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Vor rund acht Jahren sprach ich mit einem hochrangigen Entscheider eines großen deutschen Bierherstellers über den Markt in Deutschland und das Thema Craft Beer. Letzteres sei überhaupt kein Problem, sagte er. Sein Haus habe ja eine eigene Craft-artige Marke gestartet und außerdem würden die kleinen Handwerksbrauereien „nie so groß wie wir.“

Ich antwortete ungefähr: „Genau das ist das Problem – das wollen die auch gar nicht. Und ich glaube, in zehn Jahren werden Sie das anders sehen.“

Spulen wir vor ins Jahr 2022.

Der deutsche Brauerbund betitelt seine Pressemitteilung „Erneut massive Verluste für deutsche Brauwirtschaft“, der Bierkonsum in Deutschland ist auf einem historischen Tief und der geschätzte Media-Doyen Thomas Koch schreibt in seiner „Wirtschaftswoche“-Kolumne: „Die Absatzeinbrüche im Biermarkt sind historisch. Lösungen haben weder Marketing noch Vertrieb. Wir erleben das Einbrechen einer Branche – und zugleich das Versagen der Marketing-Experten.“

Natürlich wurde die Situation durch die Corona-Pandemie beschleunigt – denn die Gastronomieschließungen sorgten für erhebliche Einnahmeneinbußen. Doch das machte nur offensichtlich, was sich seit Jahren anbahnt: Die deutsche Brau-Branche ist vorhersehbar in eine  Disruptionssituation geschlittert.

Disruption? Ist das nicht nur so ein Buzzword? Nö. Dahinter steckt dahinter eine Theorie des leider zu früh verstorbenen BWL-Professors Clayton Christensen von der Uni Harvard. Aufgrund empirischer Daten entwarf Christensen die Idee „disruptiver Innovationen“, die in überraschender Geschwindigkeit scheinbar stabile Branchen oder Märkte destabilisieren können.

Sehr platt gesagt lautet seine Theorie: Fortschritt kann dazu führen, dass in einem Markt neue, kleine Wettbewerber auftauchen, die manchmal nur in einem Punkt – zum Beispiel Kommunikation, Preis oder Qualität – besser sind als die angestammten Anbieter. Die Großen unterschätzen dann gerne die Kleinen. Was sie nicht realisieren: Schon wenige Prozentpunkte Umsatzverlust bedeuten für die Kleinen einen großen Gewinn. Die Großen aber können es sich aufgrund ihrer Konstruktion nicht leisten, diese wenigen Prozentpunkte zu verlieren. Oft beginnen sie dann zu sparen und begeben sich in eine Abwärtsspirale, die den neuen Rivalen weiter hilft.

Womit wir beim Bier wären.

Fernsehbiere: austauschbar und rabattgetrieben

Die deutschen Brauereien haben sich über Jahrzehnte in Sicherheit gewogen. Die „Fernseh-Biere“ (Veltins, Warsteiner, Jever, Becks, Bitburger, Krombacher, König) produzierten ästhetische Bildwelten und investierten in Fußball-Sponsoring.

Was niemand offen eingestehen mag: All das hat wenig bis gar nichts gebracht, wie etliche Statistiken zeigen. Werden VerbraucherInnen nach ihren Lieblingsbieren gefragt, ergibt sich ein beunruhigendes Bild: keine Marke dominiert, die einzelnen Marken kommen auf Werte von unter 10%. Vor allem aber: Von den rund 60% der Befragten, die Bier tranken, sagten über die Hälfte, dass ihr Favorit ein anderes als der genannten Biere ist.

Eines der verschwiegenen Geheimnisse der Braubranche ist außerdem die Abhängigkeit von Rabatten. Denn: Bier ist eine verwurzelte Angelegenheit.

Daheim trinken die meisten Menschen zunächst einmal das Bier aus der Region, die sie mit „Heimat“ identifizieren. Das zeigt auch die Suche nach Biermarken: Keine schafft es, sich außerhalb der eigenen Region eine Dominanz bei Google Trends zu erarbeiten.

