Die schlimmste Nachricht für die Zukunft deutscher Medienhäuser kam aus den USA: Das „Wall Street Journal“ wird auch künftig Teile seines Inhalts im Netz verkaufen. Warum das so fürchterlich ist? Weil es für deutsche Medienmanager das Signal sein könnte, einfach weiterzuwurschteln. Zugegeben: Es ist eine dicke Überraschung. Das „Wall Street Journal“ wird nicht seine kompletten Inhalte im Internet freigeben, auch weiterhin soll es einen Abo-Bereich geben.
Das ist einerseits aus Sicht des „WSJ“ die strategisch richtige Entscheidung. Andererseits steht zu befürchten, dass auf deutschen Branchentreffs nun wieder ein Götze namens Paid Content angebetet wird.
Was fehlt ist die Trennschärfe. Inhalte sind nicht gleich Inhalte. Das aber haben die klassischen Medien in Deutschland nie so recht begriffen. Das „WSJ“ kann Geld verlangen, weil es in Teilen hochspezielle, tief recherchierte Informationen bieten kann, die es anderenorts sonst kaum gibt. Dafür gibt es eine Zahlungsbereitschaft. Kein Zahlungsbereitschaft gibt es dagegen für umgeschriebene Nachrichtenagentur-Artikel, wie sie die Web-Angebote der großen Medienhäuser dominieren.
Leider aber haben die Entscheider in Deutschland diese beiden Kategorien immer vermischt. Und sie sehen auch keinen Markt dazwischen. So entsteht eine Gaga-Bepreisung in den einschlägigen Datenbanken. Für einzelne Artikel wird teilweise so viel Geld verlangt wie für die Zeitung oder das Magazin, in dem sie standen – und das manchmal Jahre nach der Veröffentlichung.
Spiegel Online hat sich schon dem angenähert, was ich für die richtige Gangart halte. Dort gibt es einzelne Artikel für 50 Cent, Dossiers für zwei Euro. Ich glaube, diese Schere ließe sich sogar noch ein Stück weiter öffnen, die Artikel könnten günstiger, die Dossiers teurer werden.
Leider aber sehen die Medienmanager diese Differenzierung nicht. Für sie gibt es keine Qualitätsunterschiede, es gibt nur Artikellängen. Sie erkennen nicht, dass für die Produktion von Inhalten, die sich für mehr als ein paar Cent verkaufen lassen, mehr Redaktion nötig ist, mehr Aufwand getrieben werden muss.
Diese Haltung zeigt sich auch in der steigenden Einmischung der kaufmännischen Seite bei Online-Angeboten. Ich kenne derzeit ein paar Online-Redaktionsleiter, die sich fast schon entmachtet fühlen, geht es um die Strategie – weil Geschäftsführer glauben, die besseren Journalisten zu sein. Einige von ihnen werden die „WSJ“-Entscheidung ohne Nachdenken aufgreifen und verkünden, dass wieder Geld mit Inhalt zu verdienen ist: „Schafft das „Wall Street Journal“ doch auch.“
Kommentare
mensaessen3 29. Januar 2008 um 17:48
Deshalb verdient neben dem Spiegel eigentlich auch nur die Stiftung Warentest in Deutschland mit redaktionellen Inhalten echtes Geld (mal ganz grob vereinfacht).
Ich frage mich, ob die Leute wohl für richtig gute lokale Inhalte zahlen würden (von irgendwas müssen die Journalisten ja auch leben, nur Werbung kanns ja auch nicht sein).
Erik 29. Januar 2008 um 18:06
Nu mal ma nicht so schwarz Thomas. Das ist doch eine gute Nachricht. Freilich nur für die, die auch was zu bieten haben, aber ein paar davon gibt es ja.
Case 29. Januar 2008 um 19:53
Überlassen wir die Entscheidung doch dem Markt.. Soweit ich weiß, verkaufen sich die überteuerten, durchaus jahrelang zurückliegende Texte nicht wirklich gut. Nutzwertige, gut zu gebrauchende Artikel dagegen schon, wie ja mein Vorredner ja auch schon sagte….schlechte Hefte und Zeitungen verkaufen sich irgendwann auch nicht mehr. Ich glaube an den Leser und Marktentscheider, der die richtigen Entscheidungen trifft.
Michael Finkenthei 29. Januar 2008 um 21:44
Ist dem wirklich so, dass der Spiegel online mit content wirklich Geld verdient? Meine Kenntnis war bisher, dass es da nicht so gut lief, aber die mag ja veraltet sein. Bisher fühlte ich mich von Clickstrecken wie bei \“einestages\“ eher bestätigt – da steht die Werbung noch arg im Vordergrund.
Vielleicht mag sich ja hier mal jemand, der kompetenter ist als ich, dazu äußern. Mitzulesen scheinen einige davon.
mensaessen3 29. Januar 2008 um 22:02
Das mit dem \“echten Geld\“ bezog sich auch eher darauf, dass was reinkommt, das erwähnenswert wäre – da habe ich mich vielleicht unklar ausgedrückt – genaue Zahlen beim Spiegel kenne ich auch nicht.
ths 30. Januar 2008 um 7:53
bei \“einestages\“ nervt wirklich, daß man erst nach dem dritten Panel zum Inhalt kommt und vorher \“noch\’n Teaser\“. Mit Adblockern ist aber das Ziel schmerzfrei erreichbar.
Doof eigentlich nur, daß im CSS so schmale Spalten definiert sind. Da macht das Lesen auch nicht viel Spaß. Viel ist nicht mehr übrig von der Kernidee des HTML, daß der Leser Herr über das Layout ist. HTML ist ja eigentlich eine \“inhaltliche\“ Auszeichnungssprache, keine visuelle.
Stan 30. Januar 2008 um 9:13
Bei den Preisen und dem Packaging stimme ich zu, aber Ihre andere Einschätzung leidet meiner Meinung nach auch etwas an \“Trennschärfe\“. Paid Content war bei den deutschen Onlinemedien ursprünglich das, was \“im Blatt\“ stand. Also vor allem Artikel, die \“tief recherchierte Informationen\“ bieten (sollten). Für die Meldungen aus dem Online-Tagesgeschäft (=Agenturen) hat meines Wissens nach noch niemand Geld verlangt.
HolleSonnenberg 31. Januar 2008 um 20:22
Bliebe vielleicht zu erwähnen das es beim Heise Kiosk nahezu alle Artikel ebenfalls seit Jahren (meines Wissen nach für 50 Cent) zu kaufen gibt. Und mit Telepolis gibt es sogar ausführliche Redaktionsarbeit zum Nulltarif.