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Schon lang hat mich kein Buch mehr so melancholisch gestimmt. Das liegt sicher daran, dass ich wenig grundmelancholische Bücher lese. Aber hauptsächlich daran, dass ich in „Die Unperfekten“ so viele Menschen wiedererkannte – aus meiner Zeit beim „Handelsblatt“.

„Die Unperfekten“ – oder im Original „The Imperfectionists“ – erschien im vergangenen Jahr, irgendwann im Frühjahr kaufte ich es, doch es blieb erst mal liegen. Die Unperfekten sind elf Menschen rund um eine Zeitung im steilen Niedergang. „The newspaper“ – ein Name fällt nie – wurde in den 50ern mehr aus einer Laune eines Schwerreichen in Rom gegründet. Die Idee: eine weltgewandte, englischsprachige Tageszeitung für den Weltbürger. Wer sich ein wenig in der Medienwelt auskennt, dem fallen sofort die Parallelen zur „International Herald Tribune“ in Paris auf und das ist nur logisch: Autor Rachman hat einige Jahre für die „Herald Trib“ gearbeitet.

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Jene elf Menschen – von der Leserin zur Chefredakteurin, vom Schlussredakteur bis zum Nachruf-Schreiber – sind einerseits miteinander durch ihre Arbeit und das Produkt ihrer Arbeit miteinander verwoben. Doch andererseits nehmen sie alle Abschied von einem Lebensabschnitt: Da ist die Leserin, die sich von der Zeitung verabschiedet, um im Jetzt anzukommen; die abgetakelte Schlussredakteurin, die den Absprung nicht schafft; der Jungverleger der aus seiner Traumwelt gestoßen wird. Ja, einer schafft sogar den Aufstieg zum Ressortleiter.

Eigentlich sind dies Kurzgeschichten, mehr noch Kurzportraits. Doch Rachman erschafft ein meisterliches Mosaik aus Zeitläuften, die das Ende der Medien-Ära Zeitung mit persönlichen Schicksalen verbindet. Immer wieder schimmert ohne viel übertriebene Worte durch: Früher war alles besser und wir möchten, dass es so schön bleibt. Am Ende ist ein tappsiger Hund das Objekt, an dem die Wut über die Veränderung ausgelassen wird.

Doch nicht nur Rachmans Konstruktion der Unperfekten ist bemerkenswert. Sein Stil ist elegant und durchdacht, er braucht keine großen Worte und langen Gefühlsschilderungen um das Handeln der Personen zu erklären: Er erzählt einfach ihre Geschichten.

Mehrere der Unperfekten erinnerten mich schmerzhaft an Menschen, mit denen ich in den vergangenen Jahren zusammen gearbeitet habe. Manche gleichen Personen aus anderen Medienhäusern, denen ich begegnet bin. Doch hier dreht es sich um amerikanische Journalisten in Italien, nicht um deutsche Redakteure in Deutschland. Wenn Rachman also Charaktere erschafft, die grenzüberschreitend derart funktionieren, so ist nur eine Folgerung möglich: Weltweit haben Tageszeitungen die gleiche DNA.

Nachtrag: Und kaum hab ich das geschrieben, demonstriert Holger Schmidt bei FAZ.net, dass sich der Medienwandel sogar noch beschleunigt…

Nachtrag II: Das geschätzte Literaturcafé weist mich auf ein Interview mit Rachman anlässlich der Buchmesse 2010 hin.


Kommentare


Dominik 12. Oktober 2011 um 9:06

Danke für die schöne Beschreibung, der ich 100% zustimme. Ich hatte schon das Gefühl, dass ich der einzige Leser dieses wunderbaren Romans von Rachman gewesen wäre, der doch so perfekt in unsere derzeitige Medien-Übergangs-Zeit passt. Und Melancholie? Ja, dieses ist das Gefühl, das man nach der Lektüre noch eine ganze Weile mit sich herumträgt.

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Patrick 12. Oktober 2011 um 11:02

Habe ich vor ein paar Wochen sehr gerne gelesen, das Buch!

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Huge 12. Oktober 2011 um 17:46

Tatsächlich ein hochinteressantes und lesenswertes Buch, das mich als hoffentlich-bald-oder-irgendwann-Journalisten allerdings ein wenig verängstigt zurückließ. Eine Medienwelt wie diese hat anscheinend mit Traumjobs nicht viel zu tun … wobei auch das keine neue Erkenntnis ist.

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