Skip to main content

In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Durch das Projekt Wired kann es allerdings zu Verzögerungen kommen. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Wir Menschen sind ja schon einigermaßen schräg drauf. Nur: Neu ist das nicht. Heute wundert sich mancher, wieso Online-Dienste wie Facebook oder World of Warcraft Millionen verdienen mit virtuellen Gegenständen. Oder wieso Teenagerinnen ihre nur im Web zu sehene Stardoll so lieben.

Tatsächlich aber haben wir schon immer Nonlebendiges aufgeladen mit Emotionen. Als Kind ist das vielleicht noch gesellschaftliche akzeptiert, als Erwachsener hat man damit schon größere Probleme. War das Spiel mit der Stoffpuppe in jungen Jahren normal, ist eine ernsthafte Liebe zum Automobil schon schwerer begreiflich zu machen.

Im Sommer 2001 verstand mancher in den USA und in Japan seine Bekanntschaften nicht mehr recht. Da zahlten viele Menschen 1.500 Dollar für einen Roboterhund namens Aiboo, produziert von Sony. Sonderlich liebevoll sah er nicht aus. Sich als schimmerndes Aluminium ausgebendes Plastik war seine Haut, die Augen wurden ersetzt durch ein schwarzes, die gesamte obere Kopfhälfte umgebende Fläche. Eigentlich sah Aiboo nich taus wie ein Hund, sondern wie eine Katze im Raumanzug. Einem Raumanzug aus einem schlechten, japanischen Science-Fiction-Film.

Etwas ungelenk spielte das E-Viech dann mit neonfarbenen Bällen, hörte aber durchaus auf Herrchen oder Frauchen. Eine besondere Komponente verlieh Sony ihm aber mit einem Tagebuch, in das der Besitzer blicken konnte. Und beim Satz „Ich rief Bobs Namen, aber niemand antwortete“, brach Besitzer Bob dann in Tränchen aus. So eng war die Bindung, dass im Hundepark von Venice Beach zwischen sabbernden Rottweilern und keifenden Kleinbellern tatsächlich in Gruppen Menschen mit ihren Aiboos aufliefen.

Für Soziologin Sherry Turkle war das nicht mal außergewöhnlich. Es sei normal, dass sich Menschen mit Objekten identifizieren. Und wenn diese Objekte gepflegt werden, „dann gibt es eine positive Resonanz, die uns gefällt“.

Der Aiboo war eine Art naiver Vorbote dessen, was da noch kommen würde. Denn naiv war noch vieles im Jahr 2001.

Damals reichte noch das Auswerten von Patentdatenbanken, um viel Geld aus der Wirtschaft zu erhalten. Das durch Praktikanten erfolgte Durchsuchen von Chats und Foren galt als Konkurrenzbeobachtung. Dann noch einmal Google bis zur zehnten Seite durchforsten – und der Mittelstandskunde zahlt 950 Euro. Davon handelte damals die Netzwert-Titelgeschichte.

Ansonsten war jene Ausgabe dünn. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mindestumfang war auf 8 Seiten geschrumpft. Weil aber manche Unternehmen in der Rubrik „wwwichtige Online-@dressen“ (so stand es darüber) für den Abdruck ihrer Internet-Adresse zahlten, fielen 2 ganze Seiten noch weg.

Einen Hauch von Social Media gab es immerhin aus Japan zu berichten. Ministerpräsident Junichiro Koizumi startete dort einen Newsletter. Jeden Donnerstag wurde der von nun an versandt und brachte es innerhalb kürzester Zeit auf zwei Millionen Abonnenten – rund 5% aller Japaner mit Online-Zugang. Warum die Nutzer die Polit-PR an sich ran ließen? Eine Umfrage unter 2700 von ihnen ergab, dass 66% konkrete politische Ideen hören wollten un 65% an der Denkweise Koizumis interessiert waren.

Vielleicht wäre da ja auch mal ein Hinweis für Angela Merkel: Statt in ihrer Videobotschaft luftige Allgemeinplätze abzulassen, könnte sie auch versuchen Tiefe zu liefern.


Kommentare


tux. 5. Juli 2011 um 23:11

XLIX? 50 – 10 + 9… Mal mit IL versucht?

(Habe heute meinen Klugscheißertag,)

Antworten

Frank Schenk 8. Juli 2011 um 14:07

XLIX ist schon richtig, IL ist eine falsche Schreibweise.

Aiboo, hm, ja, wär das Ding nicht so unverschämt teuer gewesen, hätte ich mir auch einen geholt. Und das ist gerade mal 10 Jahre her? Erstaunlich.

gruß

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*