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Den gestrigen Tag verbrachte ich trotz Sommerwetters in Berlin komplett in Konferenzräumen. Zum dritten Mal war ich Jurymitglied des Deutschen Preises für Onlinekommunikation – und dessen Jurysitzung dauert geschmeidige 10 Stunden, gleich am Abend folgt die Preisverleihung.

Ich mag diesen Preis und unterstütze ihn aus zwei Gründen: Zum einen ist der Bewertungsprozess nicht manipulierbar. Die Nominierten präsentieren sich vor Teilen der Jury, die Juroren selbst erfahren erst am Morgen, wen sie bewerten werden. Auch gibt es kein einhelliges Urteil sondern Punktwertungen – selbst die Richter ahnen höchstens, wer den Preis am Abend erhalten wird.

dpok(Foto: Deutscher Preis für Onlinekommunikation)

Der zweite Grund, warum ich den DPOK unterstütze ist seine Granularität. 35 Kategorien, das klingt nach hellem Irrsinn. Tatsächlich aber werden so auch Online-Marketing-Leistungen gewürdigt, die bei einem fokussierteren Preis keine Chance hätten. NGO haben ihre eigenen Kategorien, das beste Intranet wird genauso gekürt wie der beste digitale Produkt-Start oder der beste Digitale Geschäftsbericht.

Natürlich darf ich keine Details aus der Jurysitzung verraten. Doch eine Kategorie, bei der ich wertete, hat mich beeindruckt: Community Auftritt.

Dabei bezogen sich die Nominierungen alle auf die jeweiligen Facebook-Auftritte. Sie verdeutlichten, wie sehr Facebook schon heute ein Massenmedium ist – nicht für die Gesamtbevölkerung, aber für einen substanziellen Teil der Deutschen.

Und sie demonstrieren, dass eine der grundlegenden Ideen des Content Marketing, nämlich die Fokussierung auf eine bestimmte Zielgruppe, essenziell ist für den Erfolg im Social Web.

Schließlich: Die fünf Angebote kennen nicht das Jammern über gesunkene Aktivierungsraten. Eben, weil sie sich fokussieren und eine einheitliche Zielgruppe bedienen.

Es maßen sich drei Großangebote mit zwei thematisch spitzen, kleineren Auftritten.

Zur ersten Gruppe zählte Primark Deutschland. Die Billigmode-Kette eröffnete im Juli 2012 ihre Berliner Filale – es war die besucherträchtigste Eröffnung der Firmengeschichte. Primarks Dienstleister Grayling schaltete zwar Zeitungsanzeigen – aber es waren nur noch zwei halbseitige. Der Rest lief über Facebook in einer Monate langen Kampagne, die Social Media Relations zu Modebloggern genauso beinhaltete wie einen Model-Wettbewerb. Die Seite schoss in neun Monaten von 0 auf 220.000 Fans hoch, einzelne Postings erhielten 400 Likes und 150 Kommentare, die Demographie der Seite enspricht der Zielgruppe: 13 bis 24 ist die mitgliederstärkste Altersgruppe, Berlin die Stadt mit den meisten Anhängern. Weiterhin kommen wöchentlich 1.500 neue hinzu. Bemerkenswert bei einer Marke, die noch nicht bundesweit vertreten ist.

hajo schumacherEinschub: Das Bild rechts zeigt Moderator Hajo Schumacher während der Preis-Zeremonie. Es hat keinen Mehrwert für den Artikel – ich finde es aber lustig. 

Auch beim Schlagerplanet ging es schnell. Die Seite war ja eine der großen Überraschungen, als der Social-Web-Messdient 10000Flies online ging. Erst im Dezember 2011 gestartet ist die Schlager-Seite an den Start, hat jüngst eine neue Finanzierungsrunde erhalten. Auf Facebook zählt sie 244.000 Fans und eine sprachlos machende Aktivierungsrate von 33 Prozent. Wer noch immer an Facebook als reine Jugend-Plattform glaubt, sieht sich widerlegt: Die mitgliederstärkste Altersgruppe sind die 45- bis 54-Jährigen. Was haben die klassischen Medienhäuser da für eine Marktlücke verschlafen. Ob ihnen das selbe auch beim Thema Volksmusik passiert? Denn das ist die nächste, offensichtliche Option.

