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Computer an, Kamera dran, Online gehen, Fernsehen machen. Live und für die ganze Welt. Klingt nach Musik von Morgen. Ist aber Musik von gestern Abend, Düsseldorf, Unterbilk. Es grenzte an Masochismus. Also das Zuschauen dessen, was Herr Fiene, Frau Franzi und ich gestern veranstalteten. Zweieinhalb Stunden lang sendeten wir live aus Fienes Wohnung. Einfach so, ohne große Vorbereitung, ohne Aufwand, mit viel zu wenig Licht. Was dabei herauskam, können Sie einem Kommentar hier entnehmen.

Ja, es war schlecht. Unsäglich. Selbstreferenziell. Und doch stieg die Zahl der Zuschauer von anfangs 18 auf über 60, riefen Menschen an, schickten SMS, chatteten über ICQ. Und wir drei haben selbst nicht geglaubt, dass passierte, was da passierte. Deshalb auch hatten wir uns mehr oder weniger gar nicht vorbereitet. Es klang zu utopisch: Einloggen bei einem Dienst namens Mogulus – und lossenden, dann gelegentlich ein Youtube-Video reinstreuen, eine Banderole durchlaufen lassen.

Doch es ist wirklich so einfach. Und Mogulus ist nicht allein, es gibt Konkurrenten wie Ustream, doch nach Aussagen von Herrn Fiene hat Mogulus den großen Vorteil, andere Videos und eben Schriftzüge einzublenden.

Es ist der Albtraum der Fernsehsender. Billige Talkshows kann jetzt jeder produzieren, Sportvereine unterer Ligen können Spiele live übertragen, Bands ihre Konzerte, Comedians ihre Auftritte. Und wer eine Gefolgschaft hat, kann daraus unmittelbar Geld machen: Die Sendungen lassen sich mit einem Passwort versehen – und das bekommt eben nur, wer vorher zahlt.

Solche Formate werden keine Gottschalk-Einschaltquoten erreichen. Doch jedes knabbert den TV-Sendern wieder ein paar Zuschauer weg, jedes könnte ein Virus werden, der sich verbreitet, jedes könnte Anreiz für eine Hand voll Zuschauer sein, selbst zu Moderatoren zu werden. Krümel für Krümel bröselt weg aus dem Quotenkuchen. Und denen, die im Internet senden, ist die Masse der Zuschauer egal. Hauptsache irgendwer guckt zu und man hat seinen Spaß.

Den hatten wir gestern. Und deshalb werden Frau Franzi, Herr Fiene und ich nochmal dilletieren, das steht fest. Angepeiltes Ziel: Das Finale von „Gülcans Traumhochzeit“ am 7.8. Und dann auch mit mehr Licht.

(Danke fürs Foto an das Wortfeld)

Nachtrag: Den einzigen wirklich gelungenen Dialog hat Jens Scholz mitprotokolliert:

„Fiene: Was fürn Upstream hast du?

Knüwer: Was issn Upstream?

Fiene: Wie schnell man Daten senden kann. Upstream, Downstream. So hoch und runter.

Knüwer: Ich wohn im zweiten Stock.

Fiene: Ja, dann gehts.“


Kommentare


Marian 19. Juli 2007 um 10:03

Herr Knüwer,
Bitte beachten Sie: Viele Menschen setzen sich vor den Fernseher um sich zu entspannen. Deren Ziel ist dann nicht etwa die Beteiligung am Programm – sozusagen TV 2.0 – sondern vielmehr das Abschalten des Hirns weil es den Tag über schon so stark beansprucht wurde (und ich nehme mich da nicht aus).
Solange das sich nicht ändert, sind Einkäufe von amerikanischen Serien, Wiederholungen von Serien oder komplett anspruchsbefreite Shows der richtige Weg für den Zuschauer.
Im Moment ist es doch so, dass dem Konsumenten alles leicht gemacht werden soll: Leichte Bedienung, wenig Kraftaufwant, wenig Anspruch. Wer das am wenigsten anstrengende Produkt hat bekommt die meisten Kunden. Oder?

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Konstantin Klein 19. Juli 2007 um 10:11

Gloobicknich – das mit dem Albtraum. Auch wenn die gestrige Veranstaltung aber auch sowas von rasant an mir vorbeigerauscht ist: Im Jahr 2000 habe ich sowas ähnliches mal auf der Audio-Ebene gemacht (über live365.com – so hieß das damals), und Radio als Medium lebt heute auch noch.

Nicht besonders gut, aber es lebt.

Marian hat recht: Glotze ist bisher Konsum, nicht Selbstbeteiligung. Den Trend zur Hyper-Lokalisierung (WIRED Magazin, die aktuelle Ausgabe) gibt es zwar; ich fürchte aber, dass Selbstmach-Radio und Selbstmach-Fernsehen auf genau dieser Ebene bleiben wird: der Ebene der Weblogs, der Vereinspodcasts, des Hausgemeinschaftsfernsehens.

