aber – braucht es dieses Höher – Schneller – Weiter wirklich? Immer gefährlichere Wetten, um mit dem „Supertalent“ mit zu halten? Klar, Gottschalk hat hier souverän ragiert. Das war eine der Situationen, wo er gewohnt gut ist. Meist ist er es ja nicht. Doch ist er einer der Fehler im System. Ein alternder Grabbler, der es eben nicht mehr schafft, die Zuschauer mit Witz, Charme und Esprit vor das TV zu locken. Dann braucht es eben gefährliche Wetten.

Was das eigentliche Thema angeht – die Ausgangsfeststellung könnte von mir sein. Aber es ist mittlerweile eine normale Reaktion der Presse. Das ist eben der moderne „Qualitätsjournalismus“.

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G Riedl 5. Dezember 2010 um 21:26

Ich weiss nicht ob sich solche Reflexe einholen oder durch mehr Gelassenheit in Griff kriegen lassen – die meisten Onlineangebote kämpfen ja wie die Lemminge um jeden click.
Liegt überdies doch an mir, ob ich lieber ihren Artikel lese oder focus online 😉
Trotzdem hechelt sich „der Journalismus“ so natürlich um Kopf und Kragen – jeder sieht doch, wie die Würde hopps geht.

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Peter Mock 5. Dezember 2010 um 21:32

Wer von Euch sagen kann er hätte keine Klickstrecke gemacht Samstag Abend allein im Dienst am Desk- wer von Euch das wirklich sagen kann der werfe den ersten Stein. 🙂

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KK 5. Dezember 2010 um 21:39

Hallo!
Ich habe mir erlaubt, deinen Text zu verlinken. Weil ich grad nicht die Kraft zum Ausdiskutieren des Für und Wider der Art von Berichterstattung habe. Sondern einfach nur betroffen bin. Und sprachlos. Da du schon aufgeschrieben hattest, was auch ich denke, habe ich mir so dennoch einen Kommentar erlauben können. In einer Welt, in der Ethik immer weniger „gepredigt“ und gelebt zu werden scheint. Und in der der Journalismus nur das Symptom einer krankenden Gesellschaft ist, die nach dieser Ablenkung vom eigenen Leben zu suchen scheint. Danke. Man kann bei allem, was kontrovers diskutiert wird, in die Details gehen und diese drehen und wenden. Ich bin grad einfach froh, dass noch andere Beklemmung fühlen, wenn sie die Mechanismen unserer Zeit betrachten….

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Markus 5. Dezember 2010 um 22:56

Ich finde die ausgewogene Diskussion hier sehr gut, möchte aber als jemand der den Unfall nicht live gesehen hat hinzufügen, dass ich, als ich kurz danach ins ZDF geschaltet habem schon wissen wollte, was los war. Und während einige der Zuschauerkommentare im Wetten-dass-Chat unausstehlich waren (die meisten waren aber einfach betroffen), war es mehr als Neugier, wissen zu wollen, was passiert war.
Da innerhalb kurzer Zeit nahezu überall von dem Unfall berichtet wurde, wollte ich dann schon irgendwann den Unfall sehen. Und ja, ich habe das Video sehr früh auf Youtube gesehen – einmal. Das hatte nichts mit Sensationlust zu tun, sondern war einfach ein Teil der Wissensaneigung zu dem, was überall zu lesen war.
Es sollte meiner Ansicht nach kritisiert werden, dass der Unfall an erster Stelle in Nachrichten und Boulevard-Magazinen (hier in Verbindung mit sinnfreien Promi-Interviews) steht, aber da es so ist, kann niemand etwas dagegen haben, dass man wirklich wissen – also sehen – will, worüber gesprochen wird.

Etwas anderes ist die Frage der Fotos nach dem Unfall. Hier müsste natürlich ohne Frage so berichtet werden, wie das auch in anderen Fällen üblich ist. Wir sollten nur fragen, wie das in anderen Fällen ist: Wir sehen durchaus auch dann Schwerverletzte (z.B. nach größeren Verkehrsunfällen). Wo bleibt die durchaus berechtigte Kritik an den Katastrophen-Bildern dann?

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Christina 5. Dezember 2010 um 23:24

Es ist wirklich beeindruckend wie sehr „Wetten dass?“ Fernsehdeutschland bewegt.

Wir sind wettendass…

Ich wünsche mir als ein Resultat der Diskussion einen gesellschaftlichen Diskurs über den Quotenwahn.

Eine kritische Diskussion auch darüber, wie Quoten geMACHT werden.

