Der vergangene Samstag war kein nachrichtenarmer Tag. Allein schon der Fall Michael Glos bewegte Schlagzeilen und mutmaßlich auch Bundesbürger. Dann die Unruhen auf Madagaskar. Die Münchener Sicherheitskonferenz. Der Holocaust-Leugner will weiter leugnen.
Wem das nicht gereicht hätte, der konnte mit ein wenig Kreativität Themen weitdrehen, wie es in der Journalistensprache heißt. So fragte die Nachrichtenagentur AP mal nach Kirchenaustritten.
Der Samstag war also ein recht ordentlicher Nachrichtentag aus Redaktionssicht. Die ARD Tagesschau widmete trotzdem eine Minute und 20 Sekunden einem ganz anderen Thema. Der Film „Storm“ („Sturm“) ist sicherlich sehenswert, das sieht nicht nur mein Berliner Kollege Thomas Hanke so. Er ist Wettbewerbsbeitrag bei der Berlinale, also „Storm“, nicht Hanke, deutscher Wettbewerbsbeitrag, noch dazu.
Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob er Nachrichtenwert hat, an einem Samstag Abend, an einem Tag, da der deutsche Wirtschaftsminister zurückzutreten droht? Mehr noch: Ist er eine Nachricht wert, wenn er nicht im Kino läuft, sondern bei einem inzwischen international nur noch zweitrangigen Filmfestival, das nicht mit ihm startet, sondern bereits seinen dritten Tag hat? Und: Ist er 1.20 nicht irgendwo, sondern in der nach eigener Meinung wichtigsten deutschen Nachrichtensendung wert, Inhaltsbeschreibung und nicht-exklusives Regisseur-Statement von einer Pressekonferenz inklusive?
Ich meine: nein. Die ARD Tagesschau meint: ja.
Warum ihr das leichtfiel? Sie ahnen es schon: „,Sturm‘ wurde in englischer Sprache gedreht und entstand unter Beteiligung der ARD.“
Man könnte auch sagen: Die Tagesschau hat jetzt einen Werbeblock.
Kommentare
Macadelic 9. Februar 2009 um 15:52
Übrigens haben am gleichen Tag die ZDF-Heute-Nachrichten ein ausführliches Feature zu \“John Rabe\“ gesendet. Natürlich eine ZDF-Mitproduktion.
hape 9. Februar 2009 um 16:24
Ich find das schon wichtig, dass die ARD meldet, auch noch was anderes zu machen außer Wintersport (http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Fernsehen-Wintersport;art15532,2725714) und Fußball, denn das lief ja wohl den ganzen Tag davor. Wenn sie es nicht selbst melden, wer soll es dann tun?
Andre 9. Februar 2009 um 16:34
Das ist doch aber nichts Neues – die Tagesschau macht schon seit Jahren immer wieder gerne auch aus reinen ARD-Nabelschauthemen eine Meldung zur besten Sendezeit, z.B. wenn sie einen neuen Vorsitzenden haben oder bei irgendeiner Sportveranstaltung wieder mal mehr übertragen als alle anderen Sender zusammen…
Störend finde ich auch gar nicht die Tatsache solcher Meldungen an sich, sondern – wie Du ja schon schreibst – die Länge und Gewichtung im Verhältnis zu anderen Themen.
be 9. Februar 2009 um 16:54
Finde ich übertrieben kritisch. Wo soll man da bei den Nachrichtensendungen der Privaten anfangen, wenn man so etwas bei der Tagesschau kritisiert?
Roman 9. Februar 2009 um 17:01
Nervig, aber das macht die ARD, aber das ZDF auch, doch schon immer so, wenn irgendwas eigenes oder wenigstens unter Beteiligung des Senders produziertes gepusht werden soll.
Am schlimmsten ist es immer dann, wenn gerade ARD-Themenwoche ist.
Marc 9. Februar 2009 um 18:17
Dafür ist die ARD bei tagesschau.de ganz bescheiden und bringt (außer im Blog) nichts zu Eva Hermann vor dem Arbeitsgericht.
Dabei ist das schon interessant:
http://meedia.de/nc/details/article/gerichtsschlappe-fr-ndr-im-fall-herman_100016031.html
@be: Die Maßstäbe für ARD und ZDF sind strengere, da diese von unseren Gebühren finanziert werden. Und die ÖR sich für die Gralshüter der objektiven Berichterstattung halten.
Nico 10. Februar 2009 um 9:53
Voll ekelig. UNd sehr schade für den Film. Denn schon während des Beitrags hab ich kaum auf den geachtet, sondern mich gefragt WTF. Und dabei an den Bundeswehrbeitrag von ner Woche davor gedacht, wo auch im letzten Satz ein herzlicher Dank an die ARD und ihren tollen Film ausgesprochen worde. Aber beim Sport is es ja genauso: jeder Sender bringt die Beiträge, für deren Sportarten er die Rechte besitzt. So kommts dann halt zu absolut unrelevanten Wintersportnews in der Tagesschau.
(pb) 10. Februar 2009 um 10:55
erinnert mich an gestern, als der NDR Hörfunk in den Nachrichten verkündete, dass ihre Jury sich für einen Eurovisions-Beitrag entschieden hat. Und dann haben die den Song auch noch angespielt. Das war voll gruselig, ey ..
fred 10. Februar 2009 um 11:27
Kritik muss ja nicht immer gleich schlecht sein, vor allem von Sendern die aus unseren Gebühren bezahlt werden.
Matthias Sch. 10. Februar 2009 um 16:49
Die Erwähnung als solche finde ich ebenfalls nicht sooo schlimm, aber dafür rund 10 Prozent (!) der gesamten Sendezeit zu verballern ist übertrieben. Könnte man auch eleganter machen: Kurz anteasern (\“heute die ARD-Produktion XYZ auf der Berlinale\“ mit ein paar Bildern hinterlegt, \“Näheres dazu heute in den Tagesthemen/um 21.45/ etc.\“) und mit 20 Sekunden hat man das Thema erledigt.
Anna 11. Februar 2009 um 9:31
Finde ich jetzt ehrlich gesagt nicht so wild. Etwas leichtere Kost zwischen den alltäglichen Horror- und Negativschlagzeilen lockert doch auch etwas auf. Und mit einem Blick auf die Privaten steht die ARD fast jungfräulich da.
Martin 11. Februar 2009 um 19:53
Ist wie mit den Spielfilmen … ob da Coca Cola oder Pepsi getrunken wird und andere Requisiten. Ich finde wenn man nicht unterschiedliche Berichterstatter liest, hört oder schaut kann man sich eh kein neutrales Bild machen.