Heute morgen wurden die Nominierungen für die Grimme Online Awards bekannt gegeben. Leider ist es eine recht mutlose Auswahl. Vielleicht ist man beim Adolf-Grimme-Institut immer noch ein wenig angesäuert. Im vergangenen Jahr gab es reichlich Prügel aus der Weblog-Szene, als die Preisträger durch einen technischen Fehler zu früh veröffentlicht wurden und dann auch noch der Vorwurf der Mauschelei aufkam.
Das Jahr eins nach dem Hurricane fällt ruhig aus. Die Nominierungen bewegen sich zwischen erwartetem und Kann-man-nicht-böse-drüber-sein. Richtig dicke Überraschungen, Angebote, die mich staunen lassen, vermisse ich.
Aber im Detail…
Kategorie Information
– Geo-Schwerpunkt Raja Ampat: Schon einmal hat „Geo“ eine ähnliche Online-Reportage gemacht. Sie ist hübsch, ohne Frage. Und in Deutschland sehe ich auch niemand, der ein Thema auf diesem multimedialen Niveau abarbeitet. Trotzdem aber finde ich den Aufbau zu statisch. Die Nominierung aber ist ohne Frage gerechtfertigt.
– Graumarktinfo: Die Anlegerseite von „Börse Online“ ist gut gemacht, ob sie inhaltlich das hält, kann ich nicht beurteilen.
– Störungsmelder: Ein Anti-Nazi-Blog, gut aufgesetzt und optisch attraktiv.
– Netzpolitik: Den Preis hat sich das Team nach den vergangenen Monaten der Berichterstattung über Online-Durchsuchung & Co. wirklich verdient.
Kategorie Wissen & Bildung:
– Einestages: Die Spiegel-Version der Zeitleisten-Startups, die seit Monaten zwar angekündigt werden, aber irgendwie nicht abheben. Die Spiegel-Version ist die redaktionelle Variante, die mutmaßlich durch eifrige Verlinkung viel gelesen wird – aber sonderlich viele Leserartikel kann ich nicht ausmachen.
– Kinder-Reiseführer: Wie erfolgreich muss ein Grimme-Nominierter sein? Diese Frage sollte sich das Institut einmal stellen. Denn wenn ich das richtig steht dieser Reiseführer noch ganz am Anfang. Es gibt kaum Einträge, und wenn es welche gibt, sind die so kurz, dass selbst Kinder sich geistig unterfordert fühlen dürften. Eventuell geht da eine Idee am Bedarf vorbei?
– WDR Neuneinhalb: Auch beim Online-Preis muss das Grimme-Institut natürlich seine öffentlich-rechtliche Quote erfüllen. Neuneinhalb ist eine Nachrichtensendung für Kinder und dies ist ihr Online-Auftritt. Ich persönlich finde die dort zu lesenden Nachrichten aber schlecht geschrieben. Zusammenhänge werden holprig und unzureichend beschrieben.
– WDR Weltreligionen: Eigentlich eine spannende Idee – eine Seite, die aktuell über die großen Religionen der Welt informiert. Nach einer optisch schönen Startseite aber verliert sich das Angebot im müden WDR-Layout, zum Islam gibt es aktuelle Meldungen, zu anderen Religionen nicht. Chance vertan.
– Zeitzeugengeschichten: Jugendliche interviewen Zeitzeugen der Geschichte – klasse. Gern aber würde ich diese Zeitzeugen auch im Bild sehen. Und der Aufbau der Seite könnte etwas logischer sein.
– Kids Hotline: Auf den ersten Blick sieht diese Beratungsstelle für Jugendliche wirklich gut aus. Sollte das tatsächlich so funktionieren wäre das mein persönlicher Preisträger.
Kategorie Kultur & Unterhaltung
– FAZ.de Reading Room: Ja, das sieht hübsch aus. Aber sehe ich es richtig, dass die Beteiligung der Leser hart gegen Null geht? Oder bin ich zu dumm die Flut von Einträgen zu finden?
– Literatuport: Der Hafen für Literatur sieht bei meinem Browser eher aus wie ein bröckliger Deich nach der Sturmflut. Und inhaltlich gibt’s auch nicht überragend viel Substanz.
