Mein Stamm-Lokal auf dem Düsseldorfer Karlplatz, das „Casa Cortilla“ hat seine Tische bereits rot-weiß-grün eingedeckt, Cheffe Domenico wirkte angespannt. Grund: Um 16 Uhr spielt Italien um das Weiterkommen bei der Fußball-WM.
Seinen Landsleuten geht es nicht anders. Die Spannung steigt und mit ihr das Informationsbedürfnis. Der Real-Time-Web-Monitor in Sachen Südafrika 2010, aufgesetzt vom Web-Traffic-Diensleister Akamai, sieht derzeit so aus:
Das Bild ist typisch in diesen Tagen. In den Stunden vor wichtigen Spielen steigt die Web-Aktivität in den beteiligten Nationen. Die WM 2010 ist somit mehr als nur Fußball-Turnier (bei dem es ja ohnehin um Wichtigeres geht als Tod oder Leben, das wissen ja schon lang). Sie ist eine Demonstration dafür, wie sehr wir uns ans das Internet gewöhnt haben und wie sehr Social Media Teil des Alltagslebens geworden ist.
Wer noch immer meint, nur ein Haufen Freaks, Nerds oder Geeks (je nach Wille zur Beleidigung) twittere, facebooke oder blogge, während er ein Fußball spielt guckt, sollte seine Meinung ruhig in Frage stellen. Gerade Fußball mit seinen – für europäische Verhältnisse – vielen Ruhepausen lädt dazu ein, seine Emotionswelt zwischendurch mit anderen zu teilen.
Und daran haben sich verdammt viele Menschen weltweit gewöhnt. Es ist Alltag. Längst machen Sportler und Teams mit. Nein, Poldi twittert nicht, während er auf den nächsten Pass wartet (auch wenn das manches erklären würde). Aber das DFB-Team sendet, ebenso wie die Amerikaner, manche Nettigkeit rund um die Partien, Stars wie Cristiano Ronaldo sind auch dabei. Poldi hat heute ein Foto vom Rasen des Stadions nachgeliefert.
Von den Akteuren werden wir mehr sehen. Denn genauso wie junge Menschen insgesamt sich für das Netz begeistern tun dies auch die Sportler. Wer bei StudiVZ nach Kickern aus den unteren Profiligen sucht, wird erstaunlich häufig fündig werden – und so mancher redet dort auch mit Fans.
Das bedeutet aber nicht, dass die digitale Mediennutzung bei den Zuschauern Vorrang hat. Das Fußballspiel ist Priorität Nummer eins. Doch eine steigende Zahl von Menschen schafft es neben dem passiven Betrachten des Fernsehers oder der Public-Viewing-Leinwand auch noch über einen weiteren (manchmal sogar den gleichen) Bildschirm zu kommunizieren. Das ist, glauben wir Frank Schirrmacher, Körperverletzung weil Multitasking. Wir verletzen uns also selbst sehr gerne und lustivoll, wir Fußball-Auto-Sadisten.
Und das ist erst der Anfang.
Jugendliche gehen mit diesen Mehrfach-Kanälen noch viel entspannter und eleganter um. Aber sie sind in Social Media nicht so aktiv wie ältere. Logisch: Social Media dreht sich in einem großen Teil um die Erstellung von Inhalten, die mehr Menschen interessieren als den unmittelbaren Freundeskreis. Zu so etwas sind Jugendliche selten in der Lage, was nichts mit der angeblichen Verdummung der Menschheit zu tun hat. Kaum jemand von uns war in der Mitte der Teenagerjahre fähig Inhalte zu erschaffen, die mehr Menschen interessiert hätten, als den engsten Kreis seiner Lieben. Wer das nicht glaubt, lese mal seine eigenen Tagebücher aus dieser Zeit.
Diese Mehrfachnutzung könnte für Unternehmen spannend werden. Ihre kreative Aufgabe lautet: Wie kann ich mich in diese Kommunikation einschalten? Wie kann ich Anlaufpunkte schaffen, in denen die Kommunikationsströme gefiltert werden, so dass die Anhänger eines bestimmten Ereignisses sich dort einfinden?
Twitter hat selbst solch einen Ort erschaffen. Die Worldcup-Seite ist ein steter Strom menschlicher Gefühlswelten, anrührend und großartig. Eine andere Umsetzung hat der „Guardian“ auf die Beine gestellt. Er zeichnet die meistverwendeten Worte im Verlauf der Spiele. Eine wundervolle Spielerei. Und wie sieht Torjubel auf Twitter aus? So:
Kommentare
Die *FIFA Fußballweltmeisterschaft 2010 TM* im Web | fritzwalterwetter 24. Juni 2010 um 17:54
[…] „Indiskretion Ehrensache“ hat sich des Themas „WM im Web“ angenommen. Hier sein nich minder lesesnwerter Artikel. This entry was posted in unspezifisch. Bookmark the permalink. ← Jetzt […]
Armin 24. Juni 2010 um 20:02
Na ja, ich weiss ja nicht, wenn ich den Text auf der Akamai Website lese duerfte das mit Social Media eher nur am Rande zu tun haben:
„This tool monitors real time traffic to the global broadcasters delivering traffic over Akamai’s network.“
Das was die da zeigen ist hauptsaechlich traffic der dadurch erzeugt wird dass die Leute im Buero uebers Internet die Spiele gucken. Das sind die Leute die ueber die Bueronetzwerke auf die Websites der „global broadcaster“ (BBC, ARD/ZDF und wie sie alle heissen) gehen um dort die Spiele zu sehen, offiziell natuerlich nicht erlaubt aber inoffiziell meistens doch toleriert.
So wie viele der Spiele zeitlich fallen ist das ja auch nicht weiter verwunderlich.