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Fernsehen lebt von Bildern. Nur, was macht der TV-Journalist, wenn er keine passenden Bilder hat? Anscheinend kauft er sie sich, wie „Spiegel TV“ demonstriert. Zweimal habe ich Anlauf genommen, mich im Fernsehbereich zu versuchen. Während des Studiums hat mir ein Praktikum beim Landesstudio Düsseldorf des ZDF gezeigt, dass viele Vorurteile gegenüber öffentlich-rechtlichen Anstalten eher unter- denn übertrieben sind. Nach dem Examen habe ich die Wartezeit auf einen Job überbrückt als freier Mitarbeiter einer Fernsehproduktionsfirma in Münster, die vor allem für den WDR arbeitete.

Die Faszination, die Fernsehen auf Journalisten ausübt, konnte ich danach nachvollziehen. Auch würde es mir durchaus Spaß machen, live zu moderieren. Doch „gebaute Beiträge“, also die klassisch zusammengeschnippelten Magazinstücke, fand ich eher quälend. Sie entstehen meist mit einem enormen Planungsaufwand. Ein Skript wird geschrieben, mit dem Kamerateam besprochen, so man mal eines bekommen hat, denn Kameraleute sind eine knappe Ressource, gute Vertreter des Standes erst recht.

Dann fährt man los und stellt fest, dass all die schönen Dinge, die man gerne gefilmt hätte sich so nicht filmen lassen. Entweder das merkt man selbst, oder der Kameramann sagt, dass es so ist und Kameramännern (oder -frauen, natürlich) redet man nicht rein – sonst bekommt man Bilder, die überhaupt nicht zu gebrauchen sind.

Anschließend geht es zum Schneiden, das parallelisiert werden muss mit der Texterstellung. Für spontane Menschen ist diese Arbeit pure Folter.

Allein die technischen Abläufe erfordern unendlich viel Zeit. Zeit, die von der Recherche abgeht. Gleichzeitig verlangt der von Bildern umrauschte Zuschauer aber knackige Aufnahmen. Die würden viel Zeit erfordern, Zeit, die oft nicht da ist.

Und deshalb werden Aufnahmen gerne mal gestellt. Mit Freunden, zum Beispiel. Oder kamerageilen Passanten. Die aber gibt es immer seltener, schließlich haben die meisten schon mal Stefan Raab gesehen oder lustige Videos per E-Mail weitergeleitet. Und im nächsten lustigen Video möchte der gemeine Bundesbürger nun mal nicht selbst auftauchen.

Geld kann da manchen milde stimmen. Und deshalb haben TV-Reporter mit monetären Argumenten erreicht, dass Schüler jener umkämpften Rütli-Anstalt in Berlin vor der Kamera das tun, was sie nach Meinung der Journalisten “ doch sonst auch immer tun. Steine werfen, zum Beispiel. „Spiegel TV“ bestreitet das. Doch neu wäre es nicht, wie der Thomas Pritzl in seinem Buch darlegt.

Gekaufte Informationen, gekaufte Bilder, das wäre auch eine schöne Sache für jenen Medienkodex des Netzwerks Recherche gewesen. Taucht leider nicht drin auf.

Dafür gibt es in der aktuellen Ausgabe des „Journalist“ einen hübschen, bösen Artikel über die Entstehung jenes Kodexes. Leider ist das Stück nicht online. Florian Ditges bestätigt aber, was die hitzige Diskussion über dieses Werk bereits offenbarte: Es wurde nicht in ausführlicher Debatte erarbeitet, sondern den Mitgliedern anscheinend vor den Latz geknallt. Außerdem kritisiert Ditges, dass über die Finanzflüsse und die Vereinsarbeit des Netzwerkes nichts nach außen dringt. Der Beitrag könnte eine Recherchelawine in der Szene auslösen, könnte ich mir vorstellen. Und bei solchem Nachhaken kommt ja oft interessantes heraus – siehe Transparency International.

