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Für den Rest der Woche wird es hier etwas ruhiger. Ich weile auf dem Amsterdamer Picnic-Kongress. Und dass nach einem halben Tag schon mit reichlich Zugewinn geistiger Natur. Irgendwann an diesem Tag habe ich getwittert, dass drei Stunden Picnic ertragreicher sind als drei Tage NRW Medienforum. Die Picnic, das für die weniger szenegängerischen unter den Lesern, ist wohl nach der Le Web in Paris der zweitwichtigste Kongress der Internet-Szene in Europa.

Es macht Spaß, hier zu sein. Nicht nur, weil der Konferenzname optisch so hübsch durchdekliniert ist, Rollrasen auf der Bühne inbegriffen. Sondern weil nach all den ermüdenden und um sich selbst drehenden Diskussionen bei deutschen Tagungen, endlich wieder Schwung ins Hirn kommt. Welch Unterschied zwischen dem Niveau hier und dem, was ich in den vergangenen Monaten in der Heimat ertragen musste.

Auf internationalem Niveau wird hier nach vorn gedacht. Beeindruckend war es, die Präsentation der neuen Ideen aus Microsofts Photosynth-Labor (hier eine ältere Aufzeichnung) live zu erleben:

Oder ein Gipfeltreffen der Social Networks mit Vertretern von Twitter, Dopplr, Hyves, Plazes und Jaiku. Sehr unterhaltsam auch Simpsons-Film-Regisseur David Silberman, der mit einer Tuba die Titelmelodie spielend in den Saal zog. Den Höhepunkt aber lieferte der wunderbar bodenständig erzählende Jonathan Harris, über dessen Projekte ich demnächst nochmal schreiben werde. Eilige mögen bitte googeln, es ist schon nach Mitternacht.

Und schließlich noch eine Vorfühung von Cinegrid, einem internationalen Netzwerk, dass an der Verbesserung von Bewegtbildern arbeitet. Mit der doppelten Datenmenge, die Projektoren in Digitalkinos verarbeiten, gab es Kunstanimationen und einen Kurzfilm zu sehen. Und: Eine Opernaufführung, die in solcher Qualität live von Amsterdam nach Kalifornien übertragen wurde.

Viele Ideen und Gedanken kommen einem da, frischer Wind für’s Denken, „uncork your brain“, heißt das Konferenzmotto. Doch den Mut zur Entkorkung haben nach einem ersten Überblick wenige Deutsche. Sie sind nicht hier, die Journalisten, die sich derzeit von Startups einen vom Pferd erzählen lassen. Die eifrigen Dauergründer mit den vielen kopierten Ideen. Und auch die Internet-Manager des Jahres fehlen. Sie würden hier neue Ideen entdecken. Aber vielleicht ist es das, was sie fürchten. Denn neue Ideen brauchen Mut – und eigenes Denken. Vermutlich kämen sich einige der bekannten Namen in Amsterdam vor wie Außerirdische.

Und hier noch ein paar Zitate des ersten Tages:

Emile Aarts, Vize-Präsident und Chef der Philips Research Laboratories:
„Erfindet nichts für uns – nutzt es erst mal selber.“
„Ein Mangel an Freiheit tötet Kreativität. Auch in Zeiten der Kostenkürzung ist Freiheit unabdingbar.“

Jyri Engström, Mit-Gründer von Jaiku:
„Viele fragen immer, was so besonders ist an diesem Internet-Zeugs. Das Besondere aber ist seine Alltäglichkeit. Viele der neuen Dienste helfen bei ganz alltäglichen Dingen – und das ist ihr Geheimnis.“

Matt Biddulph, Gründer von Dopplr:
„Viele sagen wir seinen nur ein Feature für ein größeres System. Das stimmt ja auch. Das größere System heißt Internet.“


Kommentare


Ute 27. September 2007 um 8:35

Ich will auch da sein! Hach, hört sich das gut an, sehr beneidenswert, der Herr Knüwer gerade.

\“uncork your brain\“ klasse! Wieso geht sowas nicht in Deutschland? Hier werden wir von unserer digitalen Avantgarde direkt mit politischen Programmen (Linker Neo-Liberalismus) und vorgefertigten Lebensentwürfen (Digitale Bohème) konfrontiert, die schon wieder nur das Kästchendenken fördern. Können wir uns vielleicht mal von unseren \“Medien-Szenen\“ verabschieden und wirklich übergreifend denken und agieren?!

Mir fehlt wirklich die übergreifende, kreative Denkfreiheit und Machfreiheit in Deutschland. Im kreativen (!) Netz muss einfach gelten: laissez faire – wohlwollend, frei und positiv. Sonst entsteht nichts Neues.

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Rainersacht 27. September 2007 um 11:51

Waren auch welche von ComBots da? (bru-har-har)

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unik 28. September 2007 um 15:41

Das macht ja wirklich appetit auf die ganze Veranstaltung. Die äusserung mit dem \“erfindet etwas und nutzt es vorerst selber\“ (nicht wörtlich übernommen) ist wirklich gut. Denn dann erst bemerkt man was das für eine riesen Arbeit etwas in Realität umzusetzen. Da gehört halt wirklich eigeninitiative dazu.

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