Der vergangene Donnerstag war ein wichtiger in der Geschichte des Internets. Über Stunden waren Facebook, Twitter, Youtube und der Blog-Dienst Livejournal nicht erreichbar. Grund: eine Denial-of-Service-Attacke. Solche Fälle gab es immer wieder, Yahoo und CNN haben das schon erlebt, 2007 brach gar der gesamte Web-Verkehr Estlands zusammen.
Der neue Fall aber ist ein besonderer. Denn die Angriffe richteten sich nicht auf die Dienste, sondern gegen die Profile eines einzelnen Nutzers. Er nennt sich Cyxymu, lebt und bloggt in Tiflis. Vor allem der russisch-georgische Konflikt ist sein Thema, seine Haltung ist eindeutig: Er steht für ein freies Georgien. „Seine Stimme sollte zum Schweigen gebracht werden“, erklärte ein Facebook-Sprecher. Cyxymu erklärte via Twitter, für ihn sei der Urheber der Angriffe ganz klar der KGB.
Unternehmen sollte dieser Fall hellhörig machen: Es wäre nur logisch, würden sie zum nächsten Angriffsziel. Kapitalismuskritische Aktivisten setzen immer auf Symbolwirkung. Beispiel G8-Proteste: Es ist zur Kunst geworden, Proteste und Demonstrationen so zu inszenieren, dass Sicherheitskräfte auf Fotos als die Bösen daher kommen. Oder jene Tierschützer, die vergangene Woche einen Brandanschlag auf die Jagdhütte von Novartis-Chef Daniel Vasella verübten: Auch ihnen geht es um ein die Schlagzeilen befeuerndes Foto.
Ein starkes Bild sagt eben mehr als tausend Sprechchöre. Es findet Raum in klassischen Medien und mit ihm verbreitet sich zumindest die Kunde davon, dass es Gegner der Mächtigen gibt.
Stück für Stück aber löst das Internet TV, Zeitungen und Radio als wichtigster Nachrichtenmittler ab. Schon heute organisieren sich zahlreiche Bewegungen im Netz, jüngst erst wieder zu sehen bei den Protesten im Iran.
Auch jene, die Unternehmen angreifen werden bald diesen Weg wählen. Es dürfte ein leichtes sein, eine Firmen-Homepage durch eine Attacke auszuschalten. Allein: Wen würde es interessieren?
Wahrscheinlicher ist, dass die Angreifer sich all jene Online-Marketing-Maßnahmen als Ziel wählen, die auf vorhandenen Plattformen wie Facebook stattfinden. Folge: auch die Plattform knickt ein – und in diesem Moment interessiert die Nutzer, was vor sich geht. Kaum etwas könnte ein Thema bei den Nutzern präsenter machen, als der Ausfall einer von ihnen viel genutzten Plattform.
Und dann beginnt die Diskussion: Facebook unten? Warum? Angriff auf Nestlé? Wegen Babynahrung in der Dritten Welt? Angriff auf das Twitterkonto von Dow Chemical? Weil der Chemiekonzern nicht die Verantwortung für die Katastrophe von Bhopal übernimmt?
Schnell wäre sie da, die öffentliche Diskussion. Die Kommunikationsabteilungen von Unternehmen müssen sich fragen: „Sind wir auf solch eine Situation vorbereitet?“ Bei den meisten dürfte die Antwort lauten: „Nein“.
Kommentare
Thorsten zur Jacobsmühlen 10. August 2009 um 15:45
Natürlich sind die Unternehmen auf so einen Reputationsgau nicht vorbereitet. Es hapert ja schon oftmals am grundlegendsten Verständnis über die Wirkungsweise von Social Media.
Die Unternehmen sind im Zugzwang sich mit den Möglichkeiten, aber auch Gefahren auseinanderzusetzen. Gefahr bedeutet hierbei aber das Gegenteil von nicht teilnehmen, sondern neue Handlungs- und Kommunikationsweisen zu erlernen.
