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Weltweit grübeln Zeitungs- und Zeitschriftenmacher an etwas, was gemeinhin als unmöglich gilt: Kosten zu sparen und gleichzeitig Produkte einer neuen Zeit anzupassen. Ein Blatt, das behauptet, dies zu schaffen, ist das Wochenmagazin „Newsweek“. Unser New Yorker Kollege Matthias Eberle schrieb anlässlich des Relaunches eine Zustandsbeschreibung des US-Printmarktes.

Doch wie ist sie denn nun, die neue „Newsweek? Seit Schultagen bin ich Abonnent des „Time“-Magazins. Weil ich diese Order im Jahresabstand erneuere, ist mein Briefkasten niemals leer. Spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf der Abo-Frist erreichen mich im gefühlten Zweiwochenabstand Briefe des Verlags mit immer schöneren Beigabe-Versprechungen für den Fall, dass ich nicht von der Stange gehe. Inzwischen warte ich darauf, dass mir entweder 15 Monate Abo zum Preis von 12 geboten werden oder ich für eine andere Person ein Jahresabo verschenken kann.

Normalität im Magazin-Geschäft. Kein Wunder, dass „Newsweek“-Geschäftsführer Tom Ascheim beim Gespräch mit Handelsblatt-Korrespondent Matthias Eberle meint: „Die Tage des klassischen Nachrichtenmagazins sind vorbei – leider.“ Nur noch 47 Cent nehme der Verlag pro abonnierter Ausgabe ein.

Chefredakteur Jon Meacham behauptet in seinem Editorial zur ersten, neuen Ausgabe, dass es künftig nur noch zwei Arten von Geschichten in seinem Blatt geben soll:
„The first is the reported narrative—a piece, grounded in original observation and freshly discovered fact, that illuminates the important and the interesting. The second is the argued essay—a piece, grounded in reason and supported by evidence, that makes the case for something.“

Außerdem gibt es nur noch fünf Blatt-Bereiche, für die der Begriff „Ressort“ nicht recht passen will:
„SCOPE (for short-form pieces, including Conventional Wisdom and the rechristened Indignity Index); THE TAKE (our columnists); FEATURES (longer-form narratives and essays); and THE CULTURE. The magazine will close with a graphic feature titled Back Story, a visual dissection or explanation of an important issue or phenomenon that will satisfy one’s curiosity or pique interest.“

Das klingt durchdacht und durchaus logisch. In einer verwobenen Welt fällt es oft genug schwer, Geschichten in ein bestimmtes Ressort einzuordnen. Beispiel Opel: Ist dies eine Politik-Geschichte? Oder doch Wirtschaft? Und auch die Unterteilung in Reportagen und Meinungsstücke scheint zu passen: Es sind die beiden Formate, bei denen ein Magazin in Zeiten des Internet Mehrwert leisten kann.

Alles gut also, bei der „Newsweek“?

Leider nein.

Die kühl kalkulierte Herangehensweise an den Relaunch erzeugte ein kalt wirkendes Blatt. Nur selten spielt die Redaktion mit der Optik, gelegentlich entsteht der Eindruck einer Bleiwüste.

Doch gerade üppige Fotos sind ja etwas, womit gedruckte Blätter wuchern können, was sie absetzt vom Internet. Erschreckend: Die gesamte „Newsweek“-Ausgabe (wobei es sich um die dünnere Europa-Ausgabe handelt) enthält keine einzige, echte Grafik. Nix. Nada. Nottig. Und gerade einmal bei drei Artikeln taucht so etwas wie eine tabellarische Aufbereitung von Informationen auf. Geschuldet ist dies vielleicht den Kostenmaßnahmen: Grafiken sind immer teuer in der Produktion.

Optisch also ist die „Newsweek“ schwäääre Kooost. Und inhaltlich? Deutlich besser. Die Meinungsstücke sind größtenteils pointiert und klar in eine Richtung gehend – das würde ich mir in Deutschland auch mal häufiger wünschen.

Für die Reportagen gilt das ebenfalls. Sie sind fast durch die Bank exzellent geschrieben. Als Musterbeispiel, wie schön „Newsweek“ sein kann, werfe ich mal den Einstieg zum Obama-Interview ein – klasse.

Übrigens fällt mir auf, dass Portraits im angelsächsischen Journalismus so viel kraftvoller klingen, als im deutschen. Liegt es an der Sprache? Haben die Autoren mehr Mut? Eine bessere Beobachtungsgabe? Aber das ist ja ein anderes Thema.