Noch einmal viel höhere Zahlen kann „Köln 50667“ vorweisen. Der Ableger der RTL-II-Scripted Trash Doku „Berlin Tag & Nacht“ startet mit einem Facebook-Post auf dem Seite der Mutterserie im Januar diesen Jahres. Innerhalb weniger Stunden sammelte dann die Facebook-Seite von „Köln 50667“ eine sechsstellige Zahl von Anhängern ein. Kein Wunder, denn „Berlin Tag & Nacht“ selbst zählt 2,6 Millionen Likes. Die Kölner schafften es in nicht einmal fünf Monaten auf 752.000 Anhänger und eine Aktivierungsrate von 13 Prozent. Und natürlich treffen beide Seiten die Zielgruppe der Serien: Teenager und junge Twens. Sie verbringen nun den ganzen Tag mit ihren Serien-Lieblingen: Was die tagsüber auf Facebook erzählen, findet sich am Abend verfilmt wieder.

Ganz anders die beiden anderen Nominierten für den Onlinepreis. Auch sie haben eine Zielgruppe im Blick – jedoch erheblich kleinere. Doch auch sie sind damit erfolgreich.

Einerseits ist da Lufthansa Cargo. Die Transportflieger bedienen all jene, die vom Fliegen fasziniert sind. Und das authentisch, bodenbehaftet und mit Bordmitteln (beachten Sie die beiden flachen Wortwitze in diesem Satz). So gibt es an jedem Freitag die Wort- oder Bildmeldung eines Kapitäns. Oder es werden ungewöhnliche Frachten vorgestellt, bis hin zum Eisbär. Damit wirkt der Cargo-Bereich der Fluggesellschaft weitaus sympathischer als der  Passagierpart, der mehr auf Billigaktivierung, Gewinnspiele und Sonderangebote setzt. Die klassischen Markenwerte der Lufthansa werden viel stärker im Frachtbereich symbolisiert. 20.000 Likes hat die Seite bisher und eine Aktivierungsquote von 12 Prozent – das ist bemerkenswert für ein B2B-Angebot.

Und schließlich der Sieger der Kategorie: Friedwald – ein Betreiber alternativer Friedhöfe. Das Unternehmen lässt Wälder umwidmen und macht sie zu umweltfreundlichen Grabstätten. Noch zu Lebzeiten kann man sich dort einen Baum aussuchen, an dessen Wurzeln man später in einer biologisch abbaubaren Urne bestattet wird.

Und so was auf Facebook? Der lustigen Like- und Lach-Lümmelei? Ja. Über 11.000 Fans sind schon hinguckenswert, eine Aktiverungsrate von 16 Prozent ebenfalls. Doch Staunen machen die Kommentare der Nutzer. Hier wird ernsthaft und teils sehr lang über Trauer und Tod geschrieben, Trost gespendet, Abschied genommen. Eine Seite, wie ich sie auf Facebook so noch nie gesehen habe.

Keiner der fünf Nominierten hat voluminöse Summen für Facebook-Anzeigen ausgegeben um seine Größe zu erreichen oder die Fans zu aktivieren. Es ist ganz einfach passiert, weil sich jeder Betreiber Gedanken darüber gemacht hat, welche Inhalte die Menschen erreichen, die angesprochen werden sollen. Und sie alle beweisen: Facebook ist ein ernstzunehmendes und effizientes Kommunikationsinstrument mit dem Kunden – wenn man bereit ist, sich von platten Werbesprüchen und billigen Gewinnspielen zu verabschieden und sich stattdessen einfach mal fragt, was die Verbraucher interessieren könnte.


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