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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Es war ein vernichtendes Urteil:

„Keiner der Befragten ist der Meinung, dass sich die strategische Partnerschaft der Bundeswehr mit der (Kooperations- gesellschaft) BWI IT bewährt habe.“ Angesichts der zahlreichen Pannen und Fehlfunktionen sowie der „sehr häufigen“ Ausfälle des gesamten IT-Netzes räumt das Verteidigungs- ministerium in seinem nicht-öffentlichen Resümee ein: „Niemand hält die BWI IT für einen guten industriellen Partner, der der Aufgabe gewachsen ist und flexibel genug ist, um auf die Besonderheiten seines Organisationsbereichs einzugehen.“

So zitierte das „Handelsblatt“ 2010 einen internen Bericht des Verteidigungsministeriums. Es ging dabei um Herkules, das gewaltige IT-Projekt der Bundeswehr. Dieses war maßgeblich auf private Schultern gelegt worden, die ausführende Gesellschaft BWI IT gehörte Siemens und IBM. Eigentlich sollte es sich Herkules zu dieser Zeit seinem Ende nähern. Doch die Kritik an der Qualität, gepaart mit deutlichen Kostenzuwächsen macht es zu einem Beleg, wie katastrophal die meisten IT-Großprojekte der öffentlichen Hand in Deutschland enden.

Am 18. Februar 2002 sah das noch anders aus. Damals berichtete „Netzwert“ über Herkules. Damals herrschte bei den Verantwortlichen Optimismus – doch kritische Stimmen meldeten sich auch zu Wort:

„Unruhe grassiert in Deutschland vor allem bei den zivilen Mitarbeitern. Drei der bisher sechs Rechenzentren sollen geschlossen werden… Auch der Termin für die Gründung eines IT-Amtes, das die Gesellschaft kontrollieren soll, ist bereits geplatzt… Auch die politische Opposition hat Bedenken. Die Idee sei gut, aber es hapere an der Umsetzung, nörgeln CDU-Vertreter.“

Damit reiht sich Herkules mühelos ein in all die IT-Großprojekte in Deutschland, die nicht gerade von einer großen Umsetzungskompetenz zeugen: Digitaler Polizeifunk, Gesundheitskarte und so weiter und so weiter.

Noch so eine Geschichte vom Scheitern findet sich in jener Netzwert-Ausgabe auf der letzten Seite, dem Ort für bunte Themen. In jenem Februar 2002 waren zahlreiche Dotcom-Könige bereits zu Narren geworden. Und nun wurden die Reste ihrer Reiche verschachert. Steffi Augter besuchte damals die Versteigerung der Überbleibsel von Kabel New Media:

„Etwa 700 Bieter tummeln sich im stilvoll getäfelten Saal der Handwerkskammer zu Hamburg – vom Studenten bis zum Rentner, vom Ex-Kabelianer bis zum glückreicheren Kollegen. Schon im Vorfeld der Versteigerung hatten Privatleute und Firmen, insbesondere Startups, Interesse am Kabel-Salat angemeldet…


Am Ende des Tages wird ein Ergebnis von 250.000 Euro Auktionator Schwarzrock zufrieden stimmen. Viele Bieter sind offenkundig bereit, für ein kleines Stück Kabel tief in die Tasche zu greifen. Beim hölzernen Empfangstresen samt Schrankwand schnellen die Angebote rasant in die Höhe, erst bei 850 Euro fällt der Hammer. Künftig begrüßt der Tresen die Besucher der Multimedia-Agentur Pepperzak, ein Lokalrivale Kabels, der überlebt hat. Für die Kreativen aus dem Stadtteil Bahrenfeld ist er eine Trophäe: „Wir werden eine Plakette anbringen um an den Originalstandort zu erinnern“, grinzt Pepperzak-Chef Christian Rathke.“

Der ehemalige Chef-Sessel Peter Kabels geht von 150 sogar auf 800 Euro hoch, er landet im Journalistenbüro Good-Sites. Das konnte andere Besucher nicht trösten, darunter der Designer Jochen Henkels. Er hatte die Büroeinrichtung Kabels entworfen – 75.000 Euro waren zum Zeitpunkt der Auktion noch immer nicht gezahlt worden.

Und sonst so? Bekam eines der letzten mobilfunklosen Länder der Erde Handy-Empfang: Nordkorea. Pünktlich zum Geburtstags seines verstorbenen Vaters Kim Il Sung erhielt Staatschef Kim Jong Il das erste Gerät. Nicht überliefert ist, ob er das Gespräch eröffnete mit „Ja, du, ich bin jetzt hier…“


Kommentare


Rys 8. März 2012 um 11:50

Da fällt mir auf: Die Berichterstattung zu Herkules hat beim Handelsblatt 2012 aufgehört. Wer „fremdliest“, erfährt dass die Aussagen und Bewertungen in der Folgebefragung besser sind, es sogar Auszeichnungen für das Projekt gibt und das die befürchtete Kostenexplosion ausgeblieben ist. Aber das interessiert dem Wirtschaftsboulevard offensichtlich nicht.

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Netzwert Reloaded XLIX: Paid-Content-Träume und ein Manifest 2. April 2012 um 15:45

[…] Das glaubte nicht jeder, wie ein Leserbrief demonstriert. Als Reaktion auf die Reportage über die Versteigerung der Reste von Kabel New Media zwei Wochen zuvor meldete sich nämlich Mathias Gronkiewicz. Und was er schrieb klingt heute wie ein Manifest für […]

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