„Es kam, wie es kommen musste“ ist eine der schlimmsten journalistischen Floskeln. Manchmal aber auch die einzig richtige Beschreibung dessen, was wir Menschen so fabrizieren.
„Es kam, wie es kommen musste“ gilt auch für die Polit-Kommunikation: Die eine Partei probiert ein Instrument aus, die andere macht es nach – und das schlechter. Dieses Instrument heißt Twitter. Und auch jemand von der CDU/CSU nutzt es jetzt. Vergangene Woche lobte ich den Versuch von SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, seine Eindrücke vom Parteitag der Demokraten in Denver über Twitter zu vermitteln. Nicht das, was Heil dort geschrieben hat, ist für mich so herausragend, sondern die Tatsache, dass sich ein einigermaßen hochrangiger Politiker für Interessierte ansprechbar machte und mit ihnen kommunizierte.
Das hat gejuckt. Und nun bekam ich heute, die Meldung, dass es einen gemeinsamen Twitter-Feed beider Parteien gibt. Sozusagen. Denn das Projekt wird nicht von den Parteizentralen aus betrieben, sondern vom CDU-Blog, dem nach eigener Aussage größten Blog und Forum aus dem C-Reich.
Nur: Die Verantwortlichen machen genau das falsch, was Heil richtig machte. Es gibt keinen Menschen, der kommuniziert, stattdessen geht es nur um das Weiterreichen von Links und der Beleidigung des politischen Gegners. Vor allem der häufig platt beschimpfende Ton im Stil alkoholisierter JU-16-Jähriger demonstriert, dass hier jemand nicht verstanden hat, was möglich wäre: Beispiele:
Eine CSU-Meinung: SPD und Bildung: SPD und Bildung – naja, ich weiß nicht. SPD und gute B..
Poesie am Morgen: Die SPD in ihrer Not war gestern rosa, ist heute tot.„
Ja, Twitter scheint so einfach zu sein. Aber die einfachsten Dinge sind ja oft die schwersten.
Nachtrag vom 3.9.: Philip Schwab vom CDU-Blog hat mich gerade darauf hingewiesen, dass der Twitter-Feed nicht vom Blog ausgeht.
Kommentare
Chat Atkins 2. September 2008 um 12:17
Nun ja – wer spricht, gibt sich zu erkennen. Vermutlich sind die so ….
Christian S. 2. September 2008 um 12:27
Ja meine Güte, so ist sie halt, unsere konservative Elite. Wenn es die Spitzenvertreter vormachen und zu \“Kreuzzügen\“ aufrufen, dann darf es nicht wundern, wenn die Parteisoldaten folgen und in Kesselflickermanier keifen und schimpfen.
[Disclaimer: Ich bin SPD-Mitglied.]
houellebeck 2. September 2008 um 12:39
Tztz, da haben sie wahrscheinlich den einzigen Medienkompetenzling drangesetzt, der im Mitgliederverzeichnis zu finden war und der ist entweder…
…zwar nicht 16 sondern 26, hat kein Gefühl für Reimschemata und gehört vermutlich einer Verbindung an.
…oder aber ein Mittvierziger mit EDV-Schulung der den coolen Jugendslang aufopferungsvoll und netzbereit internalisiert hat. 😉
[Disclaimer: Ex-SPD Mitglied]
Rainersacht 2. September 2008 um 12:45
Ich verstehe nach wie vor nicht, weshalb ausgerechnet das amorphe Gestammel der Twitterei als Beispiel für interaktive Kommunikation und technologischen Optimismus herhalten muss. Diskutieren kann man auf dem Wege definitiv nicht – maximal blödeln. Genau das tun die C-Zwitscherer doch. Wo ist der Unterschied?
stk 2. September 2008 um 12:57
Rainersacht: Kommunikation waere halt, wenn man tatsaechlich in Dialog tritt, was Hubertus Heil eigentlich sogar relativ gut hinbekommen hat.
Was cducsu macht, ist Broadcasting mit gelegentlichem Aufgreifen von Twitter-Applaus. Weder Niveau- noch gehaltvoll (sofern Twitter ueberhaupt gehaltvoll sein kann)
[Full Disclosure: Zu keiner Zeit Parteimitglied gewesen, kennt aber den Unterschied zwischen Disclaimer und Disclosure ;)]
Christian S. 2. September 2008 um 13:07
[Full Disclosure: Zu keiner Zeit Parteimitglied gewesen, kennt aber den Unterschied zwischen Disclaimer und Disclosure ;)]
Touché!
Iris 2. September 2008 um 13:32
Die Macher von cdu-politik.de haben in meinen Augen eh einen unterirdischen Kommunikationsstil. Viele ihrer Kommentatoren (und angebliche CDU-Fans) entstammen unverkennbar dem Kommentarmob der Politisch-Inkontinenten. Und deren massenhafte fremdenfeindliche, islamophobe und schwulenfeindliche \’Diskussionsbeiträge\‘ wurden, nach meinen Beobachtungen, in der Vergangenheit zunächst von den Blogbetreibern von cdu-olitik.de kommentarlos geduldet und einige Zeit später klammheimlich wieder aus dem Archiv gelöscht (mutmaßlich um auf Dauer nicht zu viele braune Flecken auf der scheinbar weißen Weste zu belassen). Wenn sich in den Publikationen von cdu-politik.de die typische Haltung von CDU-Vertretern und/oder -Wählern offenbart, dann ist die CDU mittlerweile noch weiter nach rechtsaußen gerückt, als ich bislang angenommen hatte. Beziehungsweise in meinen Augen fahren diese selbernannten CDU-Blogger eine ganz linke Tour auf der rechten Spur. Eine einigermaßen ehrliche politische Auseinandersetzung sieht für mich jedenfalls ganz anders aus.
