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Stellen Sie sich vor: Sie sind Kunde von T-Online und möchten die Aufzeichnung der Tagesthemen sehen. Können Sie aber nicht. Weil T-Online nicht bereit ist, an die ARD einen gewissen Geldbetrag zu entrichten, weshalb ihre Kunden auf die Videos des Senders verzichten müssen.
Klingt nach Unsinn? Ist es nicht. Genau das passiert gerade in den USA. Der Sportsender ESPN ist eine der beliebtesten Anlaufstellen für Sportnachrichten, Videos eingeschlossen. Nun berichten George Ou und Jason Calacanis von merkwürdigen Fehlermeldungen:

„SORRY, YOUR INTERNET SERVICE PROVIDER DOES NOT CARRY ESPN360 VIDEOS“

Klingt nach einem Fehler beim Internet-Zugangsanbieter – scheint aber eine merkwürdige Taktik von ESPN zu sein. Zahlt ein Online-Zugang nicht, werden seine Nutzer von Videos ausgeschlossen.

Einfach dumm, könnte man meinen. Schließlich bedeuten weniger Klicks auch weniger Werbeeinnahmen. Vielleicht aber steht hinter der dummdreisten Masche auch der Glaube, die AOLs der Welt würden sich darauf einlassen. Darauf deutet das kryptische Beschwerdeformular bei ESPN hin, das die Sache scheinen lässt, als würden die bösen, bösen Zugangsanbieter gegen ESPN intrigieren.

Und da wir wissen, wie gerne deutsche Unternehmen jede noch so dumme Idee aus Übersee abkupfern, können wir wohl bald mit ähnlichen Versuchen in Deutschland rechnen.


Kommentare


Markus 29. Mai 2007 um 15:06

Die Debatte nennt man in den USA \“Net neutrality\“. Läuft in Deutschland / EU auch schon, aber jenseits der Telekom/VDSL Geschichte fernab der Öffentlichkeit.

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gissi 29. Mai 2007 um 16:04

Zu Markus\‘ Kommentar:

Handelt es sich dabei um »Net neutrality«? Ich dachte eigentlich, dass es dabei nur darum geht, ob die ISPs von Seitenbetreibern Geld verlangen dürfen. Oder ist der Begriff der »Net neutrality« auch für den von Thomas geschilderten Fall zutreffend?

Außerdem allgemein: Ließe sich diese Sperre nicht per Proxy umgehen?

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Thomas Knüwer 29. Mai 2007 um 16:25

Es ist eigentlich eine umgedrehte Net Neutrality – und damit ein neuer Fall. Aber insgesamt würde ich dies durchaus im Rahmen der Diskussion sehen. In Deutschland ist das Thema bisher ziemlich zurückhaltend angegangen worden. Ich denke, das muss sich ändern.

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Roland 29. Mai 2007 um 18:00

Muss gestehen, dass das an mir auch vorbeigelaufen ist. Aber die Diskussion (zumindest der Eintrag von George Ou) ist beinahe ein Jahr alt. Von \“nun\“ (sozusagen ein \“jetzt\“ im \“Bild\“-Sinne) zu sprechen, erscheint mir da doch nicht ganz korrekt. Und ofenbar scheinen sich die Befürchtungen nicht bestätigt zu haben, dass das Beispiel Schule macht.

Aber, wie gesagt, trotzdem spannendes Thema, auf das ich ohne den Eintrag hier nicht gestoßen wäre. Wäre interessant, welche Erfahrungen ESPN mit seiner Politik gemacht hat.

