Manager von Endverbraucher-orientierten Unternehmen sollten vielleicht schon mal Fortbildungen buchen. In Japan. Oder wenigstens einen Urlaub. Aber eben in Japan. Ist doch nirgends die entschuldigende Verbeugung so perfektioniert worden. Und es könnte sein, dass sie die sehr bald gut brauchen können – in aller Öffentlichkeit. Denn bald soll auf Deutschland zukommen, was in den USA schon existiert: ein moderiertes Weblog mit Konsumentenkritik. Zumindest plant Robert Basic vom Weblog Basic Thinking etwas, das unter Das-war-nicht.net erscheinen soll. Nun ist Robert ein furchtbar netter Mensch, aber – er wird mir diese Kritik hoffentlich verzeihen – er ist nicht für tiefe Recherche bekannt. Und deshalb wird es spannend werden, ob sein Projekt solch einen Stellenwert erreicht wie das US-Vorbild The Consumerist (hübscher Untertitel: „Shoppers bite back“), das laut Sitemeter auf 240.000 Visits pro Tag kommt.
Wie das geht mit der Entschuldigungsverbeugung können sich die germanischen Manager dann abschauen bei Edgar Bronfman, dem Chef des Musikkonzerns Warner. „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“, heißt es ja gemeinhin. Sollte das stimmen, hat jemand Bronfman jüngst eine Baseballkeule über den Schädel gezogen.
Auf der Mobilfunk-Konferenz GSMA Mobile Asia in Macau kroch er zu Kreuze und gab zu, dass die Musikindustrie mit ihrer ständigen Drangsalierung der Verbraucher falsch liegt:
„We used to fool ourselves. We used to think our content was perfect just exactly as it was. We expected our business would remain blissfully unaffected even as the world of interactivity, constant connection and file sharing was exploding. And of course we were wrong. How were we wrong? By standing still or moving at a glacial pace, we inadvertently went to war with consumers by denying them what they wanted and could otherwise find and as a result of course, consumers won.“
Leider nutzt er diese Einsicht vor allem, um für leichteren Musikkauf über Handy & Co. zu werben – aber immerhin, es ist ein erster Schritt der Erkenntnis, und noch dazu kein kleiner.
Vielleicht erkennt das auch die deutsche Musikbranche und deren Helfershelfer, die Polizei. Die nämlich gibt beschlagnahmte Rechner mit mutmaßlichen Raubkopien weiter – an eine Firma, die für die Musikindustrie arbeitet. Für mich ein bemerkenswertes Vorgehen: Schließlich bekommt der ausgeraubte Juwelier auch nicht die persönlichen Aufzeichnungen von Dieben und bestohlenen Supermarktbesitzern serviert die Polizei auch nicht die Wohnungsschlüssel der Übeltäter.
Kommentare
Robert 15. November 2007 um 19:15
Consumerist (Gawker) Vorbild? Hm.. die Artikel werden von einem Redaktionsteam verfasst, bei \“uns\“ von dem Betroffenenen (Kunde oder Firma). Also ein etwas anderer Ansatz, der damit die Frage nach der Recherche zunächst erübrigt? Stichwort moderiertes crowdsourcing… ja, ich weiß, ich sehe das sehr entspannt. Ich denk halt nicht wie ein Medienorgan;)
Dr. Dean 19. November 2007 um 13:01
Tja, das ist wohl der Rechtsstaat unter der Sonne bevorzugter Wirtschaftsinteressen. Für mich stellt sich an solchen Stellen die Frage: Wem dient der Staat?
Absurd wird die ganze Sache auch dadurch, dass die Musikindustrie (z.B. emirecorduk) gleichzeitig (!) urheberrechtlich geschütztes Material bei Youtube zum kostenlosen Gebrauch einstellt, mit privilegierter Bandbreite und zwecks Werbewirkung, während sie die Nutzer verfolgen lässt, die praktisch das Gleiche tun.