Gestern Abend weilte ich im Londoner Wembley Stadion beim erneuten Versuch der American-Football-Liga NFL, im Ausland Fuß zu fassen. Es war ein zwiespältiger Abend. Die von Sportfans am häufigsten gestellte Frage beantworte ich gleich mal direkt: Ja, das neue Wembley-Stadion ist ein Knaller. Von außen, wie von innen, wenn man von den Umläufen mit den Imbissständen absieht. Wembley ist das eindrucksvollste Stadion, in dem ich bisher weilte.
Gestern trafen sich dort die Footballer der Miami Dolphins und der New York Giants zum ersten regulären NFL-Saisonspiel außerhalb der USA. Freundschaftsspiele gab es ja schon häufiger und dann die Europaliga, die im Frühjahr eingestellt wurde.
Nun versucht sich die Liga also mit dem real thing. In den kommenden vier Jahren soll es jeweils zwei Spiele pro Saison im Ausland geben. Der Aufwand dafür ist gewaltig. Nach London kamen über 1000 NFLer, Spieler und Betreuer eingeschlossen. Ein Club muss auf ein Heimspiel verzichten und das bedeutet im Durchschnitt 68000 mal ein Ticketpreis im dreistelligen Bereich. Und vor Ort soll die Liga ja auch was hermachen, also gab es reichlich Werbung und Aktionen. Ach ja, Trainingsanlagen müssen auch gemietet werden.
Die Vor-Spiel-Party, wegen des Regens in die Halle verlegt, war allerdings diesmal nicht aufregender als bei einem gewöhnlichen Spiel von Rhein Fire oder Frankfurt Galaxy:
Angeblich gab es für die Premiere in London 500.000 Ticketanfragen. Anscheinend aber viele davon aus den Reihen der Schwarzhändler. Deren Markt brach im strömenden Regen zusammen, am Ende dürften rund 7000 Sitze frei geblieben sein.
Und auch die Hoffnung, dass allein aus New York 10.000 Fans anreisen, erfüllte sich nicht. Laut NFL kamen 5.000 Anhänger aus den USA, geschätzte 10.000 Exil-Amerikaner sollen da gewesen sein. In der U-Bahn gab es reichlich Sprachengewirr, Franzosen, Italiener, Deutsche und Österreicher habe ich ausgemacht, ihre älteren Fan-Trikots wiesen sie als erfahrene Anhänger des Sports aus.
Damit aber waren sie in der Unterzahl. Die Reaktionen der Zuschauer zeigten, dass die meisten wenig Ahnung vom Sport hatten. Sie passten sich den Gepflogenheiten der US-Fans an: Cheerleader-Einmarsch? Klatschen und Jubeln! Touchdown? Klatschen und Jubeln! Werbeeinblendung? Klatschen und Ju…. OK, wir wollen nicht zu weit gehen. Die Stimmung ist besser als im Februar beim Super Bowl – obwohl die Darbietungen der Giants und Dolphins unterirdisch schlecht sind. Teilweise sicher bedingt durch das Wetter, aber eben nur teilweise.
Am Ende hatte New York den Ball und ließ die Zeit auslaufen. In den USA eine normale Maßnahme, den Sieg zu sichern. In England jedoch erwarten Sportfans Einsatz bis zum Ende. Das Ergebnis: eine Buh-Orgie. Der Feld-Kommentator von Fox Television sagte: „Sie verstehen das Spiel nicht“. Wirklich?
Vielleicht ist das das Problem der NFL. Sie bietet Entertainment im Sportbereich und will trotzdem Wettbewerb. Und das passt nicht recht zusammen, sieht man am gleichen Wochenende die Zaubereien von Chelsea, die auch nach einer 4:1-Führung nicht aufhörten Tore zu schießen. 6:1 siegten die Blues am Samstag.