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Schnatterinchen 6. Dezember 2010 um 0:16

Ich halte diese Generalkritik an Fotostrecken bei solchen Unglücken leider für du^°Wunkluges wie wohlfeiles Gewäsch. Solcher Unfall, zumal bei der größten Fernsehshow Europas ist von allergrößtem öffentlichen Interesse. Da ist es geradezu Aufgabe von Medien, den Hergang des Unfalls sowie das Geschehen und den Umgang damit danach auch bildlich einzufangen (ohne dabei freilich voll aufs Unfallopfer draufhalten zu müssen). Dass Journalisten damit nicht informieren und dokumentieren wollten, sondern nur Geld verdienen wollen, halte ich für eine böswillige Unterstellung. Es gibt nicht nur schmierigen Journalismus, sondern auch ebensolche schmierige Medienkritik.

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Norman Schultz 6. Dezember 2010 um 1:18

Gottschalk hat richtig reagiert, das ist gewiss. Das Opfer war tragisch. Bilder vom Stunt selbst halte ich für vertretbar. Dieser Stunt war meiner Meinung kaum an der Grenze des Machbaren. Meiner Meinung der Kandidat vielleicht nervös.

Zur Ethik: Ich glaube, dass es individuelle Entscheidungen sind, die wie zum Beispiel in der Wissenschaft an diese Grenzen führen. Der erste Herzkatheter wurde zur Erforschung am Menschen nicht zugelassen, also hatte sich der Mediziner kurzerhand den Katheter selbst eingeführt, um die Funktionsfähigkeit nachzuweisen.

Abgesehen aber von diesen instrumentellen Gründen, müssen wir Menschen zugestehen, an diesen Grenzen zu experimentieren, wie beispielsweise auch den Asketen. Es geht um mehr als diese Menschen selbst, sondern um unsere prinzipiellen Grenzen. Wir setzen uns täglich damit auseinander, wenn wir das Leben in der technischen Hochebene leben, die ihren Ursprung in den Grenzleistungen jener Lebensleistungen hat.

Du hast Recht, das Opfer sollte hierbei nichtmehr gezeigt werden. Gottschalk agierte definitiv besser als Focus. Mein Beileid für den Kandidaten, ich wünsche, dass er es ohne bleibende Schäden das Ganze übersteht. Doch ich unterscheide zwischen Grenzleistungen und den individuellen Lebensgeschichten. Die Grenzleistung sollte gezeigt werden, das Unglück selbst nicht.

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Hardy Prothmann 6. Dezember 2010 um 1:36

Guten Tag!

Mein Kommentar dazu ist etwas umfangreicher ausgefallen:
http://prothmann.posterous.com/die-moral-ihre-apostel-und-die-wirklichkeit

Schöne Grüße
Hardy Prothmann

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Claudia Klinger 6. Dezember 2010 um 3:33

Wir befinden uns in der Zeit zunehmender Transparenz: was geschieht, tritt zu Tage mit Hilfe des Internets. Sozusagen als „Erleuchtung von außen“.

Das gibt es nur als ganze Packung, nicht sortiert im Sinne der Ethiken unterschiedlicher Gruppen und Individuen.

Da hilft kein herum-rechten und aburteilen, hoch loben und differenzieren in gut und böse, nützlich und schädlich.

Zunehmend wird alles gezeigt, alles sichtbar, was Menschen so veranstalten. Es ist das Freud’sche „wo es war, soll ich werden“, nur eben nicht in individueller, persönlicher Manier zu Zwecken frei gewählter Selbsterkenntnis – sondern es geschieht kollektiv, technisch vermittelt. Als „Geschick“ im Heideggerschen Sinn, der sich das SO aber auch nicht hätte träumen lassen.

Gottschalk hat das GUT gehandelt – und diejenigen, die das zu Gunsten der Quote bzw. der Klicks skandalisieren, sind im Grunde „von gestern“. SO funktioniert Journalismus morgen nicht mehr, weil sich jeder seine finsteren Erregungzustände selber besorgen kann – ganz ohne Mittler und Verlage.

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Mathias 6. Dezember 2010 um 7:27

Na, die Aufregung in allen Ehren: aber jede Gesellschaft kriegt nun einmal den Journalismus, den sie verdient. Die Journalisten und Redaktionen reagieren lediglich auf eine Nachfrage, und es ist müßig anzunehmen, daß Journalisten hier eine Bildungsaufgabe, geschweige denn eine Bildungsmöglichkeit haben.
Das Fehlen jeglicher Ethik, das hier völlig korrekt festgestellt wird, ist kein Problem von Journalisten: es ist das Kernproblem unserer Gesellschaft(en). Gerade dieses Thema sollte man demzufolge viel höher aufhängen.

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Christian Buggisch 6. Dezember 2010 um 7:56

Nicht nur Regie und Moderatoren haben während der Live-Sendung gut reagiert, auch die Online-Redaktion von zdf.de hat ihre Sache gut gemacht. Keine Klickstrecke, kein Bild vom Verunglückten, auch aus den Videobeiträgen auf zdf.de war der Unfall rausgeschnitten. Es geht also auch anders.

