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Es ist ein langes Salbadern bevor die harte Realität wie ein Hammer in das Hirn fährt. Die Jahrespressemitteilung des Bundesverbandes der Zeitungsverleger BDZV drückt sich in nicht enden wollenden Zeilen um das Schlimmste herum. Sie beginnt mit Begeisterung für die tollen Ipad-Aktivitäten über deren Nicht-Tolligkeit ich demnächst noch mal was schreiben muss, mäandert weiter mit den üblichen Lügen, ein Leistungsschutzrecht herbeibeten sollen.

Erst ganz am Ende kommt die schockierende Zahl: Die Zeitungsbranche hat im vergangenen Jahr 15,9% weniger Anzeigenumsätze verbucht. Das ist schon schlimm – viel schlimmer aber ist, dass dies eine historische Wegmarke bedeutet: Zum ersten Mal wird mehr Brutto-Online-Werbung gebucht als Netto-Zeitungswerbung.

Denn die Zeitungsverlage kommen nun auf einen Netto-Anzeigenumsatz von 3,9 Mrd. Euro – und laut Bundesverband Digitale Wirtschaft wurden 2009 4,1 Mrd. Euro mit Online-Werbung brutto umgesetzt.

Tatsächlich ist die Lage noch drastischer. Denn einerseits zählt der BDZV auch noch die 0,2 Mrd. Euro Anzeigenumsätze der Wochenzeitungen hinzu. Die fallen zwar technisch in das Gebiet des Verbandes, sollten aber eher als Magazine auf Zeitungspapier gelten. Zum anderen sind auch Beilagen enthalten – und die sind noch etwas anderes als die klassische Anzeigenschaltung.

So oder so: Online-Werbung ist auf dem Weg nach vorn. Und ändern wird sich das nicht mehr – im Gegenteil.

Die Zahlen des BDZV sind noch in einem anderen Punkt dramatisch. Die Auflage der Zeitungen sind im ersten Quartal wieder um 2,7% gefallen. Dabei ist der Maßstab des BDZV die verkaufte Auflage – inklusive dem sonstigen Verkauf. Und der ist bei den überregionalen Zeitungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Ein besonderes Beispiel der Auflagenkorrektur lieferte jüngst die „Süddeutsche Zeitung“: Im ersten Quartal jazzte sie die sonstigen Verkäufe um 19,7% hoch – sie machen jetzt 5,6% der verkauften Auflage aus.

Es geht ans Eingemachte. Die Todesspirale der Zeitungen läuft in Deutschland langsamer als in den USA, aber sie beschleunigt sich. Denn es geht ja nicht darum, wann die letzte Zeitung verkauft wird. Sinken die Auflagen, sinken auch die Werbeerlöse. Das gleichen die Verlage einerseits mit steigenden Preisen aus – doch das wird nicht ewig funktionieren. Andererseits wird an den Kosten gekürzt – was auf die Qualität durchschlägt. Und das bemerken die Leser, die ohnehin schon weniger werden. Und so geht es immer schneller auf dem spiraligen Rodelpfad nach unten.

Digital ist die Zukunft, das ist klar. Doch je länger die Verlage warten um ihre gesamten Arbeitsprozesse auf das neue Zeitalter umzustellen, desto weniger Luft werden sie haben um das später nachzuholen.

Und gleichzeitig  scheinen die Erfahrungen der Werbekunden im Web nicht so schlecht zu sein – sonst würden ihre Investitionen in diesen Bereich kaum derart steigen.


Kommentare


Jens Schröder 13. Juli 2010 um 11:34

Deine Kernaussage (Online-Werbung überholt Zeitungen) ist so leider nicht richtig. Denn: Du vergleichst Netto-Zahlen (3,9 Mrd. Euro bei den Zeitungen) mit Brutto-Zahlen (4,1 Mrd. Euro im Internet).

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OTC 13. Juli 2010 um 14:42

Unabhängig davon, ob ich die Einschätzung des Autors teile oder nicht: Nach dem x-ten äußerst negativen Artikel über den BDZV klingt es für mich langsam nach einer Art Kreuzzug… Wenn auch ein recht amüsanter.

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Thomas Knüwer 13. Juli 2010 um 17:27

Jens, danke für den Hinweis – habs verändert.

