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Ich mag Aprilscherze.

So. Nun ist es raus.

Und ich stehe dazu.

Nun weiß ich aber, dass ich zumindest in meinem Umfeld zu einer Minorität gehöre. „Lame“ finden meine Mitarbeiter Aprilscherze, auf Twitter erhitzen sich von mir geschätzt Menschen über schwache Ideen, im privaten Umfeld wird eher mit den Achseln gezuckt.

Aprilscherze aber sind auch eine Tradition und viele von jenen, die über sie abledern, finden auch, dass wir Traditionen doch bitte schön leben sollten.

Natürlich ist es richtig, dass zu viele Aprilscherze grauenhaft langweilig sind. Einen der Tiefpunkte lieferte zum Beispiel Bahlsen Pickup – deren Präsen ohnehin inzwischen zu den langweiligsten deutscher Markenprodukte zählt:

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Wo war der Moment, da irgendwer in der Planung dieses Postings auch nur geschmunzelt, ja, gelacht hat? 31 Emotions, 11 Kommentare – und das bei über 1 Million Facebook-Likes: „Desaster“ wäre eine zu lobende Vokabel für diese „Idee“.

„Humor ist die schwerste Disziplin“, sagte mein journalistischer Lehr-Herr Ferdinand Simoneit. Das gilt für den Journalismus genauso wie für das Marketing. Hinzu kommt, dass wir heute ganztägig bespielt werden mit Humor. Hier mal ein Ausschnitt der „Daily Show“, dort eine Spruchtafel auf Instagram, Witze-Ketten-Mails wurden ersetzt durch Witz-Whatsapp-Gruppen-Postings.

Mit jedem Witz, gut oder schlecht, steht ein Markenposting ganzjährig in Konkurrenz. Am 1. April aber geben sich einige halt besondere Mühe wie zum Beispiel Maisie Williams aus „Game of Thrones“ und die „Tonight Show“:

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Mit diesem Niveau müssen sich Marken messen. Denn bei der Frage, ob ein Posting am 1., 2. vielleicht ncoh dem 3. April Reichweite generiert, steht Bahlen Pickup im Feed seiner Anhänger in Konkurrenz zu Jimmy Fallon.

Wer an solch einem Tag die Menschen dazu bringen will, mit seinen Inhalten zu interagieren, der muss etwas wirklich Gutes abliefern.

Das Gegenteil von „etwas wirklich Gutes“ ist so ziemlich alles, was in Meetings mit „augenzwinkernd“ oder – weil „augenzwinkernd“ so uncool klingt – als „twinkle in the eye“ angekündigt wird. Wenn ich erst die Haut um mein Auge grotesk verformen muss, damit jemand den Witz erkennt, dann ist das einfach kein guter Witz. Mehr noch: Es ist überhaupt keiner. In diesem Moment befinde ich mich auf dem Niveau der Witzspalte in alten Lokalzeitungen, die überschrieben war mit „Zum Lachen“ – damit der Leser wusste, wie er reagieren sollte.

Seit ein, zwei Jahren aber zeigen die Aprilscherze von endverbraucherorientierten Marken ein interessante, zusätzliche Tendenz. Sie bestehen aus Produktankündigungen scheinbar verrückter Variationen der Marke.

Dr. Oetker präsentiertein diesem Jahr zum Beispiel eine Pizzatorte:

McDonald’s Deutschland zeigte den Drückeburger:

Die ING Diba versprach Geldheben per Tattooo zu ermöglichen:

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Diese Liste ließe sich global beliebig fortsetzen. Die Frage ist: Wie finden das die Verbraucher?

Ganz einfach: Sie wollen die Produkte haben.

Dies ist das vielleicht größte Manko der Aprilscherze dieses Zuschnitts: Die Unternehmen machen Witze über das, was die Kunden gerne hätten.

Ja, auch die schrägen Sachen, wie jene Pizza-Torte fänden Abnehmer. Um das zu verstehen, ist ein Blick auf die Funktion von Marken im Digitalen Zeitalter nötig.

Marken begannen als Ausweis verlässlicher Qualität. Dies war insbesondere nach Krisenzeiten, wie dem Zweiten Weltkrieg, eine wichtige Funktion. Stück für Stück wurden Marken dann emotional aufgeladen und mit dieser Aufladung auch ein Instrument zur Imagebildung ihrer Käufer und Verwender. Ich bin, was ich trage, trinke, esse oder fahre.

