Die heutige Bekanntgabe eines neuen Gesetzes gegen Datenmissbrauch ist eine weltfremde PR-Aktion der Politik. Denn schauen wir uns doch an, worum es geht: Die Bürger sollen aktiv dem Handel mit ihren Daten zustimmen. Das tun sie aber oft genug heute schon – sozusagen. Die Daten werden einfach eingesammelt mit einem voreingestellten Häkchen bei der Anmeldung auf einer Internet-Seite oder beim Online-Kauf. Ganz einfach, ganz nonchalant.
Dagegen hilft nur eines: Den Verbot des Handels mit Personendaten. Und das Schönste daran ist: Es wäre sogar im Interesse der Wirtschaft – auch wenn die daran nicht glauben mag. Egal ob Wolfgang Schäuble oder Brigitte Zypries oder Thomas de Maizière: Politiker verteidigen die Datensammelwut der öffentlichen Hand gerne damit, dass die Bürger ihre Daten doch selbst Unternehmen zur Verfügung stellen würden. Und wenn schon den Unternehmen, dann doch bitte auch dem Staat.
Diese Argumentation ist dumm und dreist. Warum Menschen den Staat misstrauen, zeigt Nickles.de mit dem Meldeformular der Stadt München. Dort können Neueinwohner zwar dem Handel ihrer Daten mit Adressbuchverlagen widersprechen, doch dies müssen sie „der Meldebehörde bekannt geben“. Wie? Steht nicht dabei.
Kommunen gehören ebenfalls zu den eifrigen Datenhändlern. Die Stadt Düsseldorf, zum Beispiel, verdient über solche Auskünfte 875000 Euro im Jahr, hat die „Waz“ ermittelt. Wer nach Adressen fragt? Zum Beispiel Versandhändler, um Pakete richtig zustellen zu können. Und dazu kommen noch Datenpannen wie in München.
Drehen wir den Schäuble-Spieß doch einfach mal um: Wenn wir schon nicht dem Staat trauen dürfen, wem dann?
Es wäre im Sinne der Bürger, den Handel mit Adress- und anderen Daten komplett zu unterbinden. Und ich glaube, es würde langfristig sogar den Unternehmen gut tun.
Denn die eingekauften Adressen sind ja kein pures Gold. Die werbende Wirtschaft lügt sich einen in die Tasche, wenn sie das Zuschicken von Werbung an Personen mit scheinbar richtiger Demographie als „One-to-one-Marketing“ bezeichnet.
Wenn das Eins-zu-Eins-Kommunikation ist, dann ist ein Flächenbombardement das geeignete Mittel für einen Auftragskiller: Klar trifft man auch den, den man treffen möchte – nur eben auch jede Menge anderer Leute. Deshalb sind die Datensätze meist für einen geringen Preis zu bekommen.
Doch diese Form des Marketing ist eine bequeme Ausrede, sich weiter keine Gedanken machen zu müssen. Sie scheint kalkulierbar und ihre Streuverluste ohne größere Schäden. In Wirklichkeit aber sind die Verbraucher längst angeekelt. Zum Beispiel von Verlagen, die sie scheinbar ständig mit Telefonaten terrorisieren. In Wirklichkeit stecken dahinter oft Call-Center-Dienstleister, die für jedes vermittelte Abo eine Provision einstreichen.
Umweltmanagement war in meinem BWL-Studium einer der Schwerpunkte, damals eine recht junge Disziplin. Und es gehörte zu den Schmunzlern im Rahmen der Fallstudien, wenn Unternehmen feststellten, dass manchmal umweltfreundlichere Grundstoffe und Produktionsmethoden zu Einsparungen führten.
So ähnlich ist es mit den Adressdaten. Sie halten Unternehmen davon ab, effektivere und zeitgemäßere Marketingmethoden zu entwickeln. Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertages DIHK mahnte gestern, der Handel mit Adressdaten liege im „berechtigten Interesse der Wirtschaft“.
Nein, liegt er nicht. Er verhindert den Fortschritt. Verbieten wir ihn endlich.
Kommentare
weltherrscher 4. September 2008 um 16:54
WORD!
ich werfe den werbedreck in meinem briefkasten ungelesen direkt in die tonne.
und wundere mich immer wieder, wieviel müll man so zugesendet bekommt.
unternehmen die sich nicht im geringsten an umweltgrundsätze halten, sollte man mal besser erziehen.
man könnte ja ein blog aufmachen, dort dann all die werbeprospekte bzw. firmennamen posten, die ihren werbemüll so tag ein tag aus verschicken.
dann kann sich ja jeder selbst überlegen, ob er von diesen firmen noch etwas kauft oder bewusst einen weiten bogen macht.
firmen die dann erst mal als umweltsünder geoutet wurden, werden vielleicht in zukunft ihren werbemüll nicht mehr versenden. sie werden dann sicherlich via pr-abteilung abbitte leisten und besserung schwören.
sollte natürlich anonym erstellt werden, da es abmahnungen regnen würde.
jeeves 4. September 2008 um 18:41
Komt ungewollte Reklame ins Haus, die eigene Adresse durchstreichen. \“Annahme verweigert\“ draufschreiben und ab in den gelben Kasten damit. Der ehemalige Absender muss den Rücktransport bezahlen – nicht viel, aber es ist Sand im Getriebe.
Ich mache das seit Jahrzehnten so und bekomme kaum noch ungewollte \“Post\“.