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madcynic 29. Mai 2007 um 18:10

Ich warte schon gespannt darauf, dass die Öffentlich-Rechtlichen mit der Masche kommen. Freu mich schon auf die Erklärung, dass die GEZ für Internet-taugliche PCs dafür nicht ausreicht…

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Jürgen Kalwa 30. Mai 2007 um 0:19

Zwischenruf aus den USA: Hier beginnt eine erstmals zugespitzte, aber noch unstrukturierte Debatte um die Frage: Wo kommt das Geld für die Informationsdienste im Internet her? Bislang nahmen wohl alle an, dass die Leistungen auf Ewigkeiten kostenlos angeboten und über Werbung finanziert werden. Das ist das Modell, das beim Entstehen des terrestrischen amerikanischen Fernsehens praktiziert wurde. ESPN (eine hochprofitable Filiale von Disney) existiert auf der Basis eines neueren Modells: Kabelfirmen (die heute ihre enorme Leitungskapazität gerne mit Broadband-Internet-Anschlüssen nutzen) kassieren eine Gebühr bei ihren Fernsehkunden und führen davon an populäre Programmanbieter wie ESPN pro zahlendem Zuschauer erhebliche Anteile ab. Das System wurde nicht eigens ausgeklügelt, sondern ist einfach ganz langsam entstanden – aufgrund der Technologie (Decoder) und aufgrund der Bereitschaft beim Publikum, für das ständig wachsenden Kanaluniversum 50 Dollar und mehr im Monat zu zahlen. Will sagen: Das Finanzierungsmodell Kabelfernsehen ist so passiert, wird aber von niemandem in Frage gestellt. Das kann sich noch ändern. Denn ESPN produziert seinen fürs Internet auswertbaren Content auf der Fernsehproduktionsschiene (mit dem Geld der Kabelfernsehzuschauer), will aber jetzt noch mal verdienen – über ein ähnlich gedachtes Modell: nämlich bei den ISPs. Da wird als erstes die Preiselastizität der ISPs getestet. Danach vermutlich auch die der Internetnutzer, denen man höhere Gebühren aufzwängen wird. Aber das wird nicht so glatt laufen: Kabelfernsehen hat es gut, das hat überall ein Anschlussmonopol. Broadband-Internet hat das nicht. Solange Verbraucher mit einer Abwanderung an Alternativprovider auf steigenede Preise reagieren können, wird kein ISP die Kosten für Sportcontent auf alle Kunden umwälzen können. Aber ich denke: Die Tanzpartner spielen hier etwas anderes durch. Die ISPs sollen gezwungen werden, den Content als Premiumleistung zu verkaufen und werden dabei im Grunde nur als Inkasso-Unternehmen missbraucht. Viel einfacher für ESPN, um Kunden zu fangen, und sicher auch ergiebiger.

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dogfood 30. Mai 2007 um 11:09

Es handelt sich bei der Geschichte nicht um das \“normale\“ ESPN.com, sondern ESPN360.com, was ein explizites Zusatzangebot ist. Insofern hinkt der Vergleich mit der ARD. Vergleichbar ist es z.B. mit den IP-TV-Angeboten von EUROSPORT für einige Tennisturniere mit 6 Feeds gleichzeitig, die es auch nicht for free gibt.

ESPN 360 bringt Sportübertragungen bzw. \“ergänzende\“ Übertragungen, also Zusatzperspektiven oder während College-Turniere Spiele parallel zu den Spitzenpartien.

Wie Jürgen Kalwa schreibt: Während EUROSPORT sich das Geld von dem Zuschauer über Abogebühren reinholt, holt es sich ESPN analog zu seinem Kabel-TV-Business, von den ISPs rein.

Aber in der Tat eine interessante Grauzone in Sachen Netzneutralität.

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Erik 30. Mai 2007 um 13:33

\“Die ISPs sollen gezwungen werden, den Content als Premiumleistung zu verkaufen und werden dabei im Grunde nur als Inkasso-Unternehmen missbraucht.\“

In Deutschland kannte man das auch. In den 90er Jahren zahlte angeblich die Kabeltochter der Telekom an MTV eine Million DM Jahresgebühr, um das Kabel attraktiv zu machen. Genau dieser Ansatz steckt, wie man mir berichtete, auch hierhinter.

Ob die Kosten an die Nutzer weitergegeben werden, steht dann im Ermessen des ISP und wirkt sich auf seine Porduktpolitik aus.
Ich gebe meinen Vorkommentatoren aber recht: neu ist das nicht.

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