Auf dem Heimweg plaudert ein Dolphins-Fan, extra mit Teenager-Sprössling aus Miami angereist, mit ein paar Londonern. „Mein Sohn wollte hierher. Ich hatte meinen großen Tag schon gestern. Wir waren beim Heimspiel von Manchester United – Junge, war das eine Stimmung!“
Kommentare
Armin 29. Oktober 2007 um 12:31
Da ist ein Tor zu viel. Aber die verbleibenden 6 waren fast alle sehr schoen. Und fuer die weitaus meisten bestimmt ein vielfaches schoener und interessanter als Taktikgespiele ohne Herz.
dogfood 29. Oktober 2007 um 12:49
Hast du erfahren können oder eine Ahnung bekommen, wie die NFL-Offiziellen dieses Spiel aufgenommen haben? Irgendeine Ahnung wie deren Gewinn/Verlustrechnung nach Wembley aussieht?
Einerseits sind 9.000 nicht verkaufte Tickets (81.176 war die gestern spätabends offiziell publizierte Zahl) angesichts des Hypes und der 5 Monate Vorlaufzeit eher ein schlechtes Signal … andererseits hat man immer noch mehr erlöst als in einem 65.000-Stadion in den USA und auch die Erlöse im Merchandising könnten substantiell sein.
Thomas Knuewer 29. Oktober 2007 um 13:19
Nein, nein, die Tickets waren sicher verkauft – nur eben an Schwarzhaendler. Bei der NFL ist alles immer ein Erfolg. Gestern Abend habe ich niemand mehr getroffen, der was zwischen den Zeilen erzaehlen wollte. Es war in der Pressekonferenz aber auffaellig, dass die Trainer ihren Unwillen durchblicken liessen, solche weiten Reisen mit ihrem Team mitmachen zu wollen.
The Stig 29. Oktober 2007 um 13:29
Können Sie bitte aufhören, American Football als Sport zu bezeichnen? Es ist – wie Ballett – Entertainment (vielleicht sogar Kunst?), aber ein Spiel, dessen Spielzüge im Schnitt keine 5 Sekunden dauern, ist keine Sportart.
Jörg Friedrich 29. Oktober 2007 um 16:40
\“aber ein Spiel, dessen Spielzüge im Schnitt keine 5 Sekunden dauern, ist keine Sportart.\“
Das ist ja \’ne coole (Anti-)Definition von Sport. Wie ist das denn dann mit Tennis?
Augenweide 29. Oktober 2007 um 17:50
Badminton? Da verliere ich auch immer den Überblick!
Harald 29. Oktober 2007 um 18:01
Mit diesen Plänen und dem Zuschauerzuspruch ist die NFL immerhin viel weiter als die NBA, die nur öde/unbedeutende Pre-Season Testspiele zwischen NBA Teams bzw. mit lokalen Mannschaften außerhalb der USA und Kanada veranstaltet. Und das vorzugsweise im asiatischen Raum, insbesondere Philippinen und China. Lediglich in Japan gab es 2004 mal zwei offizielle Spiele, war aber wohl auch nicht so der Hit, da hat man es wieder gelassen.
Für die Teambesitzer lohnen sich solche Ausflüge (bei denen wie Sie sagen ja Heimspiele ausfallen und großer Reiseaufwand entsteht) höchstens indirekt denn die Stadien und Logen in den USA sind auch nicht kleiner oder billiger als hier. Mehr Geld gibt es höchstens später wenn die Liga im Ausland bessere Quoten erzielt und höhere Summen für die Fernsehrechte am Superbowl bzw. den Ligaspielen verlangen kann. Außerdem könnten solche stressigen Kurztrips im Extremfall zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, obwohl die Teams ja längere Flugreisen vor Auswärtsspielen auch von daheim gewohnt sein sollten.
loreley 30. Oktober 2007 um 19:04
\“Wie ist das denn dann mit Tennis?\“
Überhaupt schon mal Tennis geschaut? (nach spielen frage ich gar nicht erst)
In England dürfte sich keine Sau für American Football interessieren. Wieso auch.
NFLforlife 30. Oktober 2007 um 23:23
hmmmm, Football interessiert also niemanden und ist kein Sport, ja? 30.000 Mitglieder im AFVD und ca. 200.000 deutsche Football-Fans sind also \“keine Sau\“ und Football ist überhaupt gar nicht anstrengend und daher kein Sport und die Ergebnisse sind alle abgesprochen, ja? Aber immer schön den Amerikanern Ignoranz vorwerfen und dass sie nich über den Tellerrand schauen würden… traurig, traurig die Kommentare hier!
