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Sollten Sie, lieber Leser, bei einer Landesmedienanstalt arbeiten, oder bei einem Unternehmen, das mit TV-Rechten handelt – dann holen Sie jetzt bitte mal Riechsalz für Ihren Chef. Sollten Sie selbst der Chef sein: Lassen Sie Riechsalz herbeiholen. Denn das folgende könnte Sie ohnmächtig hinterlassen. Morgen, in aller Frühe, werde ich gen Phoenix, Arizona, fliegen. Dort steigt am kommenden Sonntag das größte eintägige Sportereignis der Welt, der Super Bowl, für den ich akkreditiert bin.

Wie schon im vergangenen Jahr werde ich wieder von dort berichten und versuchen einen Einblick hinter die Kulissen zu liefern. Während des Spiels gibt es für die Nachteulen und Football-Fans ein Live-Blogging.

Videos wird es auch wieder geben. Und: Ich werde einen Dienst testen, den mir Jason Calacanis in München am Rande der DLD-Konferenz zeigte. Wie damals bei Mogulus habe ich nicht geglaubt, dass er so einfach funktionieren soll. Doch, tut er, sogar noch einfacher als bei Mogulus.

Wovon ich schreibe? Von dem hier:

Qik ist ein Live-Streaming-Anbieter für Handys. Wer sich anmeldet, muss nur noch die Software auf dem Telefon installieren und starten. Ist er über UMTS oder Wlan online sendet er mit einer Verzögerung (je nach gewählter Qualität und Verbindung) von drei bis 25 Sekunden. Und er liest im Display, was andere über die Qik-Plattform ihm zuchatten. Ist die Übertragung beendet, bleibt das Video im Netz erhalten.

Wie man von den Übertragungen erfährt? Qik informiert die Kontakte, die man bei Seesmic (dort habe ich erst jetzt einen Account bekommen) hat und sendet automatisch eine Botschaft über den Kurznachrichtendienst Twitter. Wer also live dabei sein möchte, der sollte einfach mal hier reinschauen.

Die Qualität? Nicht übel. Aber es gilt zu bedenken: Qik sieht sich selbst noch im Alpha-Stadium, also in der ganz frühen Entwicklungsphase. Trotzdem funktioniert das ganze schon bemerkenswert gut.

Einerseits ist Qik damit eine logische Weiterentwicklung und ein herrliches Spielzeug. Andererseits ein Albtraum. Nun kann tatsächlich jeder gefilmt werden. Und schon das Verhalten von US-Blogger Robert Scoble während des World Economic Forum in Davos war eigentlich nicht akzeptabel: Menschen zu überfallen mit gezücktem Handy und den Worten „Sie sind jetzt live im Internet“ ist eine Unverschämtheit. Als Entschuldigung kann nur gelten, dass sich mancher der hohen Herren vielleicht dann mal Gedanken macht über Technik.

Gedanken über TV-Rechte müssen sich ab jetzt alle machen, die mit solchen handeln. Nun ist die Übertragung eines ganzen Fußballspiels über Handy möglich. Niemand würde deshalb aufhören, Premiere zu abonnieren – doch die Qualität steht ja erst am Anfang. Qik ist ein weiter Rammbock, der gegen die Burg der klassischen Medien wummert.

Wer glaubt, diese Entwicklung aufhalten zu können, der arbeitet entweder bei einer Landesmedienanstalt oder ist anderweitig gescheuklappt. Es gibt kein Zurück mehr. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft uns Gedanken darüber machen, wie wir den Schwung dieser Dienste zum Wohle aller nutzen. Wegsperren können wir Qik und Mogulus & Co. nämlich nicht.


Kommentare


Erik 30. Januar 2008 um 17:47

Na dann wünsche ich viel Spaß, und uns auch bei der Frage, wem gehört er eigentlich, der Sport?