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Sebastian Manthey 14. Juli 2010 um 6:48

@OTC
Für mich klingt es danach das der BDZV darum bettelt gekreuzigt zu werden 😉
Was mich äusserst nachdenklich stimmt ist die Einstellung der Printmedien. Ich befürchte das der (schleichende) Tod der Printmedien sich auch auf die Qualität der Nachrichten im Allgemeinen durchschlagen könnte. Trotzdem denke ich das sich die Printmedien noch retten könnten wenn sie Strategien entwickeln würden, die über Internetbashing, Politiker-Nachplappern und Leistungsschutzrecht fordern hinausgehen.

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Deutsche Presseverlage: Werbeeinnahmen sinken, Bezahlschrankenträume nehmen Fahrt auf 14. Juli 2010 um 10:18

[…] Thomas Knüwer über die Werbe-Entwicklung bei den deutschen Presseverlagen: […]

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Onlinewerbung in Deutschland erstmals größer als Zeitungswerbung — CARTA 14. Juli 2010 um 10:48

[…] 14.07.2010 | Thomas Knüwer hat die Pressemitteilung des Bundesverbands deutscher Zeitschriftenverleger genauer gelesen und fand eine schockierende Zahl: Die Zeitungsbranche hat im vergangenen Jahr 15,9% weniger Anzeigenumsätze verbucht. Das ist schon schlimm – viel schlimmer aber ist, dass dies eine historische Wegmarke bedeutet: Zum ersten Mal wird mehr Brutto-Online-Werbung gebucht als Netto-Zeitungswerbung. … Es geht ans Eingemachte. Die Todesspirale der Zeitungen läuft in Deutschland langsamer als in den USA, aber sie beschleunigt sich. Denn es geht ja nicht darum, wann die letzte Zeitung verkauft wird. Sinken die Auflagen, sinken auch die Werbeerlöse. […]

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Und jährlich grüsst das Studienmonster « Journalistenschredder 14. Juli 2010 um 13:12

[…] zweckoptimistischen Studien immer ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlicht, wie die nicht minder faktenhassenden Printmaschinenbesitzer in […]

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Gerhardb 14. Juli 2010 um 21:24

Ganz so einfach ist das nicht. Im Mainstream der so called Zeitungen mag das stimmen. Im Bereich der verticals von Zeitung und ePublikation stimmt das sicher nicht.
So will online Werbung nicht gleich Werbung ist so ist Zeitung nicht gleich Zeitung.

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Karabu ist anders! 14. Juli 2010 um 22:40

Manchmal lohnt der Vergleich…

OK, zugegebenermaßen, die allgegenwärtige Werbung von Banken und speziell von Tagesgeldanbietern können schon ganz schön nerven, dennoch meine ich: Tagesgeld ist, vor allem in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, vielleicht gar nicht die schlechteste alle…

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Tim 15. Juli 2010 um 15:35

@ Sebastian Manthey

Hätten wir halbwegs vernünftige Leute in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und in den Landesparlamenten, könnte man ja mal anfangen zu überlegen, ob die Öffis nicht eine Art Creative-Commons-dpa werden könnten. Die Öffis produzieren Inhalte und recherchieren Storys, alle anderen können sie kostenlos nutzen. Immerhin ist das ganze Zeug ja auch öffentlich finanziert.

Das jetzige Modell (Öffis als Medienkonkurrenz) ist ja hirnrissig und nur als historisch gewachsene Realität zu begreifen.

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Postdramatiker – Von der Abwärtsspirale zur „Todesspirale“ 15. Juli 2010 um 18:46

[…] Thomas Knüwers „Indiskretion Ehrensache“ ist heute (hier) eine  Grafik zu finden, die die Abwärtsspirale in einer Branche zeigt, die mit voller Wucht von […]

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Die Woche im Rückspiegel – 28. KW « kadekmedien's Blog 16. Juli 2010 um 9:21

[…] Indiskretion Ehrensache – Warte, warte noch ein Weilchen… […]

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Links der Woche, 16. Juli 2010 | Werbeideen auf Marketing Guide 16. Juli 2010 um 11:48

[…] Onlinewerbung überholt Zeitungswerbung https://www.indiskretionehrensache.de/2010/07/online-werbung-uberholt-zeitungen/ […]

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Der Komet kommt. Vom Aussterben der Zeitungen – Neonliberal.at 25. April 2011 um 11:50

[…] sondern auch die Lösung sein. Während Anzeigenumsätze im Print nach unten purzeln, nehmen sie im Online-Bereich stetig zu. Das Nachrichtenportale auch richtig Geld abwerfen können, zeigen Beispiele von derstandard.at […]

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