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Es gibt diese Momente, da Menschen von Rang und Namen auf einer Bühne oder vor einem Mikro stehen und Dinge sagen, die sie später lieber nicht gesagt hätten. Das ist irgendwo menschlich, auch wenn man ihnen diese Äußerungen später noch so oft um die Ohren haut.

Lässt sich für diese Situation Verständnis aufbringen, so fällt dies schwerer, schreibt eine solch rangignamige Person einen Gastbeitrag, nach dessen Lektüre die Frage erlaubt sein darf, was er sich dabei gedacht hat und ob er beim Verfassen des Textes noch ganz bei sich war.

Womit wir bei einem Artikel in der „Financial Times Deutschland“ wären, geschrieben von Hans Joachim Suchan, dem Verwaltungsdirektor und stellvertretenden Intendant des ZDF. Warum gibt es öffentlich-rechtliche Sender wie das ZDF? „Bildungsauftrag“ wird der eine oder andere einwerfen. „Unvoreingenommene Berichterstattung“ ließe sich auch ausrufen. „Qualititätsfernsehen!“ „Themen, die sonst ignoriert werden!“

Relativ sicher aber scheint mir, niemand würde als Existenzgrundlage des ZDF die Bereicherung der Wirtschaft mit Werbeplätzen nennen. Oder ein durch Konkurrenz bedingtes Senken der Preise für TV-Werbung. Und ebenfalls ist nicht zu erwarten, jemand wähle das Argument, die Menschen empfänden eine Sehnsucht nach Werbung.

Nein, niemand wäre so irre, diese Argumente zu nennen.

Oder?

Es gibt einen, der hat sie sogar aufgeschrieben, für die Kollegen der „FTD“. Es ist jener Hans Joachim Suchan, stellvertretender Intendant des ZDF.

Er kritisiert das Ansinnen, die öffentlich-rechtlichen Sender von Werbung zu befreien. Und er holpert sich einen Argumentationsstrang zurecht, der tief blicken lässt in das Denken der ZDF-Verantwortlichen. Auszüge:

„Die Wirtschaft legt größten Wert darauf, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern werben zu können. Bestimmte Zielgruppen erreichen sie nur hier. Ein Werbeverbot für ARD und ZDF würde der Wirtschaft daher eine wichtige Plattform nehmen.

Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) hat zudem gewarnt: „Eine vollständige Monopolisierung von Werbung und Sponsoring bei privat-kommerziellen Anbietern führt zu Wettbewerbsverzerrungen und Preiserhöhungen.“ Wer kann das wollen außer den beiden Oligopolisten RTL und Pro Sieben Sat 1 – jene privaten Senderfamilien, die das Bundeskartellamt unlängst als ein weitgehend „wettbewerbsloses Duopol“ bezeichnet hat, weil sie sich fast 90 Prozent des Marktes untereinander aufteilen?…

Es ist anscheinend auch eine Geschmacksfrage, ob man Werbung mag oder nicht. Werbung ist jedoch ein ganz wesentlicher Teil unseres Wirtschaftslebens und unserer gesellschaftlichen Kommunikation. Die Menschen sehen sie auch als einen selbstverständlichen Teil ihrer Lebenswelt. Werbung gibt es in sehr begrenztem Umfang im öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit vielen Jahrzehnten. Wirklich gestört oder gar geschadet hat sie nicht, weder dem Programm noch dem Publikum und auch nicht den Privaten.“

Stört nicht, also her damit. Und höhere Rundfunkgebühren – also die 1,42 mehr monatlich, die jene Werbeeinnahmen ersetzen würden – würden die Zuschauer nicht tolerieren. Völlig undenkbar ist es natürlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender einfach mal sparen. Zum Beispiel keine Fußballrechte kaufen. Die U21-Europameisterschaft mal nicht live übertragen. „Wetten, dass…“ nicht nach Mallorca zieht, sondern in Böblingen bleibt. Nur ARD ODER ZDF eine Königshochzeit live reportieren.

Und dass Werbung nicht stört, das ist eine bemerkenswerte Annahme, geprägt von einem Anflug von Amnäsie. Die dauernden Schleichwerbeskandale scheint Suchan erfolgreich verdrängt zu haben.

