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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Zu den nostalgischeren Momenten beim Aufschreiben, was vor 10 Jahren in Netzwert stand, gehören jene Momente, da vergessene Namen auftauchen. Und davon gibt es so viele. Startups, die damals im Tagestakt Neuigkeiten rauspumpten, die dann aber mit der Pleite in Vergessenheit gerieten.

In jenem Januar 2002 war das große Fressen ausgebrochen: Vor allem Multimedia-Agenturen, wie die Dienstleister damals hießen, verschwanden im Dutzend. „Die Nachzügler unter den Agenturen kaufen jetzt die Restposten“, beschrieb es Grey-Chef Bernd Michael. So kaufte Ogilvy die Wiesbadener Concept. Kennen Sie nicht? War aber an der Börse. Kabel New Media und Popnet (auch so ein verschollener Name) waren bereits an BBDO gegangen.

Das Agentursterben war auch eine Folge der Wirtschaftskrise: Viele Großkonzerne bündelten ihre Werbeetats und wollten nicht mehr mit mehreren Dienstleistern sprechen. Diese Haltung gibt es bis heute – und führt oft dazu, dass die Unternehmen schlechtere oder gar indiskutable Leistungen erhalten: Denn viele hierarchiegetriebenen Großagenturen haben sich zu keiner Zeit recht mit dem digitalen Marketing anfreunden können.

Wenig gelernt haben viele der Großen auch in Sachen Marktforschung. Denn schon vor 10 Jahren war es möglich, das Kundensentiment digital zu erforschen. So hätte auch die US-Handelskette K-Mart früh erkennen können, dass sie ein Kundenzufriedenheitsproblem hat: Bis zu 80 Prozent der Kommentare auf der Verbraucherseite Planetfeedback waren negativ. Folge: K-Mart meldete Gläubigerschutz an.

Das Problem: Die Unternehmen hätten gern eine vollständige Software, die für die bequem das Netz durchsucht. Was Mahendra Vora, Chef des Softwareherstellers Infoseek, damals in Netzwert zu diesem Wunsch sagte, lässt sich heute so direkt auf Social Media Monitoring übertragen: „Alle suchen nach einem Programm, das wie in einem Science-Fiction-Film sinnvolle und nutzbare Informationen einfach ausspuckt. Aber so einfach ist das nicht.“ Infoseek beschränkte sich deshalb auf kleinere Programme, die Teilbereich abdecken: „Das ist ein relativ niedriges, aber pragmatisches Level für die Anwendung künstlicher Intelligenz.“

Und dann gibt es noch jene Geschichten, die völlig verrückt klingen. Wie jene vom US-Software-Hersteller, der eine IT-Kommune in Indien gründen will. 

Catalytic Software hieß das Unternehmen, gegründet vom Ex-Microsoftler Swain Porter und finanziell unterstützt von Eric Engstrom, einem Programmierer, der im Hause Gates als einer der besten seines Fachs galt. Die Vision: ein eigenes Dorf, New-Oroville genannt, in der indischen Provinz Hyderabad, in dem indische Programmierer Outsourcing-Aufträge bewältigen – unter westlichen Bedingungen, aber deutlich unter westlichen Lohnkosten.

Netzwert schrieb:

„Natürlich kämpft auch er (Porter) mit skeptischen Geldgebern, insolventen Kunden und mangelndem Nachwuchs – aber genauso mit Kobras unter dem Schreibtisch, ständigen Stromausfällen, Regenfluten, dauerhaften 42 Grad Celsius und dem Wasserbüffel, der sich dem Graben verklemmt, der eigentlich gedacht war für die Glasfaserleitung, die Porters Firma mit dem Internet verbinden soll.“

Porters Idee: Die Baukosten sollten durch einheitliche Kuppelbauten als Grundstruktur gesenkt werden. In diesen Kuppeln sollten die Angestellten leben und arbeiten, versehen mit Online-Anschluss, Kabel-TV, einer eigenen Einkaufspassage und vielfältigen Sportmöglichkeiten, ja sogar einer Eishockeyhalle.

Kann so etwas funktionieren?

Zumindest gibt es Catalytic Software noch immer und noch immer geführt von Swain Porter. Und: Auch New Oroville existiert weiter. Allerdings sieht es so aus, dass jenes Dörfchen nun auch an andere Unternehmen vermietet wird. Trotzdem: Nicht jede irre Idee der Dotcom-Jahre ist untergegangen.


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