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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Mehr dazu hier. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Bildredakteure an Zeitungen und Zeitschriften hassen zwei Themenkomplexe ganz besonders. Zum einen alles, was mit Computern zu tun hat. Denn dann finden sich nur Bildern mit Bildschirmen oder Computern oder besonders bemühte Versuche, diese grundlangweiligen Gerätschaften in Szene zu setzen. Zum anderen: Unternehmensberater. Die sind zwar menschlich, optisch aber genauso unschillernd wie Computer.

Ganz schlimm aber sind IT-Berater. Was auch das Titelbild der Netzwert-Ausgabe vom 18.9.2000 erklärt. Es ist eines der schlechtesten in der Geschichte der E-Business-Beilage. Ein optischer Tiefpunkt, bei dem ich heute noch rot werde.

Das Thema, immerhin, war wichtig und spannend. Denn die New Economy war ja auch eine Zeit, die im Consulting viel veränderte. Damals stand gerade der Aufkauf der Beratungssparte von Price Waterhouse Coopers durch den PC-Hersteller Hewlett-Packard an. IT-Hardware mutierte langsam zum Allgemeingut, die Hersteller versuchten durch Beratungsleistungen ihre Umsatzrendite nach oben zu treiben. Später sollte IBM gar komplett auf das Beratungsgeschäft setzen. Doch diese Verknüpfung der beiden Branchen sollte nicht lange en vogue sein.

Andere Themen der Netzwert-Ausgabe sind uns erhalten geblieben.

Internet-Terminals, zum Beispiel, tauchen heute wieder auf. Weniger als Gratis-Surf-Säulen wie damals. Nein, heute gehören sie zum „Stadtmobiliar“, also jenen Gerätschaften, die Anbieter wie Wall als Plakatwandersatz in Städten platzieren um darauf Werbeflächen zu vermarkten. Und auch die einst bei Netzwert erwähnte Friendlyway als Hersteller dieser Apparate ist noch heute im Geschäft.

Irgendwie auch noch ein Thema ist die digitale Signatur. Sie sollte einst rechtssichere Amtsgeschäfte ermöglichen. Unpraktikabel aber war das Verfahren aus zwei Teilcodes, das angeboten wurde von der Telekom, der Post und D-Trust, einer Tochter von Bundesdruckerei und dem Systemhaus Debis. Das erinnert – richtig – an den E-Postbrief.

Auch ein Artikel von Clifford-Chance-Pünder-Partner Joachim Schrey könnte aus der heutigen Zeit stammen. Er sprach sich mit aller Härte gegen die private Nutzung von Internet-Zugängen in Firmen durch Mitarbeiter aus:

„Das private Surfen ist ohne Gegenwert für das Unternehmen.“

Diese Haltung teilen noch heute viele Unternehmen – und liegen dramatisch falsch. Letztlich begannen schon damals die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben derart zu verschwimmen, dass Unternehmen gut daran tun, ihren Mitarbeitern Freiheiten zu geben: Umso engagierter werden sie auch arbeiten.

Schrey fordert sogar, wofür heute Unternehmen wie die Telekom schief angeschaut werden: Sie sollen explizit das Surfverhalten von Mitarbeitern überprüfen:

„Tatsächlich gilt das neue Datenschutzrecht nicht für die innerbetriebliche Situation: Es enthält keine Spezialregelungen zu Art und Ausmaß innerbetrieblicher Missbrauchsbekämpfungs- und Vorbeugungsmaßnahmen – auch wenn manch passionierter Datenschützer dies nicht wahrhaben will.

Auch wenn es die Anhänger des angeblichen Rechts auf Computer-Intimsphäre trifft: Ein Spezialgesetz taugt nur so viel, wie es speziellere Vorschriften enthält; dort wo es solche besonderen Bestimmungen nicht enthält, bleibt es bei den alten Datenschutzbestimmungen und die erlauben – wenn auch in gewissen Grenzen – Anti-Missbrauchsvorkehrungen.“

Ja, es fällt gar jener Begriff, bei dem heute alle kundigen Menschen aufstöhnen: das rechtsfreie Internet…

„Warum die Diskussion zu undifferenziert geführt wird, ist klar: Sich von der Erkenntnis zu verabschieden, dass das Internet eben doch kein rechtsfreier Raum ist, auch im Arbeitsverhältnis nicht, mag für manche schmerzlich, für manche auch mit dem Verlust von Privilegien verbunden sein. Dass will keiner gerne.“

Tja, sind wir in den vergangenen 10 Jahren weitergekommen – oder nicht?