Brauer wissen, dass es eine Option gibt, das zu ändern: Sonderangebote. Es gibt eine signifikant große Klientel, die für Rabatte ansprechbar ist.

Der Grund ist natürlich die Uniformität des Produktes, wie uns BWL- und VWL-Studierenden in Münster der geschätzte Marketing-Prof Klaus Backhaus vor Augen führte. Zu seinem Repertoire gehörte eine Bier-Blindverkostung, zu dee er Studierende auf die Bühne bat, die von sich selbst behaupteten, Ahnung von Bier zu haben. Ergebnis Jahr für Jahr für Jahr: eine minimale Zahl von Treffern, nicht mal Alt erkannten die ProbandInnen.

Und wenn ein Jever nun mal nicht signifikant anders schmeckt als ein Krombacher oder Warsteiner, kauft der Kunde halt das Günstigste. Von Oettinger und Paderborner hält ihn oder sie letztlich nur das Image der Discount-Marken ab.

Natürlich ist das Reinheitsgebot in diesem Zusammenhang einer der größten Branchenfehler. Es spielt zwar eine Bekömmlichkeit und Natürlichkeit vor, macht aber Experimente mit Bieren, die in anderen Ländern Alltag sind, unmöglich.

In der Gastronomie ist der Zusammenhang zwischen Regionalität und Austauschbarkeit ähnlich. Dazu sei angefügt, dass Brauereiverträge mit Gastronomen ja keine klassische Lieferantenbeziehung darstellen. Es gibt Goodies wie Sonnenschirme für die Restaurant-Terrasse oder sogar Darlehen für die Lokal-Ausstattung, alles nur um die exklusive Biermarke zu sein.

Zunächst trinken die Gäste einer Kneipe oder eines Restaurants das, was da ist – und das ist oft das lokale Bier, weil örtliche Brauereien ihren Stammmarkt abdecken wollen. Niemand aber trifft sich mit seinen Freunden nicht in der Kneipe, die er ansonsten schön und angenehm findet, weil es dort Warsteiner oder Bitburger gibt, das Bier ist Nebensache.

Drei Meteoriten für die Brausaurier

In diese Gesamtsituation des Marktes knallen nun gleich drei Meteoriten, die Saurier zu zerschlagen.

Zum einen die großen, internationalen Biere mit ihrer viel cooleren Kommunikation. Während die deutschen Biermarken Bildwelten erzeugen, die vor dem inneren Auge der Trinkenden stattfinden sollen – also perfektes Perlen, Wald, Segelschiffe oder Strand –, richtet sich Heineken auf das, was in der Außenwelt passiert: coole Bars oder lang arbeitende Büromenschen. Bei den deutschen Marken gilt es, die Augen zu schließen, bei Heineken, sie aufzureißen. Die deutschen bauen Traumwelten auf, Heineken macht die Realität unterhaltsamer.

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Der andere Meteorit, besser ein Hagel aus Gesteinsbrocken: Craft Biere.

Zu jenem Entscheider sagte ich ja, dass er recht habe, wenn er glaubt, dass die jungen Wettbewerber nicht so groß werden wie sein Arbeitgeber. Aber da ist der Haken: Sie wollen das auch gar nicht.

Die Craft-Brauer wollen ein profitables Geschäft auf die Beine stellen und die Qualität produzieren, von der sie glauben, dass die Welt sie braucht – ähnlich wie sehr viele Winzer. Somit müssen sie sich nicht mit Herausforderungen herumschlagen, die große Anbieter haben: die Finanzierung von Wachstum, harte Verhandlungen mit dem Handel, hohe Fixkosten.

Gäbe es nur ein, zwei drei Craft-Brauer in Deutschland, die Gelassenheit der angestammten Anbieter wäre gerechtfertigt. Nur wurde Bierbrauen durch neue Technologie demokratisiert: Im Extremfall kann heute jeder im Wohnzimmer selbst Bier herstellen, 2019 verkaufte Aldi Süd ein Brauset für 40 Euro. So entstand eine Situation, die Verlage aus der Blütezeit des Bloggens kennen: Mit einem Mal kann jeder so was machen wie sie – wie damit umgehen?

