In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Wie sich die Zeiten ändern bei Gewerkschaften. Zum schlechteren. Im Jahr 2011 ist das Internet und mobiles Arbeiten vielen Betriebsräten der Feind. Da wird gekämpft gegen Social Media Policies, freies, privates Surfen ist kein Thema, neue Techniken gelten gleich als neue Geißel zur Knechtung der arbeitenden Bevölkerung.
2001 war das mal anders. Für die Netzwert-Ausgabe vom 30.4. schrieb Michael Sommer, damals noch Vize von Verdi, einen bemerkenswerten Aufsatz. „Recht auf Online“ war er überschrieben: „Online-Arbeitnehmer brauchen Online-Rechte“, forderte er. Genauso aber Web-Zugänge für alle Beschäftigten – „auch in angemessenem Umfang zu privaten Zwecken“ – und zeitgemäße interne Kommunikationsformen. Digitale Verständigung sollte Alltag werden: „Fortschrittliche Arbeitnehmervertreter sollten damit keine Probleme haben.“ Und:
„Ein rigoroses Verbot privater Internet-Nutzung ist weder sinnvoll noch praktikabel. Zum einen profitiert nicht zuletzt der Arbeitgeber davon, wenn Beschäftigte ihre ,Netz-Kompetenz‘ – die Schlüsselqualifikation der digitalen Arbeitswelt – über Learning by doing verbessern und zum Beispiel ihre Suchstrategie im Web optimieren. Zum anderen lassen sich berufliche und private Anlässe nicht immer klar trennen.“
Auch heute noch wäre dieser Text Beachtung wert, gelegentlich sollte „Internet“ aber durch „Facebook“ ersetzt werden. Bemerkenswert.
Ebenso wie eine Serie, die Netzwert damals startete: „Landwirtschaft und Internet“. Auch heute ist das eine spannende Kombination, die in den Medien kaum Beachtung findet. Damals schrieben wir über die Pioniere jener Zunft. So verwaltete Marion Dorn ihre 230 Milchkühe im mecklenburgischen Wolde damals schon digital. Eine heute anscheinend nicht mehr existente Agrar-Handelsplattform namens Agrenius wuchs heran. Und Schlagkarteien, in denen verzeichnet wird, auf welchen Feld was wächst, wanderten auf Festplatten.
Noch eine Branche im Wandel waren Häfen. Le Havre verzahnte damals den Güterumschlag mit der Zollabfertigung via Wap. Via Handy konnten Zöllner wie Logistikdienstleister sehen, wann welches Schiff mit welcher Ladung den Hafen erreicht. Zoll und Gebühren konnten bereits online bezahlt werden, Kapitäne deklarierten ihre Fracht per Internet. Damals war Le Havre der Vorreiter für die Branche.
In dieser Rolle fühlte sich auch eines der kuriosesten Unternehmen der New Economy: Covisint. Ein Marktplatz für den Handel zwischen Autoherstellern und -zulieferern sollte die Plattform werden. Doch wo mehrere Feinde, zu den Beteiligten zählten General Motors, Ford und Daimler Chrysler, versuchen gemeinsam etwas aufzuziehen, kann nur Streit entstehen.
14 Monate dauerte es allein, einen Chef zu finden. Kevin English wurde es. Der war erst beim Aufbau einer Online-Plattform für die bestens betuchten Privatkunden von Credit Suisse First Boston gescheitert und anschließend beim Finanzportal TheStreet.com gefeuert worden. Es gibt bessere Referenzen. Auch mit Covisint sollte es nie etwas rechtes werden: Im Jahr 2002 versprach English im Interview mit Netzwert noch schwarze Zahlen. Doch 2004 wurde das Unternehmen verkauft und wandelte sich zu einer B2B-Plattform für alle Branchen. Was aus English geworden ist, mag ich nicht herauszufinden.
Lesen Sie kommende Woche: Die Deutsche Bahn will papierlos werden.
Kommentare
Netzwert Reloaded LXXIII: Tauss zieht zurück 3. Februar 2012 um 15:28
[…] betrieben von konkurrierenden Unternehmen eine tolle Idee sei. Die Autoindustrie versuchte es mit Covisint – und scheiterte. Am 21.1.2002 berichtete Netzwert dann vom Projekt der Stahlbranche mit Namen “Steel […]