Nix für ungut – beim nächsten Mal gucke ich dann auch zu.

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case 19. Juli 2007 um 10:13

Wann gibts denn die Wiederholung der Aufzeichnung?

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Thomas Knüwer 19. Juli 2007 um 10:26

Leider ist das der Nachteil von Mogulus: Man kann (noch) nicht aufzeichnen…

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Jürgen Siebert 19. Juli 2007 um 10:31

[… Auch wenn ich im Netz auf alles gefasst bin, es gibt immer wieder Anwendungen, die mich verblüffen. Thomas Knüwer scheint es ebenso ergangen zu sein, als er gestern mit Herrn Fiene und Frau Franzi einfach so vorm heimischen Computer eine zweieinhalb-stündige Live-TV-Sendung ausstrahlte …]

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Marius 19. Juli 2007 um 11:09

[zitat]Und denen, die im Internet senden, ist die Masse der Zuschauer egal. Hauptsache irgendwer guckt zu und man hat seinen Spaß[zitat ende]
Haben Blogger nicht mal genauso angefangen? Und gibt es da nicht mittlerweile auch schon die Ersten die versuchen groß Kapital aus ihren Blogs zu schlagen, auch ganz ohne Spaß und ganz viel mehr Aufwand?

Naja, etwas Abwechslung und Neues im tristen Fernsehalltag kann sicherlich nicht schaden.

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Hokey 19. Juli 2007 um 11:30

Nicht schlecht. Dann schnell ein paar \“Leitungen\“ anmelden, einen Hot-Button basteln und endlich mal richtig Geld verdienen… 😉

Ich denke, zunächst ist es wirklich nur als Ergänzung zu gebrauchen, aber wer weiß wohin uns eines Tages internetfähige Fernseher führen? Wenn man Bookmarks statt Sendeplätze auf der Fernbedienung auswählt, könnte ich mir schon vorstellen, abends Internet-TV zu gucken. Es fehlt alleine am Komfort, wie Marian schon bemerkte.

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Hanno Zulla 19. Juli 2007 um 11:37

\“Es ist der Albtraum der Fernsehsender. Billige Talkshows kann jetzt jeder produzieren.\“

Klingt mir eher nach einem Alptraum für die Zuschauer.

Im übrigen – Den offenen Kanal und Bürgerradio / -fernsehen gibt es schon länger. Ohne m.M.n. signifikanten Einfluss auf das Medienverhalten. Ich wüsste z.B. von keiner Entlassungswelle bei HHer Radios und TV-Sender, die auf Tide TV und Radio FSK zurückzuführen wäre.

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hANNES wURST 19. Juli 2007 um 12:00

Ich finde das Schlimmste an diesem ganzen Krempel ist, dass man nicht weiß, was man davon halten soll. \“Hier schauen Sie mal, eine permanente Übertragung einer Live-Dauerdarmspiegelung aus meinem Innersten selbst!\“ Oh je, muss ich das jetzt auch machen? Und wenn nicht, werde ich dann eines Tages wegen Informationsunterschlagung aufgegriffen und an \“Vera am Mittag\“ ausgeliefert? Und dann heißt der letzte Schrei auch noch Mogulus – folgt da noch Tyrannus, Tycoonus und – letztendlich – Lazarus? Werden meine Kinder in zehn Jahren sagen: \“Papa, wo ist Dein Blog, wo sind Deine Livestreams, hast Du in den 00ern überhaupt schon existiert? Wir haben so unsere Zweifel!\“

Ich glaube, ich mache das jetzt auch mal mit diesem Mogulus Ding, einfach aus Angst.

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cdv! 19. Juli 2007 um 12:01

Mal ehrlich: Es hat einen Riesenspaß gemacht, Euch dort zu sehen; auch wenn ich aufgrund der schlechten Sendequalität (1000er Leitung – liegt\’s bei mir?) mehr als die Hälfte nicht verstanden habe. Bitte wiederholen! Das ist Zukunft!!!

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Jan 19. Juli 2007 um 12:40

@Hanno Zulla: Mit Bürgerradio und Bürgerfernsehen ist das nicht wirklich zu vergleichen. Was dieses Thema so spannend macht, ist zum einen die deutlich niedrigere Schwelle zur ersten Sendung und zum anderen die erheblich größere potenzielle Reichweite.

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Harald 19. Juli 2007 um 13:35

Und wenn man es jetzt noch aufzeichnen würde hätte man einen chaotischen Video Podcast, so a la Diggnation. Die haben auch besseres Licht 😉 Insgesamt eine nette Idee, aber ARD, ZDF, RTL und P7S1 werden jetzt nicht gerade aus Angst vor knüwer&co.tv das große Schlottern bekommen. Interessant wird das dann eventuell im Zusammenspiel mit echtem IPTV oder Zusatzgeräten wie Apple TV. Dann sind solche unterhaltsamen Inhalte aus dem Internet nämlich auf einmal auf dem gleichen Weg und der gleichen Ebene auf der Fernbedienung wie Multimillionen-Produktionen a la Lost zu konsumieren (wenn auch vielleicht von anderen Zielgruppen und zu anderen Zeitpunkten).