Noch dazu treten die Neuen entspannter, zeitgeistiger und sympathischer auf, als die Alten. Denn Warsteiner glaubt eben auch den 68-jährigen Stammtrinker in Kattenvenne ansprechen zu müssen – Brlo, Brauquadrat oder Schwarze Rose können sich erlauben, spitzere Zielgruppen intensiv zu bespielen.

Diese zeitgemäße Ansprache machte Menschen im ersten Schritt neugierig. Dann aber merkten viele, dass jene Biere anders und oft auch besser schmeckten als die deutschen Massenbiere. Und dass in einem Craft Beer-Shop eine solch individuelle Beratung stattfindet, wie im Weinladen. Natürlich wollen das nicht jene, die in der Alkoholbranche als „Wirkungstrinker“ bezeichnet werden, sondern jene mit einem Gefühl für Image oder für Genuss – und die sind oft zahlungskräftiger und -freudiger.

Wie groß die im Hintergrund schwelende Lust auf anderes als Standardbier ist, zeigt der Erfolg von kleinen Traditionsbrauereien, die nun über ihre Stammregion hinaus vertrieben werden. Das Helle von Tegernseer hat den Markt bereitet für andere Helle – auch, weil die Brauerei immer wieder Lieferschwierigkeiten hat. Ein anderes Beispiel ist der Erfolg des Tannenzäpfle aus der Staatsbrauerei Rothaus: Mancher gesteht ihm eine besondere Qualität zu, einfach weil es handgemacht wirkt (aber bei einem Blindtest – glaube ich – nicht wirklich punkten könnte).

Sprich: Den angestammten Marken entzieht der Craft Bier-Markt quantitativ hinnehmbar viele Käufer – qualitativ aber jene, die weniger affin gegenüber Sonderangeboten sind. Somit sinkt die Preisbereitschaft insgesamt und die Fernsehbiere rutschen in einen Preiswettbewerb mit den Billig-Anbietern wie Paderborner oder Oettinger.

Auftritt des dritten Meteoriten: die Corona Pandemie.

Sie beschleunigte die Entwicklung im Biermarkt auf zwei Ebenen. Zum einen schlitterten die großen Brauer in Probleme, weil ihr Gastronomiegeschäft – das 2019 18% der Umsätze ausmachte – zusammenbrach.

Gleichzeitig nahm eine Entwicklung in Deutschland an Fahrt auf, die schon vor der Pandemie langsam begonnen hatte: ein großer Teil der Menschen legt mehr Wert auf die Qualität des Essens.

Wie sehr dies schon Allgemeingut ist, realisierte ich jüngst beim Besuch der Rheinkirmes in Düsseldorf für unseren Podcast Völlerei & Leberschmerz: Ein großer Teil der Futterstände betonte in irgendeiner Art und Weise Qualität –  nachzuhören in jeder Podcast-App oder hier:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.voellereiundleberschmerz.de zu laden.

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Besonders bemerkenswert fand ich das Schild an einem Backfischstand:

Denn die Familie Kuhlmann setzt nicht nur voraus, dass Besucher der größten Kirmes am Rhein wissen, was ein Pangasius ist – sie gehen auch davon aus, dass die eher niedrige Qualitätsstufe des Fisches bekannt ist.

In der Pandemie haben viele Menschen sich koch-, back- und esstechnisch fortgebildet. Wir alle kennen die Geschichten der NeubäckerInnen, andere nutzten Liefer- und Abholmenüs, um zum ersten Mal Kontakt zur Sterne-Gastronomie aufzunehmen. Hinzu kommt der steigende Anteil an Veganern und Vegetariern, die sich im Handel wie in der Gastronomie ständig fragen müssen, ob sie ein bestimmtes Essen mit ihrem Ernährungsstil kompatibel ist

Deshalb zählt auch die Weinbranche im Gegensatz zu den Brauereien zu den Gewinnern der Pandemie. Sie adressiert Qualität aus ihrer Historie heraus, Themen wie Biodynamie oder Veganismus   werden schon länger offen diskutiert.