– Roots & Routes TV: Ein Jugend-Integrationsprojekt mit Videos und Texten – ordentlich umgesetzt.
– Undertube: Musikkritik und -interview in der U-Bahn – eine simple Idee klasse umgesetzt – mein Preiskandidat.
Kategorie Spezial:
– Hobnox: Auch wenn die Bildqualität exzellent ist – ich kann mit der Videos-und-Musik-und-irgendwie-machen-wir-alles-Seite weiter nichts anfangen.
– Sandra Schadek: Wenn eine schwer erkrankte Person über ihre Krankheit im Internet schreibt, ist jeder Kritiker auf verlorenem Posten. Und doch möchte ich darauf hinweisen, dass ich die Seite technisch nicht sonderlich gelungen und die Texte extrem schwer lesbar finde.
– ZDF Mediathek: Das ZDF stellt seine Sendungen auf einer soliden technischen Basis ins Internet. Das ist in Deutschland wahrscheinlich schon so revolutionär, dass man dafür einen Preis vergibt. Ihre Qualität und Bescheidenheit demonstriert die Redaktion von „Heute“ dann auch gleich damit, dass sie die ersten 20 von 100 Sekunden der Mediathek-Nachrichtenzusammenfassung „100 Sekunden“ auf die Grimme-Nominierung verwendet.
Die Preise werden dann am 11. Juni in Köln verliehen.
Nachtrag: Ich hatte gestern noch einen Disclaimer vergessen. Oder besser zwei. Ich wurde vom Grimme-Institut zusammen mit einer Reihe anderer Menschen zu einer Diskussion eingeladen, in der wir über bessere Vorgehensweisen im Rahmen des Preises diskutiert haben. Zum anderen habe ich gegen Honorar einen Beitrag für die Broschüre verfasst, die den Award begleiten wird.
Kommentare
Frank Joster 8. Mai 2008 um 19:19
Ähm, wen interessieren die Nominierten, wenn dann doch jemand aus der Jury nachnominiert wird? Also, welche Kumpels sitzen diesmal in der Jury?
stefan niggemeier 8. Mai 2008 um 20:08
\“Auch beim Online-Preis muss das Grimme-Institut natürlich seine öffentlich-rechtliche Quote erfüllen.\“
Wieso \“auch\“? Und was soll das überhaupt heißen? (Übrigens läge die Quote dann in diesem Fall, wenn ich\’s richtig gerechnet habe, bei sensationellen 18 Prozent. Man, die haben Nerven bei Grimmes, nur läppische 82 Prozent der Nominierungen nicht an Öffentlich-Rechtliche Angebote zu geben. Oder ist das schon bedenklich, dass Grimme überhaupt Angebote von ARD und ZDF berücksichtigt?)
hape 8. Mai 2008 um 21:01
\“Oder ist das schon bedenklich, dass Grimme überhaupt Angebote von ARD und ZDF berücksichtigt?\“ Yepp, das ist so als ob man Kanonen mit Spatzen vergleicht – die einen schießen Gebühren raus, die andern müssen sich ihr Geld für den Internetauftritt selbst zusammenpicken.
stefan niggemeier 8. Mai 2008 um 22:51
Die \“schießen Gebühren raus\“? Die sollen aus unseren Gebühren gute Angebote machen, dafür bekommen sie die. Und wenn sie das tatsächlich machen, dürfen sie dafür nicht ausgezeichnet werden? Hilfeee.
Alexander 9. Mai 2008 um 0:48
Ein Fehler zieht sich leider durch den gesamten Blogeintrag: Grimme-Institut ≠ Grimme-Online-Award-Nominierungskommission. Die Angebote werden nominiert von der Nominierungskommission, der dementsprechend wahlweise Prügel und Lob gebühren. (Kanonen und Spatzen zu vergleichen ist wie mit Äpfeln auf Orangen zu schießen, aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung. )
hape 9. Mai 2008 um 7:13
\“Die sollen aus unseren Gebühren gute Angebote machen, dafür bekommen sie die.\“ Wenn sie ja doch nur tun, was ihre verdammte Pflicht ist, warum sollen sie dafür noch einen Preis bekommen? Und da ja erst jetzt festgezurrt wird, was die Sender im Internet dürfen, könnte es sein, dass ein Teil der preiswürdigen Angebote von \“herausgeschossenen\“ Gebühren lebt.