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Hanno Zulla 19. Juli 2007 um 14:01

@Jan:

\“die deutlich niedrigere Schwelle zur ersten Sendung\“

Welche Schwelle? Ich habe bei FSK Hamburg mitgemacht. Hallo gesagt, am Mikro gewesen.

\“die erheblich größere potenzielle Reichweite.\“

Hamburg ist eine Stadt mit über 1,7 Millionen Einwohnern. FSK, Tide Radio und Tide TV sind im Kabel und per Funk zu empfangen. Die Reichweite von Bürgerfunk ist nicht zu verachten.

Ich sehe hier jedenfalls nicht die große Revolution, die Herr Knüwer ausruft, sondern eine Fortsetzung.

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stk 19. Juli 2007 um 15:30

@Hanno: Das ist eine potenzielle Reichweite von 1,7 Millionen Rezipienten. Vergleiche das mal mit der potenziellen Reichweite eines Internetstreams.

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Hanno Zulla 19. Juli 2007 um 16:20

@stk: Potenziell. Eben, potenziell.

Und wieviele Zuschauer hatte Herr Knüwer, Autor eines der meistgelesenen Blogs Deutschlands, nach expliziter Ankündigung seines Streams?

Ich bleibe dabei, dass die von Herrn Knüwer ausgerufene Revolution nur eine Evolution des Bürgerfunks mit anderen Mitteln ist.

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Jens 19. Juli 2007 um 16:41

Leider habe ich die Sendung verpasst (trotz Zwitscherei). Schade auch, das es keine Aufzeichnung gibt – aber vielleicht ist das ja auch besser so (und das bezieht sich jetzt nicht auf den Inhalt!).

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Marian 19. Juli 2007 um 16:55

Was ich noch vergaß: Mit 60 Zuschauern zu meinen, mit den TV-Sendern (auch den OK) konkurrieren zu können grenzt nicht an Realitätsverlust sondern ist schon solcher.
Das sagt nichts über die Qualität der Sendung aus.
Ich frage mich, wie viele Menschen dieser Welt bereit sind, eine Fernsehsendung zu machen. Wie viele dieser Menschen können Themen bieten, die den Rest der Welt interessieren und wieviele arbeiten schon beim Fernsehen? Was bleibt dann noch übrig?

Ich denke, das Fernsehen wird größtenteils in der Form weiterexistieren, die es jetzt hat und nur teilweise in die von Herrn Knüwer erhoffte Richtung gehen. Und das ist sowohl gut als auch schlecht.

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Thomas Knüwer 19. Juli 2007 um 17:07

Das ist ein Missverständnis: Die Leute, die Programm für 60 Zuschauer machen, wollen nicht mit den TV-Sendern konkurrieren. Und genau das ist das Problem: Denn es geht nicht um Massentauglichkeit, sondern um Spaß. Diese Haltung aber ist authentischer und angenehmer als das auf Mitte getrimmte Fernsehprogramm.

Und somit entsteht doch eine Konkurrenz – um die endliche Ressource Zeit. Dabei ist das Ende nicht null Fernsehen und hundert Prozent Internet. Es ist ein schleichender Prozess: Mit jedem Zuschauer weniger geht den Sendern ein Bröckchen Einnahme verloren. Sie reagieren meist darauf mit Sparen. Und nähern sich niveautechnisch von oben kommend an die privaten Angebote an. Ergebnis: weitere Zuschauerverluste – und schon setzt eine böse Spirale ein.

Übrigens: 60 Zuschauer an einem Sommerabend mit einer Vorankündigungszeit von ein paar Minuten – find ich nicht so schlecht. Und nicht vergessen: Das ist ein Anfang, mehr nicht. T-Home übrigens hatte, wenn ich das recht erinnere, zu seinem Sendestart weniger Abonnenten.

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experteritis 19. Juli 2007 um 18:03

@Hanno Zulla
Eine kleine Revolution koennte das vielleicht noch werden, wenn man das z. B. als Deeskalationsinstrument bei Zoff in Xing-Foren oder anderen Communities nutzen wuerde.
Alles ist entwicklungsfaehig!

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schaefchen 20. Juli 2007 um 0:12

Hallo Herr Knüwer, das Angebot steht noch. Gruß ftd.de

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Thomas Knüwer 20. Juli 2007 um 9:01

Den Witz verstehen nur die Zuschauer vom Mittwoch Abend…

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Stefan 28. Juli 2007 um 10:38

Manueller Pingback: Blogeintrag verlinkt im Artikel \“Hinter den Kulissen – Unsere erste Liveübertragung\“

http://www.team-ulm.de/r_bericht.php?id=309

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