Mit den Millennials und der nachfolgenden Generation Z (oder der Gen Alpha, wie sie von einigen genannt wird), hat sich diese Funktion in den Vordergrund gespielt. Die Dauerbeschallung mit Werbung hat Marken mehr Bedeutung als Identifikationsinstrument verliehen. „We display brands whose attributes we want to define us“, sagte kürzlich Mike May, Vice President für Strategie der US-Agentur Huge, bei der SXSW.

Und das gilt nicht nur im Luxusbereich: Wer bewusst ein Bier aus seiner Gegend kauft, will vielleicht die Werte der Region ausstrahlen. Wer die Handelsmarke „ja“ bewusst kauft, will eventuell demonstrieren, dass er nicht an unterschiedliche Qualitäten in diesem Produktsegment glaubt. Das gilt nicht für alle Käufer einer Marke, aber für die, die bewusst kaufen. Davon gibt es mehr, als man sich eingestehen möchte: Jede einzelne Marke, die Geld in einen Markenaufbau investiert hat, besitzt Anhänger.

Wenn zum Beispiel Tempo Taschentücher eine bunte Edition ankündigt, erntet sie auf Facebook Begeisterung:

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Der größere Teil der Menschen will sich dabei eher nicht mit langweiligen Marken assoziieren. Es ist unser menschlicher Wettbewerbsdrang, cooler oder dynamischer oder kreativer oder witziger sein zu wollen, als andere. Deshalb wünschen sie sich von den Marken, mit denen sie selbst sich verbinden genau das.

Dieser Wunsch steht sehr oft im direkten Gegensatz zu den Zielen der Markenverantwortlichen. Denn cooler als andere zu sein, bedeutet auch – anders sein, sich absetzen von der Masse. Je größer Zielgruppe und/oder Käuferschaft ist, desto weniger wollen Markenverantwortliche aber derart anders sein. Bei ihnen grassiert die Angst, es sich mit Käufern zu verderben, zu aggressiv zu sein, negative Stimmen anzuziehen.

Merkwürdige Produkte wollen sie schon gar nicht. Die müsste man ja bei Händlern erstmal platziert bekommen oder selbst vertreiben. Die Marge ist dabei niedriger als im Hauptgeschäft, die Entwicklungskosten hoch.

Beide Seiten kann man verstehen: Die Verbraucher wollen cool sein – die Marketers müssen rechnen. Doch genau deshalb haben neue Marken, vor allem aus dem Bereich Direct-to-Consumers, eine Chance gegen etablierte Platzhirschen.

Das wäre zunächst mal egal, schließlich sind es hier kleine Marken, die nur wenig von den Umsätzen der Großen wegknabbern. Doch entsteht so eine disruptive Entwicklung: Je mehr Kleine zusammenkommen, desto größer das Problem der angestammten Marken. Solch eine Entwicklung sehen wir im Biermarkt: Die Craft-Brauer wollen nicht so groß werden wie die „Fernsehbiere“, ihre Produkte sind teurer und schwerer zu bekommen. Trotzdem gefährden sie in ihrer Summe das Geschäftsmodel der großen Biere.

Die Reaktion auf Aprilscherze zeigt, was eigentlich passieren müsste: Die Marken müssten im Controlling ein gehöriges Budget für Gaga-Produkte freischlagen, die nur das Ziel haben, Aufmerksamkeit zu generieren und Image zu erzeugen. Diese Fuktionen oblagen bisher Media-Investment – und von dort ließen sich die Budgets auch abknapsen.

Denn wie schon Marshall McLuhan sagte: „The medium is the message“. In diesem Modell würden kleinauflagige Produkte zum Medium werden mit der Botschaft: „Wir nehmen unsere Kunden nicht nur ernst, sondern wir wollen auch gemeinsam Spaß haben.“ Dieses Investment würde erhebliche Word of Mouth-Effekte erzeugen und natürlich auch in der medialen Berichterstattung massiv punkten.

Weshalb solch ein Thema aus Aprilscherzen verschwinden sollte. Für die gilt auch weiterhin: Marken sollten sich in diesem Feld nur betätigen, wenn sie tatsächlich eine überraschend, witzige, herumreißende Idee haben.


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