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Egal ob Paris Hilton oder das lokale Online-Desaster Onruhr: Manchmal gebärden sich Journalisten wie ein Suppenkaspar. Nun haben wir es hinter uns, das grauenhafte Ruhrgebiets-Möchtegern-Nachrichtenangebot Onruhr. Da hat auch die letzte Bejubelung der alten Kumpanen von der Landesanstalt für Medien nichts geholfen.

Wie der Pott-Blogger schreibt, lügt sich Onruhr- und Ex-„Waz“-Chef Uwe Knüpfer sich und seinen Lesern ein letztes Mal was in die Tasche.

Im „Wirtschaftsmagazin Ruhr“ sagt er:

„Ziel sei es, im Herbst erneut an den Start zu gehen – an dem Konzept einer PDF-Zeitung, das von Lesern wie von Fachleuten kritisiert wurde, will Knüpfer indes fest halten. Es sei, so Knüpfer, die einzige Möglichkeit, journalistische Qualität im Internet zu bieten. Online-Diensten spricht Knüpfer diese Qualität ab, da diese von dem Zwang zur Aktualisierung getrieben seien und nicht sorgfältig arbeiten würden.“

Die wenigen Stammleser von Onruhr lesen zusätzlich folgende Behauptungen:

„Heute verfügt onruhr.de über einen guten Ruf, einen funktionierenden Verlag, eine flexible, leistungsfähige, höchst engagierte Redaktion, eine reibungslos funktionierende Software, treue Leser, einen pfiffigen Marketingplan und viele frische Ideen. Allein, es fehlt an Geld.“

Der Haken ist: Selbst wenn als das wahr wäre, fehlte es immer noch am Wichtigsten – Leserinteresse. Knüpfer träumt weiter davon ein Konzept durchzusetzen, das absehbar nicht funktionieren würde. Weil er es will. Punkt. Weil er der Journalist ist. Punkt. Und er sagt, was geht und was nicht Punkt.

Doch so funktioniert das eben nicht. Journalisten sind Dienstleister für ihren Leser. Das heißt nicht immer, dass sie nur der Masse nachlaufen sollen. Das Geschäft eines Journalisten ist kein quantitatives (außer, man arbeitet im Boulevardbereich), sondern ein qualitatives.

Wie schwer das sein kann, beweist heute das Thema Paris Hilton. Denn der Hilton-Hotel-Konzern steht vor dem Verkauf an einen Finanzinvestor. Wieviele Chefredakteure und Ressortleiter sich um das P-Wort herumdrücken? Wieviele werden heute sagen: „Und ich will nichts über Paris Hilton lesen!“ Einfach, weil ihnen selbst der Rummel um den markenbehangenen IQ-Tiefpunkt auf die Nerven geht. Die Leser aber, die wollen wissen, ob Paris Hilton jetzt noch reicher wird? Wer das Geld verwaltet, so sie noch Anteile besitzt? Wer sind ihre Berater?

All das ist jetzt schon Kaffeeküchenklatsch in den Unternehmen rund um die Welt. Es gehört zum Dienstleistungsgedanken des Journalismus, diese Fragen zu beantworten – wenigstens in einem Nebensatz. Und ganz unabhängig von den persönlichen Vorlieben.


Kommentare


case 4. Juli 2007 um 11:54

Hier hat ein Journalist verstanden, dass der Köder eben dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler.

Leider sieht ein Großteil der deutschen Journalisten das immer noch anders, besonders gerne in den öffentlich-rechtlichen Rentenanstalten.

Und dann wundern sie sich, wenn ihnen die Leser und Zuschauer im besten Fall vergreisen und im schlimmsten Fall davonlaufen.

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Maritta 4. Juli 2007 um 12:23

Ach wäre das Leben schön einfach, wenn es \“den Leser\“ in Einzahl – und männlich? – tatsächlich gäbe. Aber verflixt und zugenäht, es gibt der Leser viele. Und viele mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Und was eine große Zahl lesen will, findet eine andere, ebenfalls recht große Zahl von ihnen abschreckend.
Für mich hat das Handelsblatt verloren, wenn es das P-Wort in eine Meldung vom Kapitalmarkt bringt, sorry. Anderfalls würde ich die Bunte kaufen.
Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

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Harald 4. Juli 2007 um 13:17