Ugugu 5. September 2008 um 9:09
Sehr brauchbarer Vorschlag! Aus meinen persönlichen Beobachtungen, und im Sinne von Weltherrscher, hier meine persönliche \’Collateral-Damage-Hitlist\‘ – vor allem was das Stalking via Telefon betrifft:
1. Krankenkassen (Eine aufdringlicher als die andere) 2. Cablecom (Kabelnetzbetreiber) 3. Neue Zürcher Zeitung (Eine Zeitung) 4. Sonntagszeitung (Eine Sonntagszeitung)
Sicher: Alles nicht repräsentativ. Dass aber gerade Verlage, und die beiden oben genannten sind bei weitem nicht die einzigen in meiner \“Top 20\“-Liste, locker mit Lotto-Totto-Tippgemeinschaften mithalten können, erstaunt mich doch. Besonders ärgerlich: Anrufe von Zeitungen, die man bereits im Abo oder nach wohlweislichen Überlegungen irgendwann gekündet hat.
Das einzige Geschäft, dass ich je via Telefon abgeschlossen habe, war mit einem lokalen Biobauer, der mir ein paar Kilo Äpfel vertickert hat. Hm, vielleicht sollten sich Verlage oder Krankenversicherer mit Biobauern zusammentun?
*Gelöscht* 5. September 2008 um 10:03
***Hier stand ein Kommentar, der nichts mit dem Thema zu tun hatte.***
Tim 5. September 2008 um 11:36
Grundsätzlich würde ich Herrn Knüwer recht geben. Jedoch kann das ungewollte Folgen haben: Die Unternehmen werden auf Adressen und Daten nicht verzichten. Wenn sie diese nicht mehr kaufen können, werden noch mehr Preisausschreiben und viele andere kreative Ideen die Verbaucher überfluten, um an ihre Daten zu kommen. Statt der wenigen Datenbanken der Adressenverkäufer gibt es dann eine unüberschaubare Zahl von Datenhalden, deren Nutzung oder Missbrauch erst recht nicht übeschaubar ist.
Thomas Knüwer 5. September 2008 um 11:53
@Tim: Das könnte sein. Doch der Aufwand, um diese Adressen zu besorgen würde erheblich steigern. Und somit könnte das bisherige System einfach nicht mehr wirtschaftlich sein.
giglio 5. September 2008 um 12:15
Auf www.muenchen.de kann man sich ein PDF-Formular runterladen und eine \“Übermittlungssperre\“ von persönlichen Daten an Religionsgemeinschaften, Parteien, Adressbuchverlagen etc. beantragen. http://www.muenchen.de/cms/prod2/mde/_de/rubriken/Rathaus/50_kvr/buergbuero/wohnsitz/pdf/uebermittlungssperre.pdf Geht leider nur schriftlich, weil eine Unterschrift nötig ist. Sehr ägerlich außerdem, weil diese \“Übermittlungssperre\“ eigentlich automatisch bestehen sollte solange man sie nicht aktiv aufgehoben hat.
mariana mayer 5. September 2008 um 17:28
Einspruckh Herr Knüwer. Mein Kommentar hatte etwas mit dem Thema Datensicherheit zu tuen.
Ich berichtete über Datenschutz bei der Gesundheitskarte und Krankenversicherung!
Mariana Mayer
mariana mayer 5. September 2008 um 17:29
Sie haben bereits mehrere Kommentare gelöscht. Das hat nichts mehr Ihren Grundsätzen zum Bloggen zu tuen, die sie hier verkünden. gelten die nur für Sie selber?
Thomas Knuewer 5. September 2008 um 18:14
Doch, liebe Mariana, das sind genau die Grundsätze. Off-Topic-Diskussionen sind nur bis an eine bestimmte Grenze OK.
Hier geht es um einen sehr konkreten Fall, der nichts mit der Gesundheitskarte und erst Recht nichts mit der Frage zu tun hat, welche Patienten Krankenversicherungen künftig aufnehmen.
Karl 5. September 2008 um 21:35
@jeeves: Das kannst du vergessen. Die Post transportiert den Werbemüll nicht zurück, sondern führt ihn bei deinem Postamt der Vernichtung zu. Der Absender wird nie erfahren, das die Werbung nicht angekommen ist. — Karl
mariana mayer 6. September 2008 um 11:57
Der einzigste der mich ständig genervt hat, war die SLK. Jetzt ist bekannt, genau da war auch etwas nicht in Ordnung. Die haben ständig angerufen.
Ansonsten bekomme ich schon seit Jahren verschiedene Blindwerbung für 50- 60 jährige Frauen, Rheumadecken und so. Oder richtig teure Werbung.
Ich finde schon interessant wie da mein Profil analysiert und erstellt wird.
Sonst kommen noch ein paar Briefe aber nur von denen, bei denen ich schon mal Kunde war. Na und?
isabelle 8. September 2008 um 13:17
Hallo Ihr, ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Informiere mich gerne durch Werbung, die zu meinen Hobbies passt über neue Angebote. Was nicht passt kann ich wegwerfen, wenn ich gar nichts haben will, kann ich meine Adresse sperren. Am schlimmsten sind doch gerade die Verlage, die dann andererseis gegen one to one wettern. Wie kann ich mich denn dagegen schützen, dass ich beim Kauf einer Zeitschrift bis zu 60% Anzeigen kaufe? Doch wohl nur dadurch, dass ich keine Zeitungen/Zeitschriften mehr kaufe. Da ist mir Direktwerbung schon lieber!