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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Ich glaube, ich muss Anfang Januar 2001 Urlaub gehabt haben. Oder aber einen Vollblackout (was ja nicht generell auszuschließen wäre). Jedenfalls eröffnete die Netzwert-Ausgabe vom 14.1.02 mit einem journalistischen Gehtgarnicht: einem Namenswitz.

„Ohne Schall und Rauch“ war die Geschichte überschrieben, die sich um Martin Schallbruch drehte. Der Informatiker war frisch gekürter IT-Direktor des Bundesinnenministeriums unter Otto Schily und verfügte über einen eigenen Stab. Nicht schlecht für jemand, der zuvor drei Jahre als persönlicher Referent von Staatssekretärin Brigitte Zypries knechtete. Dass es überhaupt solch einen Posten gab, konnte eigentlich als aufmunterndes Zeichen für den digitalen Standort gewertet werden.

Allerdings gab es schon damals Kritik an seiner Ernennung, wie Burkhard Ewert damals schrieb:

„Ein Protestbrief kursierte im Ministerium, geschrieben von einem Referatsleiter, der das Profil der Stellenausschreibung als ,lächerlich‘ kritisierte und monierte die Position sei Zypries‘ Schützling zugeschanzt worden.“

Von anderer Seite gab es dagegen Begrüßungslob, sowohl vom IT-Chef des Wirtschaftsministeriums wie vom Branchenverband Bitkom. Es gab viel zu tun: Behörden sollten bei IT-Projekten besser kooperieren, sie sollten unabhängiger werden von Microsoft, die Sicherheit in der Regierungskommunikation sollte steigen, das Beschaffungswesen vereinfacht werden und natürlich sollte all dies zu Einsparungen führen.

Und wie hat er sich geschlagen? Gute Frage. Einerseits ist er heute noch am Ruder. Die „Computerwoche“ hat ihn bei der Wahl zum CIO des Jahres 2011 in der Rubrik „Großunternehmen“ auf Rang 7 platziert. Vor allem der neue Personalausweis lieferte dafür die Begründung. Andererseits blamiert sich Deutschland eben noch immer bei IT-Großprojekten. Und sollte er versucht haben, die digitale Kompetenz seiner Dienstherren auszubauen, so ist Schallbruch zumindest beim aktuellen Regenten Hans-Peter Friedrich krachend gescheitert.

Krachend daneben lag in jener Ausgabe unsere Westküstenkorrespondentin Sigrun Schubert. Ihr nämlich gefiel der iMac des Jahre 2002 – es handelte sich um jene weiße Kugel, aus der ein Bildschirm wie eine Sonnenblume herausragte, gar nicht:

„Ist es ein Rasierspiegel? Ein luftloser Fußball mit Schild in der Mitte? Ein Krakenbaby?… Am vergangenen Montag enthüllte Vorstandschef Steve Jobs etwas, was irgendwie an eine Ikea-Schreibtischlampe erinnert…“

Sie war nicht die einzige Journalistin, die sauer war.

Das lag bei vielen aber weniger am Produkt, als vielmehr an der Firmen-PR. Jobs hatte einen Deal mit „Time“ abgeschlossen. Am Tag, da die Journalisten der Präsentation des iMac im Rahmen der Mac World lauschten, war das designtechnisch revolutionäre Gerät bereits auf dem Titelblatt des Nachrichtenmagazins. Freundliche Schlagzeile: „Flat-out cool!“. Nur startete der Verkauf des Blattes nicht schon in der Nacht von Sonntag auf Montag, sondern erst nach Jobs‘ Rede. Da gab es nur einen Haken, wie Schubert in der Kolumen „E-Mail aus San Francisco“ schrieb:

„Leider hielt sich die kanadische Time-Ausgabe aus Versehen nicht an die Abmachung und stellte um Mitternacht ein iMac-Foto ins Netz – um dieses kurz darauf zurückzuziehen. Doch der Schaden war bereits entstanden: Blitzschnell hatten Online-Dienste Kopien der Seite erstellt. Wer vor der Ansprache des Apple-Chefs ein bisschen durchs Internet stöberte wusste, wie das große Geheimnis aussah. Und so scheiterte selbst der Marketing-Magier Apples an den Gesetzen des Internet: Ist eine Information im Netz, kann sie keiner mehr stoppen. Nicht einmal Steve Jobs.“

Dabei tätigte an jenem Tag eine seiner visionärsten Äußerungen: dass der Flachbildschirm den Umgang mit Computern vollkommen verändern würde. Und er lag in einem Punkt daneben: dass dieser iMac ein Jahrzehnt lang halten würde. Schon 2004 kam sein Nachfolger und integriert dann doch die gesamte Elektronik in den Bildschirm:

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Das Jahr 2002 war auch eines der besonderen Verzweiflung in Großkonzernen. Im Überschwang der neuen Möglichkeiten und der New-Economy-Euphorie hatten sie ihre IT-Abteilungen immer stärker aufgepustet. Doch mit der Krise des Jahres 2001 wurden auch die IT-Investitionen zurückgefahren und all die internen Digital-Helfer wurden einerseits nicht mehr gebraucht und waren andererseits viel zu teuer. Noch dazu hatten viele der Großunternehmen nicht einmal die besten Leute bekommen: die hatten Startups und die Hoffnung auf Reichtum per Börsengang vorgezogen.

So entstand eine Idee, die absehbar nur in Ausnahmefällen funktionieren würde. Die IT-Abteilungen wurden als eigene Unternehmen auf den Markt gebracht. Um ihnen eine gewisse Absicherung zu geben, war dieser Schritt verbunden mit langfristigen Verträgen mit dem Ex-Arbeitgeber. Der Haken an der Sache: Die Neu-Unternehmen mussten einerseits Kosten wie Personal und Controlling finanzieren, oft auch neue Räume, und eben auch eine Umsatzrendite erwirtschaften. Das taten sie auf Kosten der Ex-Kollegen. Gleichzeitig hatten die meisten es auf dem Markt schwer. Denn sie waren es nicht gewohnt, im Wettbewerb zu agieren. Einem Wettbewerb, noch dazu, der durch die Masse der neuen Marktteilnehmer und der Krise insgesamt zum blutigen Piranhabecken wurde.

Jene Netzwert-Ausgabe endete mit einer Geschichte, die so noch heute aufzuschreiben wäre. Man müsste nur „E-Mail“ durch „Facebook“ ersetzen. Denn zu jener Zeit bereits waren die Verbraucher den Unternehmen entfleucht. Sie verlangten allen Ernstes, dass ihre E-Mails von Firmenseite beantwortet werden. Auf so etwas waren viele Konzerne des Jahres 2002 nicht eingerichtet:

„,Zwischen 30 und 50 Prozent der E-Mail-Anfragen an Firmen bleiben unbeantwortet, obwohl eigens Kontaktadressen eingerichtet sind‘, berichtet Helga Schuler, Chefen des Beratungsunternehmens Prisma… Genau dies belegt auch ein Test der Unternehmensberatung Mummert + Partner bei 104 Versicherern: Jede dritte Assekuranz blieb die Antwort schuldig. Bei den Energieversorgern war es sogar jede zweite.“

Ach ja, gute Antworten gab es natürlich auch nicht immer. Ganz ähnlich ist es heute bei den Facebook-Seiten vieler Unternehmen. Diese werden zwar bespielt mit schönen Marketing-Ideen oder den platten Like-Einsammel-Status-Updates wie „Freut ihr euch aufs Wochenende?“. Doch wenn dann ernsthafte Fragen kommen, bleiben viele Unternehmen stumm.


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