Der DJV, der den „Journalist“ ja herausgibt, scheint aus der Kodex-Debatte übrigens wenig gelernt zu haben. Er kündigt jetzt eine „Sprachfibel der diskriminierenden und rassistischen Wörter“ an, in Zusammenarbeit mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, dessen Abkürzung DISS in der Rappersprache ironischerweise ja eine Abkürzug für den Vorgang des Nicht-Respektierens eines anderen Menschens ist. Dieses DISS also will sich mit „diskursanalytischen und ideologiekritischer Untersuchungen“ um den „Nachweis einer rassistischen Kontamination der Mitte der Gesellschaft“ kümmern. Bei solch einer Wortwahl ist das Schlimmste zu befürchten.


Kommentare


24stunden.de 7. April 2006 um 15:58

Mal so nebenbei: Es gibt Menschen innerhalb des Klein-Bloggersdorfes, die sich ernsthaft Gedanken darüber machen, inwieweit zu bestimmten Themen von einer “Rudelbildung”, einem “Lynchmob”, einer “Bürgerwehr” gespro…

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Martin Marheinecke 8. April 2006 um 22:57

Gegen Geld „gewalttätige“ Jugendlichen gibt’s übrigens auch beim ZDF.Meldung beim „Hamburger Abendblatt“ Gewaltbilder gegen Geld? Schule entsetzt, meinen Senf dazu hier: Fake-„Journalismus“ – jetzt auch beim ZDF!

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Mein Parteibuch 9. April 2006 um 15:31

Angesichts der neuen Chancen, die sich auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Tagen hier in Neukölln ergeben haben, habe ich mir überlegt, mal eine offene Initiativbewerbung an Lonamedia in Hamburg zu schreiben.
An
Lonamedia Hamburg
Von
Marcel Bartel…

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thomas pritzl 12. April 2006 um 9:37

nun sind also die öffentlich rechtlichen sender an der reihe und müssen sichgegen vorwürfe, beiträge zu manipulieren beziehungsweise o-töne sogar zu erkaufen wehren.

vor 10 jahren standen die privaten mit günther jauch und dem magazin stern tv am pranger. und wie sich die argumente ähneln! auch damals hiess es, wir haben die beiträge auf authentizität geprüft. aber wenn externe firmen, an die beitragsproduktionen outgesourct werden, betrügen wollen, dann sei man diesen machenschaften geradezu hilflos.

welch zynismus. ich denke, dass hier verantwortung auf eine sehr wenig subtile weise delegiert und sich eine argumentationsbasis geschaffen wird, um bei manipulationen direkt die schuldigen (nicht die im sender) präsentieren zu können.

mehr noch: die größte betrugsserie am zuschauer duch jauch und stern tv hat offenbar überhaput keine veränderungen gebracht. damals wurde der tv-journalismus durch jauch ad absurdum geführt, er ging soweit zu behaupten, noch nie in einem schneideraum gewesen zu sein! er war immerhin ex-chefredakteur der sendung.

und wenn man sieht, dass die verantwortlichen von damals, die laut gerichtsurteil eher mehr denn weniger an den manipulationen beteiligt gewesen sind, auch heute noch in verantworlichen positionen befinden, dann liegt die vermutung nahe, dass es im medium tv in der tat nicht um gewissenhafte berichterstattung geht, sondern um billig produzierte stimmungsmache.

denn wenn dies durch private sender passiert, die sich über werbegelder (einschaltquoten) refinanzieren müssen, dann ist dies traurig. wenn die bei öffentlich-rechtlichen sendern passiert, die per gez-gebühr eigentlich nicht im wettbewerb der niveaulosigkeiten mitmischen müssten, dann ist dies tragisch und sollte den bürger, der das öffentlih-rechtliche tv quasie sozialistisch per zwangsabgabe finanziert, auf die barrikaden bringen.

aber offenbar steht bei den konsumenten (zuscheuern) eher der unterhaltende, als der informative aspekt im tv im vordergrund. wie sonst hätte jauch die unglaubliche kehrtwende vom synonym für seriösen journalismus (bis zum zeitpunkt der fakes im jahr 1996) zum entertainer ohne bruch vollziehen können.

ich denke, eine solche imagemetamorphose hat es nie zuvor und nie mehr danach gegeben. was zugleich die volksweisheit bestsätigt: „ist der ruf erst runiert, dann lebt es sich ganz ungeniert“.

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