Vielleicht ja in einem Punkt, wenn auch ganz, ganz langsam: dem Verhältnis von Geldgebern und Startup-Gründern. Das zeigt das Beispiel Congrat. Die kleine Firma aus Hamburg fuhr ein heute bieder erscheinendes E-Commerce-Modell: Wie bei Hochzeitslisten konnten die Nutzer Geschenklisten erstellen und die Ware ordern oder Wunschzettel weiterleiten. Doch die Geschichte in der Netzwert-Rubrik „Geldgeber“ handelt vom Tode Congrats. Die Business Angel hatten den Stecker gezogen, weil das Verhältnis von Geldverbrennung und Umsatz in einem desaströsen Verhältnis gestanden habe.

„Die Umsätze stimmten nicht, der Gesamtkapitalbedarf war unrealistisch“, sagte Friedrich Landwehrmann, einer der Engel. Congrat-Gründer Oliver Klein hielt dagegen: „Die Halbjahresbilanz war sauber“, sein Anwalt ergänzte: „Die Zahlungsverpflichtung der Business Angels war Bestandteil des Vertrags. Dieser Verpflichtung sind die Business Angel aber nicht oder nur zum Teil nachgekommen.“ Die Sache ging vor Gericht – weiß jemand, wie es ausgegangen ist?

Es war eine typische Geschichte jener Zeit. Gründer glaubten sich trotz hoher Verluste im Recht. Das war ja die Theorie hinter jener New Economy: Erst alles geben, um einen großen Kundenstamm zu gewinnen – dann irgendwann den Hebel umlegen und Gewinne machen. Vielen Geldgeber dagegen wurde mulmig angesichts fallender Börsen und dem rapiden Wertverlust ihrer Portfolios. Manche schickten gar Einsatzteams in Startups um noch das Geld zu retten, das zu retten war. Davon handelt auch Don Alphonsos höchst lesenswerter Roman „Liquide„.

Von den drei Congrat-Gründern konnte ich gerade zwei ausfindig machen. Jan Krogmann ist Geschäftsführer des Software-Unternehmens Bitwerft, Björn Hoffmeyer zeichnet als Vice President Commercial Card Deutschland von American Express. Vielleicht weiß jemand, was aus Oliver Klein geworden ist?

Der Lebenslauf von Henry Nicholas ist dagegen kein Geheimnis. Er gründete den Chiphersteller Broadcom und war in jenen Tagen eines jener übergroßen Egos der digitalen Welt. Ferrari-Fahrer, vertilgt 10 – 15 Protein-Riegel am Tag, schläft nur drei Stunden – so klangen sie damals die Mythen der E-Wirtschaft. Laut Wikipedia ist Nicholas 2003 wegen seiner Scheidung und anderer privater Probleme bei Broadcom ausgestiegen. Das Unternehmen wird von „Fortune“ noch heute unter den 500 größten der USA gelistet – und Nicholas im Gegenzug von „Forbes“ als 236. reichster Amerikaner. Auch solche Geschichten gibt es.

Ach ja, ozapft war damals auch schon. Joachim Hofer, Münchener Korrespondent des Handelsblatts, schaute sich an, wie die Internet-Szene auf der Wiesn feierte. Fast schien es, die Krise war kein Thema. Die größte Klage waren nicht zusammenbrechende Unternehmen und fehlende Finanzierung, sondern die hohen Mieten und die fehlenden Arbeitskräfte in der Stadt. Internet-Mediahouse flog Kunden aus China und Japan zum Oktoberfest, das Software-Unternehmen Adphos meinte: „Das Klima für junge Firmen ist hier prima.“ Nur: „Wir hatten sogar Schwierigkeiten, einen Buchhalter zu bekommen.“

Nächste Woche bei Netzwert Reloaded: Der Tag, als Dieter Gorny explodierte.


Kommentare


Andreas 21. September 2010 um 14:18

Linktipp:
http://www.bdzv.de/pressemitteilungen.html?&tx_list_pi1[mode]=2&tx_list_pi1[uid]=102159407

Junge Leute vs. totes Holz

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