Thomas Knüwer 9. Mai 2008 um 7:50
Nach einer Nacht drüber schlafen, ist mir eines aufgefallen. Mir scheinen erstaunlich viele der Angebot lieblos oder fehlerbehaftet programmiert zu sein. Ist das nur mein Eindruck? Ist es ein deutsches Problem?
peter 9. Mai 2008 um 8:48
ich finds langweilig. langweilige awards. gähn.
Endre Tot 9. Mai 2008 um 8:48
Hm, beim ersten \“Drüberblicken\“ finde ich auch keines der Angebote sonderlich packend, neu, interessant. Allesamt solide, aber – wie so oft in der deutschen Medienlandschaf – fehlt mir das richtig Innovative – schade.
Ohnehin habe ich den Eindruck, dass je größer die Bedrohung von außen, d.h. durch das Internet, desto mehr feiern sich die Medien und ihre Macher selber. Statt sich zu öffnen wird abgeschottet, aber das gehört hier wohl nicht hin … ich weiß …
harburger zwerge 9. Mai 2008 um 10:56
Hallo Herr Klüver,
ja bitt´schön … was erwartens denn von einer staatsknetisch-subventionierten Einrichtung wie \“Grimme\“ – das hieß damals, lang, lang ist´s her, im Lateinunterricht: cuius regio, eius religio, auf Schlichtdeutsch zum Rauskopiern: Wes Brot ich freß, des´ Lied ich sing …
Netzgruß;-)
Harburger Zwerge
Rainersacht 9. Mai 2008 um 10:58
@hape: \“…die andern müssen sich ihr Geld für den Internetauftritt selbst zusammenpicken.\“ Ein bescheurteres Argument im Scheingefecht zwischen ÖR-Webaktivitäten und Prono-Community-Werbehorror-Internet habe ich noch nie gelesen.
harburger zwerge 9. Mai 2008 um 11:53
KNÜWER …,
\“Klüver\“ warn lapsus linguae;-),
Entschuldigung, Gruß HZ
hape 9. Mai 2008 um 12:26
@rainersacht: Es gibt noch was anderes im Internet als kommerzielle Webseiten! Das Scheingefecht seh ich eher in der Hinsicht, dass so getan wird, als ob es im Netz auch nur ein duales System gäbe.
dummyblogger 9. Mai 2008 um 13:06
Thomas, wenn schon Englisch, dann \“Disclosure\“, nicht \“Disclaimer\“.
Thomas Knüwer 9. Mai 2008 um 13:55
In Klein-Bloggersdorf sagt man aber meist eher Disclaimer.
peter 9. Mai 2008 um 13:56
man könnte die nominierten seiten auch einfach gegen andere austauschen, es würde niemand merken. da ist einfach nichts dabei, was sofort ins auge fällt, bzw wo man sofort sagt \“wow, das ist was neues/tolles/etc\“
sieht alles so standartmäßig aus.
SPONTI 9. Mai 2008 um 14:19
Niggemeier ? Ist das nicht der Typ vom \“perlentaucher\“-Mittag, der kürzlich zum \“SUPER-GAU\“ was abließ ? Warum brigt der Typ nicht erst sich, dann seine Denke und wenn das geklappt hat seine Schreibe ins Lot – bevor der Typ sich hier ausläßt ? Von wegen SUPER-GAU … weiß denn der Typ nicht, daß GAU als g.a.U. definiert ist, folglich nicht steigerbar ?
Soll \“Abstinken\“ (Heinrich Mann), der Typ.
Am besten heute noch.
SPONTI
stefan niggemeier 9. Mai 2008 um 16:30
@Thomas: Du bleibst dabei, dass Grimme-Preise eine öffentlich-rechtliche Quote erfüllen müssen? Im Ernst?
(Und weiß jemand, was der Herr Sponti meint oder mit wem er mich verwechselt?)
weltherrscher 9. Mai 2008 um 17:00
mal gucken, wer aus der jury dieses jahr einen preis gewinnt?
von daher: irgendeinen unterhaltungswert hat goa ja.