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Jens 30. Januar 2008 um 19:04

Nachher gibt es dann nicht nur Metalldetektoren sondern auch Handydetektoren. 😉

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Daniel Große 30. Januar 2008 um 19:16

Funktioniert aber offenbar laut deren Liste erstmal nur mit Nokia-Handys. Oder ist die Liste nur unvollständig? Und UMTS sollte man haben, vermute ich?

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Jens 30. Januar 2008 um 19:21

Kurznachrichtendienst Twitter? Was zur Hölle? Das sind doch alles proprietäre Dienste, die eh keiner kennt, oder sehe ich das falsch?

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silentdan 30. Januar 2008 um 19:33

Neid!

Das ist doch mal ein Traumjob …

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jau 30. Januar 2008 um 20:03

ZU blöd, dass es das bei den G8 Demos noch nicht gab (wär sicher für nen halbwegs fähigen Nutzer kein Problem gewesen**). Die Berichterstattung wäre ab einem gewissen Bekanntheitsgrad sicher anders ausgefallen, z.B. die Fehler im SPON-Newsticker wären schneller offensichtlich gewesen.
Allgemein freue ich mich auf eine ab sofort verbesserte Öffentlichkeit von Demonstrationen. Vielleicht kann man auch den virtuellen Mitdemonstranten einführen, der sich einloggt und online mitgeht. 🙂

**mal angedacht, die OpenSource-Variante:
Kamerasoftware und Internetstreaming gibt es: Movino. Wie gut? Keine Ahnung.
Das Video geht dann nach Hause oder an gemieteten Server, wo es über Peercast der Welt zugänglich gemacht wird.
Vorteil: funktioniert auch ohne Qik, ist zensurresistent.
Nachteil(?): \“Community\“ nur per anderem Dienst (Blog), Kommentare ebenso (z.B. IRC oder Jabber)

Also ich revidiere meine Aussage: Die Möglichkeit des Handyvideostreamings besteht schon länger, mindestens seit Mai 07, und schade, dass mein Handy keine Kamera hat.

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Onyro 30. Januar 2008 um 20:34

Viel Spaß beim Superbowl, ich werde entweder bei der ARD oder wie bei den Conference Finals bei den Leuten mit Ahnung von Football aber öden Bumpern in den Werbepausen (NASN) zuschauen. Schade dass es Green Bay nicht geschafft hat, das hätte mir mehr gefallen als New York und die werden auch kaum eine Chance haben New England zu stoppen (obwohl sich das viele Amis wünschen weil sie die Patriots vor lauter Perfektion und Trickserei nicht mehr sehen können).

Was Scoble in Davos angeht stimme ich vollkommen zu, auch wenn man ihm eine gewisse Naivität im Umgang mit diesen Möglichkeiten ansieht und verzeihen mag. Die Verbindung aus Handykamera und Videostreaming ist ein tolles Spielzeug und ihm ist ein schöner Blick hinter die \“Kulissen der Macht\“ gelungen (in sehr wackeligen Bildern), aber bestimmt nicht zur Freude seiner meisten Gesprächspartner. Die haben wohl eher WTF gedacht, und hinterher zu ihren Kollegen gesagt \“You know what, Davos has really jumped the shark. Let\’s meet at TED or something more classy next year\“.

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stk 30. Januar 2008 um 20:50

Wow, ich bin begeistert! Gibt es so etwas eigentlich nur fuer Symbian-Telefone oder koennen da irgendwann auch einmal Windows-Mobile-User mitmischen? Man stelle sich die Moeglichkeiten vor, irgendwann[tm] mit kompakter HD-Kamera und angeschlossenem PDA ueber WLAN/UMTS… *fabulier*

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Nico 30. Januar 2008 um 23:44

die roamingkosten dürften recht interessant sein beim livestreaming via qik vom superbowl 🙂

für germanische User gibt es übrigens auch http://www.viif.de – dort wird das aufnehmen per videocall gemacht, allerdings noch kein livestreaming IIRC.

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franziska 31. Januar 2008 um 0:26

Tolltolltoll.

