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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Mehr dazu hier. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Seit vergangener Woche steht unter meinem Fernseher ein kleines, schwarzes Döschen: Apple TV. Und ich bin angetan.

Natürlich könnte einiges noch besser sein, wie auch der Videopunk in seinem Blog schreibt.Doch ist Apple TV eben sehr leicht zu installieren und zu bedienen – und mit einem Mal steht da eine Videothek dank WLan im Zimmer.

Ginge es nach den Fernsehgeräteherstellern, dürfte es das nicht geben. Sie träumen seit über 10 Jahren vom Gegenteil: Der Fernseher soll zum Surfgerät werden, nicht ein Computer-Gadget zum TV-Helfer. Schon 1997 träumte der damalige ZDF-Intendant Stolte vom Internet im Fernseher. Bis heute ist dies im Massenmarkt nicht Realität geworden.

Weil die Technik auf sich warten ließ, sprinteten 2000 die Kreativen schon mal vor, wie Netzwert am 13.11. schrieb.  Webfreetv.com betrieb von Wien aus eine Internet-TV-Station, die Hamburger Interactive Internet Studios filmten für Spiegel Online und „Manager Magazin“.

Das ZDF produzierte eine Online-Soap-Opera namens „Etage zwo„, die von den täglichen Leiden in einem Internet-Unternehmen handelte. RTL war ein wenig flotter und hatte die reine Netz-Produktion „Zwischen den Stunden“ an den Start gebracht – eine Schulhof-Serie. Netzwert schrieb dazu: „…die RTL-Seifenoper ,Zwischen den Stühlen‘ erfüllt nicht gerade hohe Ansprüche: Der Besuch einer Schauspielschule wäre den meisten Darstellern wohl zuträglich. Doch dafür sind die meisten vielleicht schon zu alt – die Darsteller Schulkinder wirken eher wie Endzwanziger.“

Leider finde ich keine der Folgen mehr im Web. Kann ein Leser helfen?

Zwei Jahre zuvor hatte ich in Kalifornien in diesem Punkt den absoluten New-Economy-Größenwahn besichtigt: Im Rahmen einer Pressereise waren wir bei AOL Entertainment Asylum. In den ehemaligen Studios von Genesis (wenn ich mich recht entsinne) hatte sich AOL damals ein hyperhippes TV-Studio gebaut mit, in dem sich die Musik- und Filmwelt einfand. Das Blöde: Die Live-Streamings ruckelten so nervig, dass die Zuschauerzahlen eher homöopathische Mengen erreichten. Immerhin: AOL hielt die Marke Asylum, heute ist sie ein Blog.

Machen wir  ohne eleganten Übergang weiter mit einer Quizfrage für Digitalmedien-Kenner: Was war am 8.11.2000?

Na?

Ab in die Kommentare, wer es wusste.

Damals startete die Netzeitung, Deutschlands erstes, unabhängiges Online-Informationsangebot. Skandinavien war damals schon weiter, wie „Handelsblatt“-Korrespondent Helmut Steuer in der Netzwert-Kolumne „E-Mail aus Stockholm“ schrieb.

Dort waren Online-Nachrichtenseiten bereits absolute Leit-Medien bevor Spiegel Online diese Rolle im deutschen Web zugesprochen wurde. Die Netz-Ausgabe der schwedischen Boulevard-Zeitung „Aftonbladet“ erreichte jeden 18 Bürger des Landes. Allein in Schweden lagen die Online-Einnahmen damals bei 200 Millionen DM. Und weil alles kurz und knackig sein sollte – schnelle Datenleitungen gab es eben nur selten – entwickelte die Technische Hochschule Stockholm sogar eine Software, die lange Zeitungstexte automatisch zusammenstauchte, ohne sie unverständlich zu machen.

Nur das mit dem Paid Content funktionierte auch damals nicht. So investierte die dänische Wirtschaftszeitung „Borsen“ Millionen in ein digitales Abo-System. Zahl der Kunden: 90.

Träume vom großen Geld zerplatzten zu dieser Zeit auch bei vielen Mitarbeitern deutscher Startups. Denn das Steuerrecht kollidierte mit der aus Übersee hinübergeschwappten Idee, weniger Gehalt zu zahlen, dafür aber die Angestellten mit Aktienoptionen zu beglücken. Das Problem: die Lohnsteuer.

Die wurde in dem Moment fällig, da ein Mitarbeiter die Option in eine Aktie verwandelte. Die Höhe der Steuer bemaß sich dabei aus der Differenz zwischen Kaufpreis der Option und dem Wert der Aktie in diesem Moment. Doch das bedeutete ja nicht, dass der Mitarbeiter die Aktie gleich verkaufte. Und somit gab es mit einem mal Ameisen der digitalen Wirtschaft, die sich selbst in den Bankrott ritten – denn die Steuer musstedirekt gezahlt werden.

Das Finanzministerium interessierte das alles überhaupt nicht: „Die Unternehmen müssen sich an geltendes Recht halten“, hieß es kühl. Und Intershop erwiderte, dass damit Deutschland im Kampf um die besten Mitarbeiter einfach nicht mithalten könne.

Bunter fiel dagegen die Geschichte der Epag Enter-Price Multimedia AG aus. Sie bekam als erstes von vier deutschen Unternehmen eine Lizenz um Domain-Namen vergeben zu können. Hinter der Epag steckte eine kuriose Famlienkonstellation. Gründungs-Aufsichtsrat war Walter Esch, ein pensionierter Postbeamter, der im Herbst 2000 verstarb. Geldgeber war sein Sohn Rüdiger Esch, Mitglied der Rockband Die Krupps. Operativer Macher war dagegen Holger „Holly“ Esch, Rüdigers jüngerer Bruder. Das erste Büro der Epag hatte seinen Sitz auf dem Hamburger Kiez, nahe dem Transvestitenstrich und der Rockerkneipe „Steppenwolf“. Noch heute gibt es zumindest die Epag, sie ist anscheinend vom Web-Zugangsanbieter QSC übernommen worden.

Tja, und dann war da noch der allwöchentliche Doonesbury-Cartoon – den ich in diesem Fall besonders unterhaltsam finde:

Lesen Sie kommende Woche: Die großen Träume des André Kolbinger.


Kommentare


Sebastian 15. November 2010 um 8:37

Sehr entzückend, morgens, mit einem heißem schwarzem Kaffee, fast noch zu gequollenen Augen, etwas zu lesen, was den ganzen (Arbeits)Montag kontinuierlich ein wenig Freude Ausstrahlen wird.

Einen sonnigen Gruß aus München

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Sascha Pallenberg 15. November 2010 um 10:58

Leider hat sich Videopunks Blog gerade verabschiedet :/ Stichwort Settop-Boxen.. Vom ersten VDR, via MyHTPC ueber Boxee (jetzt auch noch mit eigener Hardware)bis zum bunten Suchmaschinen Monopol aus Mountain View gibt es massenhaft Alternativen, wobei letztere wohl in Kombination mit Logitech und Sony die potenteste Loesung ist.

Suche plus on Demand Video Content ist unschlagbar, wobei ich ich nun auf mein Mantra des 2. Halbjahres zu sprechen kommen muss:

„content is king Cut distribution of content is god almighty“

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Sascha Pallenberg 15. November 2010 um 10:59

ach herjeh, ich meinte natuerlich:

“content is king but distribution of content is god almighty”

sorry

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Alexander Merz 15. November 2010 um 12:41

Du kannst doch unmöglich die Die Krupps als Rockband bezeichnen! 😉

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