Und in Sachen Gastronomie hat es zwar viele Standorte hinweggerafft – gefühlt aber macht alle fünf Minuten eine Weinbar auf. Deren Betreiber klagen recht selten, im Gegenteil. Nachzuhören ist das auch bei Deutschlands Weinpodcast Nummer 1 „Terroir und Adiletten“:

Das liegt natürlich auch daran, dass die Kommunikation in Weinbars anders verläuft als in der biergetriebenen Gastronomie. In einer Weinbar entsteht über die höhere Auswahl an Produkten ein anderer, beratungsgetriebener Kontakt und dadurch auch eine andere Bindung zwischen Gast und Lokalität. In Sachen Bier ist das nicht nötig – denn die Auswahl ist ja praktisch nicht vorhanden. Der Gast lässt sich nicht beraten, er bestellt. Auch hier hat die Bierbranche also einen strategischen Fehler begangen, indem sie die Auswahl beschnitt. Dass es anders geht, zeigen ja Pubs in Großbritannien: Sie haben mehr Auswahl und sofort entsteht eine andere Form von Kommunikation.

Wer das nicht glaubt, dem lege ich nicht nur das neue „Rheinton 2.0″ in Düsseldorf ans Herz, sondern auch die „Bar Freundschaft“ in Berlin-Mitte, in der Terroir-Adiletten-Podcaster Willi Schlögel ein Gastwirt alter Schule ist und versucht, zu jedem Kontakt aufzubauen, der die „Freundschaft“ betritt – für mich einer der ganz großen Gastgeber des Landes.

Diese drei Meteoriten – internationale Marken, Craft Brauer und die Pandemie – haben die deutschen Brauer in eine klassische Disruptionssituation gebracht.

Können sie sich daraus lösen?

Aus TV-Bieren müssen Internet-Biere werden

Theoretisch ginge das. Aber wie so oft bei Unternehmen, in solchen Lagen, stellt sich die Frage: Sind sie dafür noch flexibel und änderungsbereit genug?

An einem Punkt arbeiten sie bereits: Auch die Fernsehbiere haben ihr Angebot erweitert. Die einen starten historisch anmutenden Submarken, andere Craftbeer-like Linien. Zeitgemäß wirken sie dabei eher selten. Eher kommen die einen daher wie eine westmünsterländische Kneipe, in der seit den 70ern nur mal gestrichen wurde und die anderen kommen daher wie ein Frühsechziger mit umgedrehter Basecap auf dem Schädel.

Was fehlt, ist Kommunikation. Stattdessen: Werbung. Die dominiert zum Beispiel die Social-Accounts der Marken, gern verbunden mit Gewinnspielen oder Sonderangeboten. Teilweise ist es schon zu viel erwartet, dass die Marke mit Kundenkommentaren interagiert.

So funktioniert Marketing im 21. Jahrhundert aber nicht mehr. Neben zeitgemäßen Produkten in aktuellem Look (beides mit hinnehmbarem Aufwand aufdiebeinestellbar) bräuchten die Unternehmen eine kommunikative Grundposition, die Bereitschaft zum Ausbau und die Ressourcen das überhaupt zu tun.

Nicht nur im Social Web, auch in der Klassik-Kommunikation fehlt es an Zeitgeistigkeit. Ansätze gibt es, zum Beispiel die wirklich kreative Kampagne von Krombacher zum Heavy-Festival Wacken:

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Als Fun Fact darf man aber ergänzen, dass zum Beispiel auf der Homepage von Krombacher zwar die zugehörige Pressemitteilung zu finden ist, das Video aber nicht eingebunden wurde, sondern nur sparsam verlinkt – so machte man das halt, ungefähr anno 1999.