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“Wetten dass…?” – ein Unfall und seine medialen Folgen | WissensServer 6. Dezember 2010 um 10:40

[…] ein paar Gedanken gemacht. Eine interessante medienethische Bewertung findet sich auch in Thomas Knüwers Blog. This entry was posted in Fernsehen, Publizistik, Showbusiness and tagged Aufreger, Fernsehen, […]

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Georg 6. Dezember 2010 um 10:49

„Brot und Spiele“ – dieses Konzept ist nicht erst seit dem antiken Rom ein gängiges Mittel der Massenunterhaltung gewesen. Es wäre müßig, die Einstellung von Sendungen wie „Wetten, dass….?“ oder auch „Das Supertalent“ zu fordern, würde man dann doch auch Stunts und akrobatische Zirkusdarbietungen, wie sie seit jeher zum Standardrepertoire menschlicher Unterhaltung gehören, in Frage stellen müssen.

Was vielmehr zu diskutieren ist, und da werden in diesem Blogbeitrag einige nachdenkenswerte Punkte aufgeworfen, ist die Frage, wie die Medien mit Zwischenfällen wie diesem umgehen sollten. Auch ich habe mir dazu in meinem Blog ein paar Gedanken gemacht: http://wissensserver.info/index.php/2010/12/wetten-dass-ein-unfall-und-seine-medialen-folgen/

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Manuel 6. Dezember 2010 um 11:27

Ich finde ja die unprofessionellen Twitter-antworten der Redaktionen (oder Redaktionspraktikanten?) viel schlimmer, als die verantwortungslose Praxis der BErichterstattung.

Antworten

ich 6. Dezember 2010 um 11:28

Wenn wir bislang nicht wußten, was Ego-Shooter-Spieler sind und was sie antreibt, jetzt wissen wir’s. Und was wirklich dahintersteckt, wenn sie zum Beispiel wikileaks unterstützen. Man hätte diesen Absatz allerdings noch mit einem Hinweis auf Amokläufe würzen können …

Antworten

Der tiefere Blick durchs Okular – genauer hinsehen » Blog Archiv » Brot und Spiele 6. Dezember 2010 um 11:37

[…] will unterhalten sein. Verliert der moderne Gladiator seine Wette spektakulär, ist das Volk dann live und in Großaufnahme dabei. Die Medien machen es möglich. Für Gesprächsstoff und Titelseiten ist die nächsten Tage […]

Antworten

Michael Finger 6. Dezember 2010 um 13:36

ich bin schon mal heil froh, das die Entscheidung vom ZDF so positive aufgenommen worden ist und keiner was negatives darüber schreibt.

Bei der Presse wird sich das nach dem Vorfall entscheiden, wie die Meinung in der Bevölkerung ist, aber so wie ich das hier in den Kommentaren liest, ist man nicht gerade Stolz über so eine Presse, die alles veröffentlicht. Könnte ja sein das sich die Presse die Reaktion zu Herzen nimmt und beim nächsten mal besonnener reagiert.

Ich hoffe nur das es nicht ein nächstes mal geben wird, in solch einer Sendung.

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Horst 6. Dezember 2010 um 14:40

Sehr guter Beitrag! Vielleicht ist es mit dem Verhalten der Kritiker am Vorgehen mancher Redaktionen so ähnlich wie beim Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Doping. Keiner will das aber wenn es darauf ankommt, ist sich jeder im Klaren darüber, dass es doch stattfindet.

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Daniel 6. Dezember 2010 um 18:31

Eine wirklich gute Diskussion hier, danke dafür.

Was mich in erster Linie nervt sind nicht (nur), die Klickstrecken, sondern zwei andere Meinungen, die man heute ganz oft gelesen hat:

a.) Sinngemäß „Wohin führt der Quotendruck?“ etc.

Geschrieben sehr wahrscheinlich von den gleichen Kritikern, die in den letzzen 3 Jahren nach jeder Sendung geschrieben haben, wie langweilig wetten dass doch geworden ist (und damit den Quotendruck noch verstärkt haben). Noch dazu kommt, dass es bei wetten dass immer schon mehr oder weniger riskante Wetten gegeben hat, die aber bis date immer gut ausgegangen sind. Aber das möchte scheinbar niemand sehen.

2. All jene, die von schlechtem Krisenmanagement berichten. Z.B. der Stern: da heißt es, dass bis zum Eintreffen der Sanitäter sage und schreibe 23 Sekunden vergangen sind. Skandal!!!! Das vergleiche man mal mit der Ø Anlaufzeit bei einer Rettungsaktion in einer Fußgängerzone, die sicherlich nicht unter 7 Minuten beträgt.