Kein Journalist 9. Mai 2008 um 17:05
In Klein-Bloggersdorf sagt man aber meist eher Disclaimer.
nur schade, wenn man kein blogger ist, sondern journalist.
Thomas Knüwer 9. Mai 2008 um 18:06
@Stefan Niggemeier: Es ist eine gefühlte Quotenerfüllung, das war halb-ironisch gemeint. Aber man steht sich halt nahe…
peter 9. Mai 2008 um 18:28
@SPONTI die defintion \“super-gau\“ gibt es sehr wohl.
Franktireur 9. Mai 2008 um 19:04
Dieses Jahr werde ich zu Grimmes Märchen erst gar nix schreiben, lohnt nicht. Ist eh ein überflüssiger Verein. Die Kohle für den Broschürenbeitrag gönne ich dir allerdings trotzdem 😉
moti 9. Mai 2008 um 21:00
\“Ein bescheurteres Argument im Scheingefecht zwischen ÖR-Webaktivitäten und Prono-Community-Werbehorror-Internet habe ich noch nie gelesen.\“
@rainersacht: aha, da wird dem privatfinanzierten internet wieder mal vorgeworfen, geld für seine existenz zu verdienen.
ich kann dir sagen, publisher würden auf werbung verzichten, wenn sie es könnten.
ein subventioniertes web kostet die volkswirtschaft im endeffekt mehr, als es bringt.
Jean Stubenzweig 10. Mai 2008 um 10:35
@ Kein Journalist: «In Klein-Bloggersdorf sagt man aber meist eher Disclaimer.»
Man muß etwas nur lange genug falsch schreiben, bis eines Tages die Kleinbloggersdorfer Rechtschreibreform daherkommt und es ein für alle Male rechtsgültig richtigstellt.
Kein Jounalist 11. Mai 2008 um 0:16
@jean: lesen hilft – ich habe nur zitiert. demnächst: artikel lesen, kommentare dazu, ganz wichtig: alles verstehen. dann kann man vielleicht klugscheißen und blamiert man sich nicht so wie hier.
Matthias Schrade 13. Mai 2008 um 23:46
Disclaimer = Haftungsausschlus
Disclosure = Enthüllung, Offenlegung (hier: von möglichen Interessenkonflikten)
Also ich finde schon, dass man diese Begriffe korrekt verwenden sollte, selbst wenn sie oft verwechselt werden. Vielleicht bin ich da etwas *penetrant*, aber nur weil die Mehrzahl der anderen in der *Ornithologie* den immer gleichen Fehler machen, schließt man sich doch nicht der falsch schreibenden *Majestät* an.
OK, das in ** sind vielleicht nicht gerade die gängigsten falsch verwendeten Fremdwörter, aber vielleicht verdeutlicht es trotzdem, wo man so irgendwann hinkomen könnte 😉
DerDuesseldorfer 15. Mai 2008 um 15:48
Nachdem hier nun viel kommentiert wurde, ob es Disclaimer oder Disclosure heißt (Thema mal wieder verfehlt – 6) und es ursprünglich mal in dem Artikel um die vermutete Belanglosigkeit der nominierten Angebote ging, würde es mich interessieren, welche Angebote Eurer Meinung nach denn derzeit die Burner, die \“dicken Überraschungen\“ und \“Staun\“-Angebote sind.
Und ob die unter den 1.900 von uns Internet-Nutzern vorgeschlagenen Websites waren. Wenn Nein, warum habt Ihr sie nicht vorgeschlagen? Denn dann und nur dann war es die Nominierungskommission, die Euer Lieblingsangebot aussortiert hat. Sonst wart ihr es, durch Untätigkeit.
dummyblogger 15. Mai 2008 um 22:31
Eine Offenlegung ist kein \“Disclaimer\“, wie gesagt, Matthias Schrade hat\’s ja nochmal gesagt. Diesen Stuss muss man ja in der Tat ständig in deutschsprachigen Blogs lesen.
Irritierend finde ich dann aber, was ich hier eine Woche nach dem Kommentar lese: Dass Du Dich allen Ernstes auf diese Verwendung unter Bloggern berufst und das dann im Text so stehen lässt. Ist mir unbegreiflich.