Skip to main content

Einer meiner Lieblingsvordenker in Sachen Medien ist der New Yorker Professor Clay Shirky. Weil er neben theoretischer Fundierung die Fähigkeit mitbringt, komplexe Dinge ganz bodenständig einzuordnen – und noch dazu getrieben ist von einem fast manischen Enthusiasmus.

Der „Guardian“ hat Shirky getroffen um ihm eine Prophetie in Sachem Medien anno 2009 zu entlocken.
Wenn Shirky redet, redet er deutlich. Zum Beispiel – als Einstimmung – in einer Ausgabe unseres Medienpodcasts bel étage vom November:

Und so nimmt er auch gegenüber dem „Gurdian“ kein Blatt vor den Mund. Seine wichtigsten Thesen für 2009:

Zeitungen:
„What we saw happen to the Christian Science Monitor [the international paper shifted its daily news operation online] is going to happen three or four dozen times (globally) in the next year. The 500-year-old accident of economics occasioned by the printing press – high upfront cost and filtering happening at the source of publication – is over.“

Magazine:
„The great advantage magazines have is glossy pictures… Brides magazine is going to be the last one standing.“

TV:
„The question is who figures out the business model that says it’s better to have 6 million passionate fans than 7 million bored ones?“

Shirkys einfach Sätze machen eines klar. Wenn Medienmanager derzeit behaupten, sie wüssten nicht weiter, dann vernachlässigen sich das einfachste Management-Rüstzeug: die strategische Postionierung.

„Moment“, wird mancher da rufen, „wir arbeiten ständig an nichts anderem“. Doch das stimmt eben nicht so ganz. Diese Einordnung der eigenen Lage erfolgt fast immer nur innerhalb einer Mediengattung. So dürfen sich Mediaagenturen und Werbetreibende bizarre Rechtfertigungen für die Existenz des 327. Frauenmagazins anhören. Ein wenig mehr Glamour als „Bunte“, ein Schuss mehr Hausmütterchen als „Gala“, milimeterweise und für den Leser nicht wahrnehmbare Unterschiede zu Konkurrenten werden als Weg in die Zukunft gefeiert.

Vernachlässigt wird die grundlegende Frage, wie sich Mediengattungen im Strom der Informationen aufstellen sollten. Wo die Vor- und Nachteile von Zeitungen, Magazinen, Fernsehen und Radio liegen. Im Bereich Magazine klingt Shirkys Äußerung fast platt – und doch ist sie wahr. Die doppelseitigen Bilder auf den ersten Seiten des „Stern“ sind noch immer ein Hingucker, etwas, das kein anderes Medium so leisten kann – und doch sind sie eine Seltenheit. Zeitungen, die allein auf Nachrichten setzen, werden das Internet nicht schlagen können – sie werden zu täglichen Magazinen werden müssen. Und das Fernsehen wird sich nicht mehr an quantitativen Einschaltquoten messen müssen, sondern an qualitativen. In den USA gelingt dies einigen Kanälen bereits. So mutierte Bravo zum Kanal der schwulen Zielgruppe, TNT setzte deutliche Zeichen, AMC rückte mit der grandiosen Weber-Serie „Mad Men“ in den Fokus der Freunde intelligenter Unterhaltung. Statt dem Versuch, möglichst viele Zuschauer zu gewinnen, setzen sie darauf eine spezielle Art zu sich zu holen – mit Erfolg.

Strategische Positionierung ist das ABC des Managements – es wird Zeit, dass Medienunternehmen lernen, es richtig zu buchstabieren.


Kommentare


ring2 9. Januar 2009 um 8:27

Ich bin ja spätestens seit dem ELREP mit ihm ein ebenso großer Fan. Das mit den Hochglanzfotos sehe ich allerdings nicht so. Dann müsste VIEW vom stern ja zum Überflieger mutieren.

Allein wird das nicht reichen – und Auflage verlieren werden die Großen sowieso. Ansonsten zum zweiten Mal in 24h d\’accord. Sowas.

Antworten

Christoph 9. Januar 2009 um 17:41

Wer Clay Shirky 2009 live und in Farbe sehen möchte. Er wird am 9. Juni in Berlin den DMMK (www.dmmk.de) als Keynotespeaker eröffnen. Schon jetzt mein persönliches Highlight 2009!

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*