In der Gastronomie stellt sich die Frage, ob sich Bier nicht auch auf eine höhere Ebene heben lässt. Vielleicht könnten die Marken Bier-Sommelier-Ausbildungen starten oder ihre craft-artigen Untermarken fördern. Genauso könnten die Marken aber die Social-Auftritte ihrer kooperierenden Gastwirte unterstützen in dem sie zu einer Art Content-Fabrik mutieren. Gastwirte, die Interesse daran haben, bekämen dann kreative Motive mit Bierwerbung, die auch das Logo ihrer Gaststätte enthielte. So etwas gibt es nicht für Umme – aber für einen hinnehmbaren Preis.

Sprich: Die Fernsehbiere müssten zu Internet-Bieren werden.

Wenn man dann aber hört, dass bei einer dieser Marken die Inhaberfamilie sich schon mit der Veröffentlichung von Pressemitteilungen schwertut, ahnt der Beobachter: Dieser Weg wird kein schwer – er könnte ein unmöglicher sein.

Und was, wenn die Wende nicht gelingt?

Stellen wir uns eine Halle mit Braukesseln vor, das Bild ist schwarz-weiß. Draußen klatschen Regenschauer vor die gläserne Panoramawand. Der schlecht-rasierte Braumeister blickt mit tief geränderten Augen auf seinen Chef.

Schweigen.

„Uns bleibt immer noch der Preis“, sagt der Geschäftsführer und geht schleppenden Schrittes gen Ausgang. Die Kamera erhebt sich, der Winkel zieht auf – „Das Ende“.

Aus derzeitiger Sicht ist es der wahrscheinlichste Ausgang, dass die Fernsehbiere noch stärker in einen Preiskampf rutschen. Dieser wird sie zwingen, ihre Strukturen anzupassen, was zu Personalabbau und Standortschließungen.

Wie sehr sich die Dinge derzeit ändern zeigt wohl ein Deal, der kürzlich bekannt wurde: Warsteiner öffnet seine Vertriebswege für Brewdog, den größten Craft Brauer Europas (Disclosure: Ich besitze 2 Anteilsscheine an den crowdfinanzierten Brewdogs).

In der Welt des Internets würde dieses Abkommen wohl mit einem Tierbild illustriert werden: Mit einem zerzausten Golden Retriever, der sich vor einem fauchenden Kater auf den Rücken liegt und demütig seinen Bauch präsentiert.


Kommentare


Stephan 16. August 2022 um 21:45

"Seelachs" ist doch auch so ein Quatsch. Komische Zielgruppe für das Schild.

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Tim 19. August 2022 um 8:59

Fiel mir auch auf. 🙂 Wobei "Biodynamik" im Weinbau (und nicht nur dort) sogar noch weitaus größerer Humbug ist.

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Frank70 17. August 2022 um 16:22