Alles in allem jedoch, hat es einen großen Vorteil. Sei es in der Werbung, im Umgang mit Mitarbeitern, dem Wettbewerb oder einer eventuell belastenden Historie – Es reicht nicht aus Schönwetternachrichten in den virtuellen Raum zu pusten, man muss auch tatsächlich danach handeln und ein Unternehmen führen.
Veronika Z. 10. August 2009 um 16:15
Ich hege weder Sympathien für die georgische noch für die russische Regierung. Ob die Vorwürfe von Cyxymu an den KGB (die Organisation heisst jetzt übrigens FSB) stimmen, ist zumindest fragwürdig. Laut Facebook-Sprecher sollte seine Stimme \“zum Schweigen gebracht werden\“. Der Angriff hatte aber letztendlich genau die gegenteilige Wirkung.
Von diesem konkreten Fall einmal abgesehen, könnten sich vermeintliche Opfer später als eigentliche Nutzniesser entpuppen. Z.B. für ein unbekanntes Facebook-Profil, das lediglich für wenige Stunden offline geht und danach um ein Vielfaches bekannter ist…
kIEL 10. August 2009 um 21:15
\“Es ist zur Kunst geworden, Proteste und Demonstrationen so zu inszenieren, dass Sicherheitskräfte auf Fotos als die Bösen daher kommen.\“
Wie stellt man das denn an? Und bei welchen Demonstrationen galten denn die Polizisten als die Bösen in den Medien?
Michael 10. August 2009 um 22:28
Virtuelle Angriffe auf Unternehmen in diesem Kontext sind kein zukünftig zu erwatrendes Phänomen, sondern finden bereits seit Jahren statt. Viele Internet-Attacken vom Defacement bis zum DDoS-Angriff haben einen linksextremen Hintergrund. Teile der linken Szene haben schon seit vielen Jahren die Technik als Angriffsziel und Angriffsmittel erkannt (wie z.B. 1996, als durch die Sabotage eines Glasfaserkabels mehrere tausend Telefone am Frankfurter Flughafen lahmgelegt wurden).
Neu ist sicherlich, dass große Plattformen wie Twitter zum Kollateralschaden werden. Facebook hat die Attacke recht gut überstanden, bei anderen Diensten war sie kaum merklich. Es ist eben alles andere als leicht, derart leistungsstarke Serverfarmen auszuschalten. Versucht wird das öfter, aber selten mit Erfolg. Warum Twitter so stark betroffen war, werden wir sicherlich bald wissen und es werden Gegenmaßnahmen getroffen.
Was Cyxymu angeht so ist der Angriff sicherlicht nach hinten losgegangen: über Nacht wurde er einer der bekanntesten Blogger der Welt. Solche Werbung kann man nicht kaufen. Es zeigt mal wieder, dass auf Täterseite technisches Können und strategische Intelligenz nicht unbedingt Hand in Hand gehen.
Rainersacht 11. August 2009 um 9:09
Ich halte die Geschichte vom armen, georgischen Blogger für eine Notlüge der Sozialnetzbetreiber, die so vertuschen wollen, wie schlecht sie gegen Angriffe aufgestellt sind.
DOS-Aktionen gegen Twitter, Facebook und Konsorten wird es in nächster Zeit regelmäßig geben.
nur so 11. August 2009 um 15:07
\“Der vergangene Donnerstag war ein wichtiger in der Geschichte des Internets. Über Stunden waren Facebook, Twitter, Youtube und der Blog-Dienst Livejournal nicht erreichbar.\“
Nur Twitter war unerreichbar.
Prüfer 12. August 2009 um 10:32
\“Nur Twitter war unerreichbar\“
Und in China ist deshalb mindestens ein Sack Reis umgefallen.
Oder nein, ähnlich wie bei dem Heise DDOS hat es vermutlich sogar zur Produktivitätssteigerungen geführt, da ein paar mehr Leute gearbeitet haben anststt zu surfen.