Daniela 2. September 2008 um 13:55
Ich als CDU-Mitglied finde diese cducsu-Tweets einfach unsagbar peinlich.
Aber wird ganz knapp geschlagen von dieser Brandschrift von Madame Iris direkt über mir, die anscheinend nicht mitbekommen hat, dass es solche Forentrolle auch in Juso/SPD-Foren gibt, nur eben in die andere Richtung extrem. Alles beides peinlich, aber vorhanden.
Durfte gerade wieder erleben, dass es gar nicht geht, politisch konservativ zu sein, aber in SPD-Foren linksradikalen Müll abzuladen ist natürlich nur \“jugendlicher Leichtsinn\“.
Wobei sich die Obama-Twitterei ja genau zwischen Heil und CDUCSU trifft – da gibts auch immer nur Links.
Iris 2. September 2008 um 14:23
@CDU-Mitglied Madame Daniela:
1. Was ich in welchen Foren mitbekomme oder nicht, darüber können sie sich kein Urteil erlauben, nur aufgrund meiner Schilderung der Beobachtungen in einem Diskussionsforum – nämlich cdu-politik.de. Und nur weil diese nach bestem Wissen wahrheitsgetreue Schilderung (für die ich bei Bedarf auch Zeugen benennen kann) Ihnen offenbar nicht passt, ist es noch lange keine \’Brandschrift\‘.
2. Mir ist natürlich bekannt, dass es auf offenen Diskussionsplattformen – speziell da, wo es um politisch brisante Themen geht – auch immer Forentrolle gibt. Allerdings werden die auf Diskussionsplattforen, die ich für seriös erachte, zeitnah von den Verantwortlichen unterbunden oder kommentiert und nicht erst widerspruchslos geduldet und dann Monate Später klammheimlich verschwinden gelassen. Halten Sie, als CDU-Mitglied, Letzteres etwa für einen seriösen und ehrlichen Kommunikationsstil?
Frau Feli 2. September 2008 um 17:56
Deutsche Politiker schaffen es nicht mal ein Profil (Social-Communities) im Internet zu erstellen. Nicht, um lustige Videos mit den Freunden hin- und herzuschicken, sondern um wenigstens Präsenz zu zeigen und zu informieren…
Schon mal Angie auf MySpace gefunden? John McCain ist da… Vielleicht ist das ein verrückter Zufall, vermutlich aber eher Alltag. Falsche Zielgruppe?! Pünktlich zu allen Wahlen, stellt man doch \’überraschend\‘ fest, dass ein Großteil der deutschen Jungend keine Ahnung und vor allem kein Interesse an dem politischen Geschehen hat.
Wie man online Politik kommuniziert, ist bei den Deutschen einfach noch nicht angekommen. Wenn das schon bei den einfachsten Möglichkeiten scheitert, wie soll es dann auf Twitter funktionieren?!
Trotzdem, allen Parteien weiterhin: Good Luck!
Erik 2. September 2008 um 18:05
Mensch, ich habe erst beim 2. lesen geschnallt, dass Du erwähntest, dass der Twitter-Account nicht von CDU und CSU kommt. Verwirrt ich bin.
Das schöne an Twitter ist ja, dass ich die Jungs ignorieren kann und Schluss ist. Selbst Google juckt das wenig, was da gezwitschert wird (denke nebenbei – gut ist das und der Grund weswegen so wenig SEOs da rumzappeln 😉
Jeeves 2. September 2008 um 18:44
Was ist eigentlich Twitter? Muss man das (den oder die) nun auch noch haben?
weltherrscher 2. September 2008 um 20:16
was regt ihr euch so auf?
(disclaimer: ich bin weltherrscher)
Tessa 2. September 2008 um 20:30
da sollte man doch annehmen, die parteien hätten genügend zeit gehabt um bis zum wahlkampf zu lernen, die chancen des internets gewinnbringend zu nutzen. die amerikaner machen es ja zur genüge vor, und das sogar höchst transparent. ich war noch im mai auf einer konrad-adenauer-konferenz zum wahlkampf der us-amerikaner, und selbst wenn dort fast ausschließlich republikaner zu gast waren, sammelte sich eine vielzahl von vertretern aller parteien dort und sog die mannigfachen infos in sich auf, vor allem zum wahlkampf im netz. hoffentlich haben sie die ausdrücklichen hinweise, dass die kaum eins zu eins auf deutschland zu übertragen sei, verstanden. die meisten verstanden die englischen witze nämlich kaum, die besonders zum thema negative campaigning zahlreich waren.
und die diffamierende art, die der twitter-feed gerade auf gabriele pauli anwendet, schadet keinesfalls ihr, sondern nur der partei. blogger und menschen, die das internet \“verstanden\“ haben, werden doch von unternehmen derzeit wie verrückt eingekauft, warum nicht bei den parteien? wenn das die basis aus den ortsverbänden macht, dann aber herzlichen glückwunsch. zu wissen, was ein blog, was twitter oder eine community ist reicht eben nicht, der einstieg ins netz scheint aber eben so oberflächlich zu bleiben wie raffinesse, authentizität und glaubwürdigkeit jedes wahlkampfes.
Thomas Knüwer 3. September 2008 um 13:51
Philip Schwab vom CDU-Blog hat mich gerade darauf hingewiesen, dass der Twitter-Feed nicht vom Blog ausgeht.
CSU-Basis 15. September 2008 um 21:00
Sorry, habe 2 und 3 verwechselt.