@ Thomas Knüwer: Klasse Artikel und sehr interessant! Ich würde sowohl hinsichtlich des Phänomens als auch einer potentiellen Lösung sogar noch einen Schritt weiter gehen: Ich sehe hier auch ein Generationenphänomen. Junge Menschen haben heute ein wesentlich höheres Bedürfnis nach Individualität und diese eben in vielen Bereichen zum Ausruck zu bringen, so auch beim Bier. Wer IN sein will trinkt eben kein Bier, sondern Craftbier (selbst wenn es noch so besch… schmeckt). Wenn ich persönlich Lust auf eine Limonade oder ein Fruchtsaftgetränk habe, trinke ich entsprechend eine Limonade oder einen Fruchtsaft und brauche kein Bier, was so schmeckt und für sich in Anspuch nimmt in und hipp zu sein. Nur bin ich ein alter, weisser Mann mit (Bier)Bauch. Bei den meisten Menschen die 20-30 Jahre jünger als ich sind, verhält sich der Geschmacksanspruch an ein Bier eben anders, es gibt ihn gar nicht, sondern es geht nur darum, nicht Gefahr zu laufen, gewöhnlich rüberzukommen (–> Dass sich junge Menschen in diesem übersteigerten Wahn oft uniformieren ohne es zu merken (und damit genau das Gegenteil von dem tun, was sie wollen), steht auf einem anderen Blatt). Wo könnten da für die von Ihnen sogenannten Fernsehbiere Lösungsmöglichkeiten bestehen? Einfacher gesagt als getan: Warum geben viele junge Menschen gerne viel Geld für minderwertige Sch…computer aus, nur weil das Logo der Firma aus einem angebissenen Apfel besteht? Ganz einfach: Die Firma verkauft schon lange keine Produkte mehr, sondern eine Religion. Wie könnte sich z.B. Warsteiner diese Phänomenologie zu Nutze machen? –> Wüsste ich das, würde ich diese Zeilen nicht schreiben. Was aber halten Sie in diesem Kontext von einer Werbung, nach deren Art ich Sie schon einmal im Zusammenhang mit Printmedien gefragt habe? –> "Bei uns gibt es schon seit 1647 kein Bier mit Maracuja-Zimt-Geschmack und Sie dürfen sich sicher sein, es wird auch nie welches geben. Warsteiner." Im Vorfeld zu diesem Spruch eine filmische Szene, in der ein markiger Typ (–> ein Mann, kein In-Style-Bübchen) eine Kneipe betritt und ein Bier bestellt. Eine Kellnerin (mit Ring durch die Nase und natürlich tätowiert) preist daraufhin verschiedene Craftbiere an: "Wir haben unser Craftbier "Sommerwiese" mit Vanillearomen oder die aktuellste Creation von unserem Brewmaster Jean-Luc, der schon in Südafrika und Hawaii mit special recipes performt hat, mit dem Namen "Red Relax" mit ausgewogenen Aromen aus Erd- und Himbeere." Der markige Typ daraufhin: "Ich wollte ein Bier trinken, bitte ein Warsteiner!"

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Tim 19. August 2022 um 8:58

Die internationalen Braukonzerne machen im Prinzip genau das, was die deutschen Bierbrauer auch machen – vielleicht etwas cooler und in einer anderen Größenordnung, aber doch sehr ähnlich. Bei denen scheint es zu klappen. So schlecht scheinen die economies of scale doch gar nicht zu funktionieren.

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Frank70 19. August 2022 um 15:40

Herrlich auf den Punkt gebracht:

https://www.tagesspiegel.de/berlin/craftbier-hype-hoert-auf-mit-dem-gepansche/24325290.html

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Thomas Knüwer 22. August 2022 um 13:23

Ne, das ist nix auf dem Punkt und vieles schlicht falsch. Zum Beispiel ist die Beigabe von Frucht zum Bier eine Jahrunderte alte Tradition belgischer Klöster – ist das Panschen? Auch die unterschiedlichen Biersorten haben Tradition. Hier hat sich ein frustrierter, Alter, Weißer Mann (nicht körperlich, sondern in der Geisteshaltung) ausgekotzt. Man kann das Journalismus nennen. Ich neige nicht zu dieser Ansicht.

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Frank70 23. August 2022 um 19:15

Das Ganze ist doch eher cum grano salis zu sehen, so auch meine Ausführungen. Interessant finde ich die Tatsache, dass Sie in Zusammenhang mit den "TV-Bieren" Tradition negativ besetzen, in Verwendung für Ihre Argumentation hinsichtlich der belgischen Klöster ist Tradition aber plötzlich positiv besetzt. Sie planen nicht gerade eine Parallelkarriere als Politiker? Mein Vorschlag: Sie nennen mir das von Ihnen präferierte Craftbier, und ich lade Sie dazu (inkl. Abendessen) ein und lasse mich (evtl.) dann davon überzeugen.

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MauriciusQ 20. August 2022 um 7:23

@Frank70

Dieser Artikel ist von vorne bis hinten faktenfrei.

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