Patmann 31. Oktober 2007 um 0:19
Ich fand die Stimmung lahm, da war\’s in der NFLE wesentlich turbulenter. Für mich sind solche Spiele kein Ersatz für eine funktionierende und sich selbst tragende NFLE. Aber sie war ja nicht mehr gut genug.
Bronco Bomber 31. Oktober 2007 um 1:22
Können Sie bitte aufhören, American Football als Sport zu bezeichnen? Es ist – wie Ballett – Entertainment (vielleicht sogar Kunst?), aber ein Spiel, dessen Spielzüge im Schnitt keine 5 Sekunden dauern, ist keine Sportart.
Was ist denn dann noch Sport??
Tennis, bei dem man sich die Bälle beim Aufschlag in Sekunden um die Ohren hämmert.
Fußball, bei dem die Nettospielzeit 55-60 Min. dauert und der Rest pures herumstehen ist(da langt es ja nicht einmal für Ballett)?
Eishockey, bei dem man sich nach 60 Sek. wieder auf die Bank setzt?
Wenn man anfängt den Sport so zu definieren gibt es eigentlich gar keinen Sport!
Und wer dieses Spiel in London als Ersatz für die NFLE sieht schießt an der Realität meilenweit vorbei. Dies war,ist und wird nie ein Ersatz werden weil es zwei total unterschiedliche Sachen sind.
Dida 31. Oktober 2007 um 3:15
Schaut euch mal bei Gelegenheit ein Rugby Spiel an. Da seht ihr noch echten Sport. Schade das das so selten im Fernsehen übertragen wird. Da wird noch bis zum Ende gekämpft und Mimosen haben dort nichts zu suchen. Und trotzdem gibt es keine schlimeren Verletzungen als zB beim Fußball.
isten 31. Oktober 2007 um 8:51
\“Gestern trafen sich dort die Footballer der Miami Dolphins und der New York Giants zum ersten regulären NFL-Saisonspiel außerhalb der USA\“
Das ist so nicht richtig, die Cardinals haben zum Beispiel schon ein Regular-Season Game in Mexico gespielt.
Thomas Knüwer 31. Oktober 2007 um 9:17
Sind Sie sich sicher, dass das kein American Bowl-, also ein Testspiel, war?
loreley 31. Oktober 2007 um 9:21
Ich habe absichtlich etwas Pfeffer in die Diskussion gebracht. Engländer drücken sich noch drastischer aus.
American Football kommt allgemein nicht so gut an, weil es ein vergleichsweise unpersönlicher Sport ist. Natürlich fehlt auch die Tradition. So schnell verkauft man in England nichts Neues. Vielleicht sollten sie es mal in Australien probieren.
Eikin 31. Oktober 2007 um 11:21
\“Sind Sie sich sicher, dass das kein American Bowl-, also ein Testspiel, war?\“
Das war regulär, definitv…
Und was hier die Hasser hier angeht… einfach ignorieren…
Daniel 5. November 2007 um 9:31
\“Schaut euch mal bei Gelegenheit ein Rugby Spiel an. Da seht ihr noch echten Sport. Schade das das so selten im Fernsehen übertragen wird. Da wird noch bis zum Ende gekämpft und Mimosen haben dort nichts zu suchen. Und trotzdem gibt es keine schlimeren Verletzungen als zB beim Fußball. \“
ihre meinung in allen ehren , jedoch glaube ich das sie nie ein football spiel ansehen durften/wollten. wen sie auch mit mimosen nun meinten , ein Footballspieler kann jedenfalls nicht gemeint sein. Und um das Tempo mal ( auch des aufpralls ) zu vergleichen , da liegen welten zwischen football und rugby…. ich habe beides sehen dürfen/müssen und finde rugby ( beim zuschauen ! ) äusserst langweilig. letzteres ist natürlich wieder subjektiv.