Wenn P. Hilton jetzt vom Verkauf irgendwie direkt profitieren würde oder daran entfernt beteiligt wäre könnte man sie ja gerne erwähnen. Aber sie sitzt weder im Management, noch im Aufsichtsrat, sie ist nicht mal in die PR Aktivitäten der Hilton Gruppe eingebunden (wäre auch für jeden Konzern zu unberechenbar, siehe \“One Night in Paris\“). Im Gegenteil, das Hilton Management hat sich wahrscheinlich schon öfter heimlich gewünscht die Hilton würde sich einen anderen Nachnamen zulegen, um nicht das Image der Hotelkette zu beschädigen. Und wenn sie ihren Großvater genauso nervt wie die breite Öffentlichkeit wird sie vielleicht noch enterbt bevor es was zu erben gibt 😉

Warum hat das Handelsblatt sie also erwähnt? Weil Hilton und Hilton im Kopf mancher Leser leider zusammengehören und man damit mehr verkaufte Auflage bzw. Online Besucher bekommen könnte. Die Zeitung mit den vier Buchstaben hätte nur ein größeres Photo und eine andere Überschrift gewählt a la: Paris Hilton wird steinreich! Und als kleiner Untertitel: Hotelkette an Heuschrecke verkauft

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Jan 4. Juli 2007 um 13:41

Hallo Herr Knüwer,

habe Ihren Blog erst vor ein paar Tagen entdeckt und finde mich in Ihren Einträgen meist wieder, gefällt mir sehr gut!
Diesen Fall hier sehe ich jedoch anders. Sicherlich: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.
Aber woher wollen Sie wissen, dass \“der Handlesblattleser\“ wissen will, ob die dusselige Hilton reicher wird? Ich wäre vom Handelsblatt enttäuscht, würde es diese Themen nicht trennen können. Ich finde schon die Aufzählung familiärer Bezüge auf Seite 2 überflüssig.
Damit will ich nicht behaupten, ich wisse, ob der HB Leser über die Hilton informiert werden möchte, keine Ahnung… aber wissen SIE das so genau? Vielleicht haben viele Chefredakteure sich ja auch gesagt \“Ich würde für die Auflage gerne ein Bißchen nackte Haut auf den Titel packen, aber die Leser möchten das bestimmt nicht sehen\“.

Imho wäre auch auch eine medizinische Meldung über eine Methode von Dietrich Grönemeyer unseriös, in der er ständig \“Der Bruder vom Popstar Herbert Grönemeyer\“ genannt wird oder Textzeilen von \“Was soll das?\“ einflössen.

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Jan 4. Juli 2007 um 13:49

Nachtrag zu meinem letzten Absatz:

Ob seriös oder nicht tut hier natürlich nichts zur Sache. Aber als Leser von \“Skalpell und Tupfer\“ würde ich so etwas nicht lesen wollen, würde dem Fisch also der Köder nicht schmecken.

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Felix Deutsch 4. Juli 2007 um 17:43

>\“einen pfiffigen Marketingplan\“

Haha. Einen Einkaufwagenchiphalterschlüsselanhänger auf offiziellem Bundestagsbriefpapier zu bewerben, DAS war pfiffig.

Wer dieses Adjektiv benutzt, dem ist nicht mehr zu helfen.

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Felix Deutsch 4. Juli 2007 um 17:46

Aha, und die \“jounalistische Qualität\“ macht sich also am Layout fest, deswegen das PDF Gehakel.

Ausserdem muss ich bei \“OnRuhr\“ immer an eine lebensbedrohliche Durchfallerkrankung denken.

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Urs 5. Juli 2007 um 9:44

btw: Der Einkaufswagenchip….. wurde auf Bundes(wirtschafts)ministeriumsbriefpapier beworben, soweit ich mich erinnere.
Ja, solche \“Skandale\“ wünsche ich mir heutzutage schon zurück – anstelle von der Datenkrake im Rollstuhl, dem \“Huch, wer hat denn die Phantoms bestellt?\“, dem \“Huch, was ist denn mit dem Datensicherungsroboter passiert?\“, …

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Hendrik 6. Juli 2007 um 22:30

Zustimmung an manche Vorredner, auch ich rümpfe über \“Infos\“ dieser Art im Handelsblatt die Nase. Die gehören ins Vermischte. Und in dem verlinkten Artikel wäre eine Abbildung des Großvaters statt der Enkelin angebrachter gewesen, tut mir leid.

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