So geriert er sich als guter Mensch vom Lerchenberg. Das ZDF, der Retter der werbenden Wirtschaft, ohne dass es die Zuschauer stört. Programmqualität? Bildungsauftrag? Nein: Der Auftrag des ZDF ist die Rettung der Fernsehwerbung. Danke, Herr Suchan, für diese Aufklärung.


Kommentare


WT 16. Juni 2009 um 18:08

Ich bin immer hocherfreut darüber, dass der Wetterbericht auf nahezu allen öffentlich-rechtlichen Kanälen etwas zur Beseitigung der Bankenkrise beisteuert und kräftig die Werbetrommel rührt. Dank Schutzschirm f.d. Banken, zahlt der Zuschauer doppelt mit Gebühren und Steuergeldern. Trotzdem wird er nass, wenn es regnet. 😉

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robin 16. Juni 2009 um 18:43

Schöner Text. Hätte mehr Kommentare verdient…

gruss,

rml

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Not quite like Beethoven 16. Juni 2009 um 18:59

Finde es ehrlich gesagt verständlich, dass Herr Suchan sich an den von Entscheidern gelesenen Orten darum bemüht, dass die Geldquelle Werbung nicht wegfällt. Aber dass wirklich *kein* Wort darüber fällt, wie das Geld ausgegeben werden soll, kein Wort über Programmstruktur und -qualität, ist wirklich erschreckend!

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hape 16. Juni 2009 um 21:07

Es gibt übrigens noch ein Duopol in der Werbewirtschaft und zwar beim Radio. Laut dem wissenschaftlichen Gutachten des Hans-Bredow-Instituts zum Medienbericht der Bundesregierung 2008 teilen sich zwei Anbieter 95% des Marktes. Der eine Anbieter ist öffentlich-rechtlich mit 35% Marktanteil. Hier zeigt sich, dass öff-r Werbung auch dazu dient, private Anbieter erst gar nicht hochkommen zu lassen. (Siehe: http://blog.gebuehren-igel.de/archives/100-Sie-regulieren-es-zu-Tode.html)

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eMHa 16. Juni 2009 um 22:01

Herr Suchan schreibt gegen ein Werbeverbot und liefert damit die Gegenposition zu Herrn Schmid der vor kurzem dafür geschrieben hat. Das ist eine sog. \“Diskussion\“ zu einem bestimmten Thema, mit Argumenten und alldem. Wenn man sich daran beteiligen will, sollte man versuchen auf die Argumente einzugehen. Wenn man das nicht kann oder will macht man einfach ein neues Thema auf (Programmauftrag, -inhalt, -qualität, …) und kann empört feststellen, dass darauf nicht eingegangen wurde.

(Ach Thomas, Dein ÖR-Beissreflex ist so langweilig wie berechenbar.)

@robin: Dann machen Sie es auf carta.info doch etwas besser.

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Ulrike Langer 17. Juni 2009 um 14:05

Ein guter Text, schön scharf formuliert. Ich habe das Gleiche beim Lesen des FTD-Beitrag gedacht.

P.S. Der Spamfilter funktioniert hier nicht wirklich…

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stadtbote 17. Juni 2009 um 15:23

\“Und dass Werbung nicht stört, das ist eine bemerkenswerte Annahme, geprägt von einem Anflug von Amnäsie. Die dauernden Schleichwerbeskandale scheint Suchan erfolgreich verdrängt zu haben.\“

Wenn ich nicht ebenfalls an Amnäsie leide, sind Sie Herr Knüwer, doch ein entschiedener Befürworter der Werbefinanzierung allen \“Contents\“ im Internet, und zwar nicht nur der partiellen Werbefinanzierung (wie beim ZDF), sondern der 100%igen Werbefinanzierung. Wie passt das denn zu Ihrer hier anklingenden Skepsis gegenüber der Werbewirtschaft?

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FinMike 17. Juni 2009 um 18:40

Sagt mal,

macht hier eigentlich auch mal jemand sauber, so unter der Woche und an einem ganz normalen Bürotag? Und wer vertritt denjenigen an dessen Urlaubstagen? So kann doch kein Praktikant praktizieren, geschweige denn hochqualitativer Journalismus… Verzeihung, ist ja nur\’n Blog hier…

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