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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Mehr dazu hier. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Es ist diese Anzeige, die so manches über die Zeit der New Economy aussagt. Sie stammt aus dem Hause Pago, einem Hilfsdienst bei Online-Bezahlvorgängen. Keine Unternehmen verschickte zu dieser Zeit bulligere und naturbekokstere Pressemitteilungen. „Ich gehe sogar so weit zu sagen: Startups haben die Wahl – Pago oder Pleite“ wurde da das Management zitiert.

In Netzwert vom 20.11.2000 werden einer Dame mit Balken vor den Augen die Worte aufgedruckt: „Wenn ich ein paar Dilettanten im Internet um ihr Geld bringe, dann sehe ich das als erzieherische Maßnahme und nicht als Betrug.“ Ja, so voluminös gewölbt war manches Ego in dieser Zeit.

Auch das von André Kolbinger war nicht klein – doch hatte er bessere Manieren.

Als noch niemand von User Generated Content und Social Media sprach, in jener bunten, wilden Zeit vor zehn Jahren, gab es doch schon Unternehmen, die genau in diesem Feld unterwegs waren. Erfolgreich, noch dazu – zumindest was die Aktivität der Nutzer betraf. Eines von ihnen saß vor den Toren Düsseldorf in einem schnieken, aber einsam gelegenen Ex-Bauernhof: Wallstreet Online – Kolbingers Gründung.

300.000 Besucher monatlich schrieben bis zu 10.000 Kommentaren täglich in die Foren. Doch es war eben jene Zeit, da Taxifahrer und Hausfrauen sich in Aktiengeschäfte wagten. Wallstreet-Online-Grüner André Kolbinger war ein Star der Web-Szene – und ein Hoffnungsträger für Verlage. Denn er machte ja vor, wie sich mit einem Geschäfte, das dem ihren sehr nah war, gutes Geld verdienen ließ. Mit 15 hatte er seine ersten Aktien gekauft, dann arbeitete er als Trainee bei einem Wertpapierhändler, machte sich selbstständig und gründete einen Options-Informationsdienst. Mit der SEB Direct will er im November 2000 in das Direktbankgeschäft einsteigen. So richtig vom Fleck kommt diese Idee aber nicht.

Heute ist Kolbinger wieder Lenker von Wallstreet Online. Zwischendurch gehörte das Unternehmen dem Axel Springer Verlag, Anfang diesen Jahres ging es an den Gründer größtenteils zurück. Die Zahlen sind nicht sensationell – aber eben auch nicht übel. Für 2008 weist der E-Bundesanzeiger einen Umsatz von 4,5 Millionen Euro  und einen Jahresüberschuss von 184.000 aus. Die Bilanz 2009 ist noch nicht auf dem Markt. Dazu kommt eine Vermittlungsgesellschaft für geschlossene Fonds, die ebenfalls profitabel ist.

„Schon wieder so ein B-to-irgendwas“, seufzte damals meine Kollegin Anja Müller, als nach B2B und B2C nun B2E auftauchte. Wieder ein neues Schlagwort, das so künstlich schien. Doch was in jenem Artikel über „Business to Employee“ beschrieben wird, ist ein Vorbote des Ipad: mobile Endgeräte mit denen Industrieangestellte ihre Arbeit in Lagerhallen, Fabriken und Dienstreisen erledigen. So waren Hafenarbeiter in Le Havre per Handy über den Ladestatus von Schiffen informiert und Siemens stattete 10.000 Außendienstler mit einem klobigen Hilfsgerät aus. Heute sind die Möglichkeiten weit aus größer – nur über B2E redet niemand mehr.

Genau andersherum saht es mit der politischen Story jener Netzwert-Ausgabe aus. Es ging um die Wettbewerbsaufsicht der EU, die sich frage, wie mit der anstehenden Fusion von AOL und Time Warner umzugehen sei. Welches ist im Netz der relevante Markt? Wie lassen sich Absprachen entdecken? Alles Fragen, mit denen sich damals Alexander Schaub beschäftigte, damals Chef der Generaldirektion Wettbewerb in der EU-Kommission (und heute bei der Großkanzlei Freshfields tätig). Seine Forderung liest sich wie aus dem Jahr 2010:

„Wir brauchen Leute, die diese Märkte kennen. Die in Gesprächen mit den Unternehmen stehen, Risiken und Gefahren für den fairen Wettbewerb sehen und uns sagen, wenn sich aus einer unverfänglichen Absprache unter Unternehmen nicht hinnehmbare Marktgegebenheiten ergeben können.“

Lesen Sie kommende Woche: Der Online-Hüne aus der Heide.


Kommentare


emamedia 1. Dezember 2010 um 22:17

Nach meiner unmaßgeblichen Meinung haben wir es bei unseren politischen Vertretern i.S. Internet in der Mehrheit mit denkbar schlecht informierten und wenig netz-affinen Zeitgenossen zu tun. Das ist bedauernswert, aber es ist so. Das Schnellebige dieser Zeit geht auch und gerade an politischen Repräsentanten nicht vorbei.
Ehe wir nicht wählen oder ungütige Stimmen abgeben, sollten wir uns zusammenschließen, um zu opponieren. Denn – keine Frage – selbstverständlich ist das JMStV so nicht hinnehmbar.

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