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Andreas F. 31. Januar 2008 um 13:48

Zitat \“Gedanken über TV-Rechte müssen sich ab jetzt alle machen, die mit solchen handeln.\“

Ich denke, die Gedanken über Bildrechte sollten sich auch die machen, die sie verletzen könnten.

Es ist zwar schön, wenn man jetzt per Handy-Video ins Internet Livestreamen kann, ein toller technischer Fortschritt.

Aber die rechtliche Situation ändert sich dadurch ja nicht. Beispiel: Es ist technisch ganz einfach die Bilder anderer Websites zu nutzen und auf die eigenen Seiten zu stellen. Trotzdem wird man von denen abgemahnt, deren Urheber bzw. Verwertungsrechte man verletzt.

Auch muss man dazu doch nicht in die USA fahren. Mach doch mal eine Liveübertragung eines kompletten (Fussball-)Bundesligaspiels über Quiek und lass dann die rechtliche Situation (durch ein Gericht) klären, wenn Du glaubst, sie hat sich durch Quiek wesentlich geändert.

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Lars 31. Januar 2008 um 15:50

Für eine mobile Anwendung ist die Software ganz nett, aber ich bin eher neidisch darauf dass ich nicht vor Ort bin. Ich muss mir leider das Spiel im TV (ohne Zeitverzögerung) ansehen. Auf den Blick hinter die Kulissen kann ich während der Spielzeit verzichten. ;-))

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Martin O. 31. Januar 2008 um 23:14

Wenn ich daran danke, dass Du live dabei bist, wenn die Patriots vielleicht Geschichte schreiben werden – eine 19-0 perfect season – da bin ich echt neidisch, muss ich zugeben.
Viel Spaß dabei!

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Weltenweiser 1. Februar 2008 um 9:47

Superbowl? War das nicht die Werbesendung mit diesen kurzen unschönen Sportunterbrechungen?

Die Technik ist interessant.

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Weltenweiser 1. Februar 2008 um 10:25

Da der Trackback nicht will, ich hab die Gedanken aufgegriffen und auch was dazu geschrieben, was weniger positiv ausfällt:

http://weltenweiser.blog.de/2008/02/01/schone_neue_handywelt~3663314

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Hans 2. Februar 2008 um 16:00

Andreas F.: Das ein reines Zurückziehen auf den \“das ist doch illegal\“-Standpunkt nicht weiterhilft, hat die Musikindustrie schon schmerzhaft erkannt.

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Thomas 3. Februar 2008 um 19:49

Ich finde Qik genial. Dennoch sehe ich nicht, wieso es die Fernsehsender in Bedrängnis bringen sollte. Dreht mir Qik etwa Serien wie \“Lost\“ oder \“24\“? Oder finanziert es mir eine teure Dokumentation oder Reportage? Nein. Man kann natürlich sagen: \“Noch nicht, aber wart mal ab\“. Ich würde Qik aber eher als ein Tor hin zu neuen Möglichkeiten sehen, die nicht zwingend alte Broadcaster ins Schwitzen bringen muss. Und was bei der Mehrheit der neuen Dienste noch zu bedenken ist: Sie sind möglich, weil jemand eine Menge Geld investiert und erst einmal nicht danach fragt, wieviel Geld da verloren geht. In einem wie auch immer gearteten Regelbetrieb müssen all die tollen Ideen letztendlich auch eine solide Basis haben. Und das wird schwierig. Dennoch: Freu mich über die Berichterstattung hier. Anschauen werde ich mir den Superbowl dann aber doch eben (noch?) im klassichen Fernsehen 🙂

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Markus Goebel 9. März 2008 um 17:10

An den Versionen von Qik für UIQ und Windows Mobile von Qik wird noch gearbeitet, sagte mir der Mitgründer Bhaskar Roy neulich auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Auch einen Java-Client soll es bald geben, damit Qik auf fast allen Kamera-Handys läuft. Den größten Teil dieser Arbeit erledigt eine Handvoll russischer Programmierer in Moskau.

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