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Prangerer 6. Dezember 2010 um 21:58

Ich finde es auch sehr löblich, wie das ZDF in der Situation reagiert hat. Die üblichen Verdächtigen, die auch bei der „Berichterstattung“ über den Castor-Transport schon überdramatisiert haben, konnten es hier auch mal wieder nicht lassen, … Mir geht gerade der Gedanke durch den Kopf wie es wohl ausgesehen hätte, wenn der Gottschalk von seinem Ausflug zu den Privaten in den neunzigern nicht zurückgekehrt, sondern dort geblieben wäre und „Wetten Dass…?“ dorthin mitgenommen hätte. Hätte man das Opfer in Großaufnahme in HD auf dem Boden liegend gezeigt, womöglich noch seinen Puls eingeblendet, gewartet, bis dieser bei Null angekommen ist, um dann den Trauermarsch oder besser nocht „time to say Goodbye“ zu spielen? Ich weiß, das war vielleicht ein wenig überzogen, aber wie weit ist unser „Journalismus“ denn davon wirklich noch entfernt?

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Ingrid 7. Dezember 2010 um 4:54

Wie berichtet man angemessen über ein solches Ereignis wie dem Sturz von Samuel K.? Es ist keine Naturkatastrophe, auch kein richtiger Unfall, eher der schlimmstmögliche Ausgang eines inszenierten Gefahrenspektakels. Meines Erachtens ist die Sendung an sich schon ethisch problematisch, daran ändert auch nichts, dass die Teilnahme an der Show freiwillig stattfindet, und ja auch meist alles gut geht.
Mich überrascht an der Berichterstattung über diesen „Unfall“ daher, dass das ZDF und seine redaktionelle Verantwortung kaum thematisiert wird. Bestimmt hat jeder einen solchen Ausgang für höchstunwahrscheinlich bis unmöglich gehalten. Aber nun da sich dieser Unfall zugetragen hat, ist das ZDF (mit den beteiligten Unterfirmen) nicht viel stärker verantwortlich als es sich in seinen Stellungnahmen gibt? Auch wenn jemand bereit war, auf eigene Gefahr, an der Show teilzunehmen, so hat das ZDF sein Leben – im doppelten Sinn – mit aufs Spiel gesetzt.

Hier wird dann darüber reflektiert, wie man mit dem Ereignis umging: Krisenmanagement, Pietät, Geistesgegenwart und wie viel wird gezeigt, alles interessante Aspekte. Die ethische Problematik beginnt meiner Meinung nach aber viel früher. Sie setzt sich dann bis zur Berichterstattung fort. Denn Journalismus und Unterhaltungsindustrie befinden sich wie dieser Fall illustriert, beide im gleichen Dilemma: ethische Haltung versus Techniken der Aufmerksamkeitsregulation.

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Melanie 7. Dezember 2010 um 10:26

Lieber Herr Knüwer, vielen Dank für diesen Beitrag. Er spiegelt genau meine Meinung wider. Das ZDF hat wunderbar reagiert, andere Redaktionen sollten sich schämen!

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Ingrid 7. Dezember 2010 um 20:06

@Melanie: Hat das ZDF hat wunderbar reagiert? Das ZDF hat das Ganze veranstaltet und ist mitverantwortlich. Ist es nicht klar, dass das ZDF nicht über seine eigenen Fehler sensationslüstern berichtet?

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Schnatterinchen 8. Dezember 2010 um 11:58

@Daniel
Zum Thema Quotendruck: Kritisiert wird nicht der Quotendruck selbst, der ist als normaler Wettbewerbsdruck und Nachfragewettbewerb in der Marktwirtschaft eine Normalität auch in den Medien – sondern zu welch im wahrsten Sinne waghalsigen Mitteln „Wetten dass“ hier in diesem Medienwettbewerb gegriffen hat. Kritik an der Qualität von Fernsehshows hat mitnichten im Sinn, dass Fernsehshows fahrlässig Menschenleben aufs Spiel setzen, und die Bejahung von Wettbewerb bedeutet längst nicht die Bejahung sämtlicher Mittel in diesem Wettbewerb.

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Dutzend Bildergalerien bei „The Big Picture“ « Das dreckige Dutzend 13. Dezember 2010 um 9:18

[…] Klickstrecken mit unzähligen Bildern sind auf den Onlinenauftritten der Medien weit verbreitet. Zu fast jedem Thema wird eine Klickstrecke entworfen, egal wie gut oder schlecht die Bilder passen. Auch der tragische Unfall von Samuel Koch bei „Wetten, dass …“ konnte auf unzähligen Portalen im Detail verfolgt werden (genaueres zu diesem Tiefpunkt des Journalismus bei Indiskretion Ehrensache). […]

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Die Moral, ihre Apostel und die Wirklichkeit | pushthebutton 12. Februar 2011 um 12:55

[…] https://www.indiskretionehrensache.de/2010/12/wetten-dass-die-journalistische-… […]

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