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Einmal war ich als Gast im „Aktuellen Sportstudio“. Es war das Jahr 2005 und der Sportwetten-Skandal rund um den Manipulations-Schiedsrichter Robert Hoyzer tobte. Ich betreute das Thema für das „Handelsblatt“ – und am Freitag rief Rudi Cerne an. Hat man auch nicht alle Tage.

Was ich dann erlebte, war ein Aufeinanderprallen der alten öffentlich-rechtlichen Welt mit der neuen Realität. Ein Wagen des ZDF sollte für den Transport vom Hotel in Wiesbaden auf den Lerchenberg sorgen. „Moment, wir warten noch auf jemand“, sagte der sehr nette und sehr gemütliche Fahrer. Der Jemand war kein Niemand – Harry Valerien bog um die Ecke. Max Schmeling war in der Woche gestorben und er sollte aus seinen Begegnungen mit dem Boxer berichten.

Es war eine sehr schöne Fahrt, bei dem Valerien und der Fahrer – beide kannten sich natürlich bestens – reichlich Erinnerungen austauschten. In Mainz dann Maske, sitzen in der ersten Reihe, Diskussionsrunde mit Mario Basler und René Jäggi, dann Valerien über Schmeling.

Hinterher saßen dann alle Beteiligten bei Brötchen beisammen. Und Harry Valerien erfuhr, dass sich vieles geändert hatte seit jener Zeit, da er moderiert. „Warum zeichnets Ihr auf, Rudi? Ihr müsst das live machen!“, fordert er von Cerne. Noch nicht so lang war es her, seit das „Sportstudio“ bei Bedarf, zum Beispiel nach „Wetten, dass..“-Überziehungen aufgezeichnet wurde. Cerne zuckte mit den Schultern: „Du weißt doch, wie das ist. Ne Privatmaschine kann heute auch nicht mehr jederzeit landen. Und selbst nen Hubschrauber kriegst Du nicht mehr überall runter.“ Ich begann mich zu ärgern, dass ich auf die Frage: „Sollen wir Sie abholen?“ geantwortet hatte, ich würde selbst fahren.

Noch eine ganze Reihe Anekdoten folgten, ich ärgere mich, dass ich sie nicht mehr in meinem Kopf habe. Dann sagte Valerien: „Und Rudi? Gehen wir noch was trinken?“ Nein, antwortete Cerne, „das ist nicht mehr wie früher.“

Es war nicht mehr wie früher. Es war, Valeriens Gesicht war es anzulesen, professioneller, kälter, unemotionaler. Wir fuhren zurück zum Hotel, verabschiedeten uns am Fahrstuhl. In diesem Moment biegt jemand um die Ecke: „War das Harry Valerien? Ich hab nur die Stimme gehört. Da kriegt man ja sofort eine Gänsehaut.“

Mir auch an diesem Wochenende, als ich vom Tod Harry Valeriens erfuhr. Ein Sportreporter im besten Sinne, der seine Arbeit nicht als Sprungbrett empfand um irgendwann belanglose Quiz-Shows im Samstagabend-Programm zu moderieren. Für ihn stand die Leidenschaft für den Sport im Vordergrund – und auch der Spaß an dem, was er tat. Und das unterscheidet ihn, scheint es, von vielen seiner Nachfolger.


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