In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Durch das Projekt Wiredkann es allerdings zu Verzögerungen kommen. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Der Netzwert-Aufmacher vom 20.8.2001 liest sich wie aus einem Paralleluniversum. So unvorstellbar scheint heute, 10 Jahre später, dass einst zwei Unternehmen um die Vorherrschaft im Internet kämpfen, denen man diese heute definitiv nicht mehr zutrauen würde: AOL Time Warner und Microsoft.
In jener Zeit jedoch kauften sie sich interessante Übernahmekandidaten vor der Nase weg und behakten sich mit allen Mitteln. Zum Beispiel in Sachen Musik: AOL hatte Musicnet, Microsoft beteiligte sich an der Sony-Tochter Pressplay. AOL wollte die Nummer eins in Sachen Instant Messenger werden – Microsoft konterte mit seinem eigenen Produkt. Und beide wollten auf dem Start-Desktop von Laptops und PC sein und zahlten dafür erhebliche Summen an Computerproduzenten. Das war verständlich: Denn beide waren eben auch im Online-Zugangsgeschäft aktiv. Und wer direkt auf dem Desktop sein Logo platzierte, glaubten sie, würde auch Nutzer gewinnen.
Und wer würde gewinnen? Die Aussagen der Analysten bestärken das Gefühl der Spiegelwelt:
„AOL hat sich schon länger und intensiver mit Online-Dienstleistungen beschäftig als Microsoft. Es wird sehr schwer für Microsoft sein, diesen Vorsprung aufzuholen“ – S&P-Analyst Scott Kessler
„Der Kampf wird mindestens fünf Jahr dauern. Zehn Jahre sind wahrscheinlicher“ – Giga-Analyst Rob Enderle.
Gern und häufig kritisiere ich hier in der Indiskretion ja Politiker. Ich bin der Meinung, dass Deutschland keine Fortschritte macht auf dem Weg ins digitale Zeitalter. Dass sich Deutschlands Volksvertreter nicht einmal mit den Themen beschäftigen wollen – und deshalb radikal falsche Entscheidungen zum Schaden des Wirtschaftsstandortes treffen.
Dann entgegnen mir Menschen aus der Politik, dem sei nicht so. Nur kämen die Fortschritte eben sehr langsam. Diesen Personen werde ich künftig meine Kolumne „E-Mail aus Düsseldorf“ in jener Netzwert-Ausgabe zusenden. Denn vor 10 Jahre sah es exakt so aus wie heute. Einige Auszüge:
„So titulierte der baden-württembergische Landespolizeischef Erwin Hetger in der vergangenen Woche das Internet als ,rechtsfreien Raum‘ und forderte, dass Web-Zugangsanbieter wie T-Online künftig zwei Jahre lang die Daten ihrer Kunden speichern müssten… Grund: ,Die internationale Justiz braucht mindestens zwei Jahre Zeit, um die digitale Spur zurückzuverfolgen, die der Täter hinterlässt.‘
Ja, im Netz hocken sie, die bösen Buben. Das denkt auch Bundesfinanzminister Hans Eichel. Er will eine zentrale Internet-Fahndungsstelle gegen Umsatzsteuer-Hinterziehung einrichten, heißt es im geplanten Gesetz zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs…
Ob Eichel wohl eine Sondereinheit für Telefongeschäfte eröffnen wird? Schließlich werden dank Shopping-TV und 0190-Nummern immer mehr Geschäfte über das Telefon gemacht. Der Minister wird dies nicht tun – das Medium kennt er. Aber surft er auch jeden Tag? Wohl kaum…
Und so spricht aus Eichels Plänen die nackte Angst vor der Ungewissheit. Was nicht in langsam vergilbenden Aktenordnern festgehalten werden kann, ist garantiert gefälscht, wer neben seinem Hautberuf im Internet Geschäfte macht, ist von Haus aus dubios.
Hoffen wir, dass bei den Volksvertretern die gleiche Wandlung einsetzt, wie bei den Verbrauchern: Auch sie fürchteten sich einst vor dem Einkauf im Web, auch sie sind langsam aber sicher bekehrt.“
Und dann ist da noch ein Thema in jener Netzwert-Ausgabe, das aktuellen Bezug hat – für mich persönlich. Denn am Donnerstag wird ja unsere WIRED zu haben sein. Darin schreibt Fernseh- und Onlinejournalist Richard Gutjahr in einer Kolumne über Israel als Hightech-Standort.
Und genau darum ging es auch in Netzwert. Schon damals waren die IT-Größen wie auch Kapitalgeber im Land. Zwar machten 2001 auch dort viele Startups dicht – doch die Lage schien weitaus abgeklärter als in anderen Teilen der Welt. Auch die Sicherheitssituation änderte daran nichts. Problematischer war das Steuerrecht: Ausländische Investoren mussten 20% Steuern auf ihre Gewinne aus Fondsbeteiligungen zahlen.
Heute wissen wir – all das hat nichts daran geändert, dass Israel der vielleicht wichtigste Hochtechnologiestandort nach den USA geblieben ist. Hier ein Vorgeschmack auf den Text von Richard:
Kommentare
RSS-Reader-Roundup | 6. September 2011 | Bastian Dietz 6. September 2011 um 6:57
[…] Netzwert Reloaded LV: Gelobtes Land […]