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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Durch das Projekt Wiredkann es allerdings zu Verzögerungen kommen. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Frank Steffel. Sagt Ihnen der Name etwas? Vor 10 Jahren war er Teil des Kampfs um Berlin, denn er trat für die CDU an um Oberbürgermeister von Berlin zu werden. Im Juni 2001 stolperte Eberhard Diepgen über die Bankenaffaire, nun musste Steffel, bisher Fraktionschef ran – gegen einen gewissen SPD’ler namens Klaus Wowereit. Der Ausgang dieser Wahl im Herbst ist bekannt.

Steffel brillierte durch Fehltritte wie aus dem Handbuch der Polit-Satire: Mal bezeichnete er München als schönste Stadt Deutschlands, dann ging er bei einer Eierwurfattacke hinter Edmund Stoiber in Deckung. Heute sitzt er immerhin noch im Bundestag. Immerhin.

Vor zehn Jahren schrieb „Handelsblatt“-Hauptstadtkorrespondentin Barbara Gillmann für Netzwert, wie wichtig Startups und die digitale Wirtschaft im Wahlkampf waren – für die SPD. Denn aus Steffels Haus war keine rechte Einordnung zu bekommen. Wowereit dagegen erklärte Medienpolitik zur „Chefsache“, besuchte mehrfach Gründer, schmuste mit den Samwers bei Jamba: „Hätte die Große Koalition nicht so getrödelt, könnte die digitale Wirtschaft Berlins Hamburg längst überholt haben“, donnerte er. Innerhalb eines Jahres war die Zahl der „Multimediadienstleister“ von 450 auf 900 geschossen, die Zahl der Medienunternehmen in Berlin trotz Krise von 4460 auf über 6000 gestiegen. Das Dotcom-Sterben hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Stadt unterdurchschnittlich getroffen.

Zehn Jahre später ist Berlin tatsächlich Startup-Metropole, vielleicht gar der coolste Standort für junge Web-Firmen in ganz Europa. Was Wowereit damals über Berlin sagte, gilt noch immer: Niedrige Mieten und Preise seien das Fundament um die Firmen wachsen zu lassen. Es scheint jedoch, als erinnere sich Wowereit selbst nicht so recht, dass er vor 10 Jahren am Rande des Prophetentums wandelte.

Es war auch das Jahr, in dem öffentlich-rechtliche Journalisten einen Lauschangriff gegen die Bundestagsabgeordnete Angelika Beer (Bündnis90/Grüne) starteten. Einen Trojaner schmuggelten sie ein, der sorgte sogar dafür, dass die Redakteure des ARD-Magazins Plusminus Gespräche mithören konnten.

Murdoch 1.0? Nein, Beer wusste davon. Dass es aber möglich war, so einfach Schadsoftware auf Bundestagslaptops zu installieren, ließ es mächtig rumpeln. Zu jener Zeit waren Laptops nur halbwegs als Gefahr für die IT-Sicherheit identifiziert. Klar, die Experten wussten was los war. Doch der gemeine Business-Nutzer dachte, er surft sicher, weil sein Arbeitgeber eine Firewall hat. Dass diese durch Firmen-Laptops unterlaufen wird, war den meisten nicht klar. Und Personal Firewalls auf dem Laptop lieferten nicht das gewünschte Ergebnis. Bei einem Test der „Computer Bild“ schnitten 6 von 8 Programmen mit dem Urteil „unzureichend“ ab. Vor allem die automatische Aktualisierung existierte damals noch nicht.

An den Start ging im Herbst 2001 außerdem eine der skurrilsten Marken der deutschen Werbegeschichte: ish. So nannte sich Kabel NRW und versah die merkwürdige Wortschöpfung mit einem blauen Pinselstrich. In der Kolumne „E-Mail aus Düsseldorf“ schrieb ich damals:

„Da mag in der TV-Werbung Schlager-Boje Howard Carpendale noch so sehr ,Isch liebe disch‘ schmalzen, die Mehrheit der Nordrhein-Westfalen wird auf lange Zeit hin ,Ische‘ als abwertenden Begriff für den weiblichen Teil der Gesellschaft verwenden und den Namen Kabel NRW im Kopf behalten – und  den damit einher gehenden schlechten Service. ,Die sollen doch erst mal sehen, dass sie ihre Arbeit richtig machen‘, meckert meine Mutter. Früher seien Empfangsstörungen schnell beseitigt worden, Post und Telekom sei Dank. „Kabel NRW darf sich einen Tag Zeit lassen, sagen die. Und meist brauchen sie länger.‘ ,Die heißen jetzt ish.‘ ,Ist mir doch egal!‘

Und Recht hat sie. Als Verbraucher muss man sich nicht jede überkandidelte Idee teuer bezahlter Markenpäpste aufdrängen lassen. Also erwähnte ich meiner Mutter gegenüber nicht, wie das 3G-Konsortium um die spanische Telefónica ihre Mobilfunkangebote nach dem Start des UMTS-Standards nennen will: Quam. Quam? Versteh ish auch nisht.“

2002 verschwand Quam vom Markt – zutiefst erfolglos. 2005 erledigte sich auch ish.


Kommentare


Eddie 15. November 2011 um 13:02

Also das mit ish 2005 kann nicht ganz stimmen. Denn ich habe mir Anfang 2006 als frisch aus Bayern nach Bonn gezogener bei ish eine DSL-Flatrate geholt – wusste ja nichts von der Vorgeschichte. Die firmierten auch noch 2007 noch unter dem Namen, als ich wegen dauernd viel zu langsamer Übertragungsraten vorzeitig aus dem Vertrag raus wollte und deshalb viele Worthülsen-Briefe mit ihrem Logo drauf zurück bekommen habe. Irgendwann um 2008 wurde es dann Unitymedia – zuerst mit Gelb Rot Blau und dann mit Rot Grün Blau.

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