Auch inhaltlich aber fehlt etwas. Zum einen liebenswerte Kleinigkeiten. Jene Rubriken, die nicht nötig wären, aber die man gern hat. Bis auf eine Zitate & Cartoon-Seite fehlen sie völlig. Auch dies ist vielleicht den Sparmaßnahmen geschuldet. Denn im Journalismus macht häufig nicht nur auch Kleinvieh den Mist – sondern gerade das Kleinvieh.

Dass die „Newsweek“-Redaktion durchaus ein Auge hat für solch kleine Beobachtungen, demonstriert sie online – zum Beispiel mit dem Blog The Gaggle oder dem schönen Paket rund um die Frage, ob die Sesamstraße noch relevant ist.

Überhaupt, das fehlt auch noch: das Internet. Abgesehen vom Link auf der Leserbriefseite und Verweisen auf die Homepages von Designern im Lifstyle-Teil gibt es keinen Versuch, Print-Leser gen Netz zu ziehen. Einerseits ist das konsequent, denn die Zahl der Leser, die diesen Mediensprung mitmacht ist erfahrungsgemaß verschwindend gering. Andererseits wirkt es befremdlich, wenn nicht einmal dazu eingeladen wird, auf der www.newsweek.com zu kommentieren.

Sieht so das Magazin der Zukunft aus? Unwahrscheinlich. „Newsweek“ macht Schritte in die richtige Richtung. Doch wirkt es zu sehr, als solle der „Economist“ mit seiner Kargheit kopiert werden, als gelte es ein Blatt zu machen, dass man lesen muss, aber eigentlich nicht lesen mag. Für mich ist dies nicht das Rezept, um aus der Krise zu kommen.


Kommentare


Daniel Florian 25. Mai 2009 um 14:17

Sie haben Recht: grafisch macht die neue \“Newsweek\“ nicht viel her, inhaltlich ist sie aber nach wie vor eines der besten Magazine, die ich kenne.

Und a pro pros Internet: spannender als die Frage wie Newsweek Leser auf das Netzangebot zieht (mal ehrlich: das macht ein Leser doch sowieso, oder?) ist doch die Frage, wie die Redakteure das Netz für Recherchen nutzt.

Sehr schön war in diesem Zusammenhang die Reportage über das derzeitige Leben von Bush (http://www.newsweek.com/id/197811), in dem häufig auf Informationen aus lokalen Blogs zurückgegriffen wurde, was zu einem schönen Lokalkolorit führt.

Zum anderen nutzt Newsweek gezielt seinen Twitter-Account, um Leser bei der Generierung von Geschichten mit einzubeziehen – die Weisheit der Massen halt.

Gute Ansätze, wie ich finde!

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Klaus Jarchow 25. Mai 2009 um 16:29

Warum wird hierzulande das Heil eigentlich immer von jenseits des Atlantik erwartet? Dieses ewige: Was macht die NYT? Was macht Newsweek?

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Thomas Knüwer 25. Mai 2009 um 16:51

@Klaus Jarchow: Das sehe ich keineswegs so. Über englische Zeitungen habe ich häufig geschrieben. Und vielleicht schon morgen gibt es eine Besprechung der neuen portugiesischen Zeitung \“i\“ – ist aber eine Frage meiner Kapazität.

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Klaus Jarchow 25. Mai 2009 um 18:12

@ Thomas: Ich meinte auch gar nicht dich im Speziellen – eher \’die deutschen Medienblogs\‘ zur Gänze, wer immer sich jetzt dazu zählen will. Die tragen eine transatlantische Brille: Ex occidente lux … Ich dagegen fände andere Diskussionen viel erhellender: Warum bspw. der Markwort derzeit \’nen Flachköpper macht, die \’Zeit\‘ aber nicht? Welche Art(en) von deutschem Journalismus also derzeit ausgezählt wird/werden. Es sind ja keineswegs alle Genres, die gleichermaßen in der Krise stecken, sondern in meinen Augen diejenigen, wo der Verlag fälschlicherweise das Publikum für mehr oder minder blöd hält, und glaubt, dass dies schon nichts davon merken würde, dass es zusammengescharrten PR-Nährschlamm statt publizistischer Edelschokolade erhält. Mit welchen Interessen oder \’ökonomischen Zwängen\‘ dieses \’davon\‘ auch immer ideologisch gefüllt sein mag …

Was \’Newsweek\‘ dort betreibt, wäre hierher sowieso nicht übertragbar, wg. eines anderen Öffentlichkeitsverständnisses – auch im Publikum. So durchmischt sich in der amerikanischen Interview-Kultur Privates und Öffentliches viel mehr als bei uns. Während wir so etwas abspalten, für politisch nicht relevant halten und es zur \’Home Story\‘ für Grüne Blätter erklären …

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