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Wenn Politiker sich um das Internet kümmern, endet das meist in Peinlichkeiten. Auch für die Internet-Beauftragte der CDU, Martina Krogmann. Angela Merkel habe ich bisher einmal persönlich getroffen. Es war im Oktober 2000 und die New Economy tobte durch die Hauptstadt. Damals war unser E-Business-Extra Netzwert gestartet und wir luden zu einem Treffen von Politikern und Startup-Heroen.

Auf der Seite der Unternehmer waren Consors-Gründer Karl Matthäus Schmidt vertreten, Intershopper Stefan Schambach, ACG-Gründer Cornelius Boersch sowie Datango-Chef Alexander Artopé. Aus der Politik reiste Wirtschaftsminsister Werner Müller an – und eben Angela Merkel.

Um eine besonders startuppige Atmosphäre zu schaffen, waren die Datango-Räume irgendwo in Berlin-Mitte der Treffpunkt: ein baufälliges Haus, hohe Wände, Computer auf Tapeziertischen – man kennt das ja.

Sichtlich verwirrt betrat Angela Merkel mit ihrer Entourage den Raum und wurde von unserem Chefredakteur Bernd Ziesemer begrüßt. „Und wo sind die jungen Unternehmer?“, fragte sie. Die schauten sich irritiert an: Denn sie standen zwei Meter von der Kanzlerin-in-spe entfernt.

In der Diskussion erwies sich Merkel als nicht kundig. Müller auch nicht. Wie so eine Aktienoption zum Beispiel funktioniert, konnten beide nicht recht sagen. Ohnehin hinterließen sie keinen sonderlich kundigen Eindruck. Zwei Wochen später dann forderte Merkel in einem Artikel in der „FAZ“ aber genau die Besteuerung von Optionen, die ihr von der Unternehmerrunde ans Herz gelegt worden war.

Es war ein Zusammenprall der Welten und ein Erahnen der Veränderungen. Fast symbolisch entpuppte sich das mit großen Worten angekündigte „Aufnahmegerät“, das unser Hauptstadtbüro zu jener Zeit nutzte, als überdimensioniertes Diktierkassettengerät mit Mikros. Zu verstehen war darauf später nichts. Ich legte zur Vorsicht meinen MD-Rekorder mit Winz-Mikro auf den Tisch – er zeichnete ganz wunderbar auf.

An diesen höchst interessanten Nachmittag musste ich denken, als ich über Boocompany auf ein Foto stieß. Es zeigt Martina Krogmann, die Internet-Beauftragte der CDU. Sie beugt sich über einen be-t-shirten jungen Mann, so wie es einst Merkel tat, als Alexander Artopé ihr zeigte, was Datango so macht. OK, Artopé trug Anzug ohne Krawatte. Und Krogmanns Blick ist genauso unwissend und verwirrt-hilflos wie der von Merkel einst.

Dieses Bild nun stammt von einem Firmenbesuch, wie ihn Politiker gerne machen. Diese Visiten sollen simulieren, dass die Volksvertreter in engem Kontakt mit der Wirtschaft stehen. Was natürlich nicht stimmt, meistens schauen die Politiker eine halbe Stunde vorbei und bekommen gezeigt, was die Firmen so machen. Im Schlepp ist die Lokalpresse, bei Auslandsbesuchen auch die nationale. Und für die muss dann auch noch eine „foto opportunity“ geschaffen werden, was bei einem Internet-Unternehmen echt schwer ist. Deshalb beugen sich so viele Politiker über junge Menschen im T-Shirt vor einem Monitor.

Nun hat Krogmann aber ein Unternehmen besucht, das eine Menge Geld mit der Abrechnung von Porno-Seiten verdient. Das ist nicht gut fürs Image. Beweist es doch, dass die Kompetenz in Sachen Internet nicht so dolle ist – schließlich hätte man sich als Vertreter der CDU ansonsten ein anderes Unternehmen gesucht.

Doch was solls, Schwamm drüber, Mund abputzen, nächst Foto Opp suchen. Denkt sich auch Martina Krogmann. Per Mail auf die bemerkenswerte Auswahl des Unternehmens Gekoin angesprochen, antwortet sie schlicht:

„Shit happens“.

Schließlich gab es diesen Besuch im August 2005 – wen schert das noch? Niemand. Vielleicht. Aber wer den Artikel aus dem „Delmenhorster Kreisblatt“ durchliest, der findet eben auch Aussagen zitiert, die entweder so nie gefallen sind – oder aus der Internet-Beauftragten eine Internet-Verwirrte machen:

„Krogmann bedauerte, die Politik sei bisher im Internetbereich immer einen Schritt zurück gewesen. Dies werde sich nach einem Regierungswechsel in Berlin ändern. Unter anderem komme es darauf an, die Patentierbarkeit für Internet-Ideen und Programme voranzubringen. Das dürfe allerdings nicht Formen wie in den USA annehmen, wo für jeden Klick bezahlt werden müsse.“

Nachtrag vom 26.10.: Nun gibt es eine zweite Reaktion aus Krogmanns Büro – und die ist noch erschreckender (gefunden bei Boocompany):

„Es gehört nicht zu den Aufgaben der Politik, sich um einzelne Firmen zu kümmen.“

Ach so. Außer, natürlich, sie bauen gerade Personal ab und es gilt eine Wahl zu gewinnen.


Kommentare


Farlion 25. Oktober 2006 um 12:30

Wenn sie das so gesagt hat, bestätigt das in meinen Augen nur eins: um in der deutschen Politik etwas zu werden, brauch man sich nicht mit der Materie auszukennen, für die man verantwortlich ist.

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Phil 25. Oktober 2006 um 13:05

Bitte bitte, selbst wenn es Verstrickungen in alle Richungen bedeuten könnte, schafft es doch auch einmal wie die USA, welche Meinung auch immer man über sie haben mag, wenigstens ein paar fachkundige Personen als Minister zu ernennen.

Wenn ich mich recht erinnnere, ist doch der ehemalige Goldman-Sachs Chef nun Wirtschaftsminister oder? Sowas täte Deutschland mal so gut.

Nur bei der Wahl von Außen- und Verteidigungsministern muss man an diesem Prinzip in den USA wohl noch arbeiten.

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björn 25. Oktober 2006 um 13:44

naja von einem parlament, in dem in erster linie beamte, lehrer und berufspolitiker sitzen kann man da kaum kompetenz erwarten 😉

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björn 25. Oktober 2006 um 14:19

touché 😉

aber täusche ich mich hinsichtlich der gewichtung der berufsgruppen? 1997 waren nach einer studie (hab leider die url vergessen und kann sie auch nicht ergoogeln) 40% der abgeordneten beamte. ich stecke da nicht wirklich im thema, warum dies so ist – allerdings glaube ich nicht, daß 40% aller deutschen verbeamtet sind… und spezialisten in regierung und parlament können da wirklich nicht schaden denke ich.

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Danny 25. Oktober 2006 um 15:00

Um die letzten unklarheiten bei einigen zu bestätigen, ja, Frau Dr. Krogmann hat es so gesagt, ich war einer derjenigen, der sie auf diese „Misere“ aufmerksam machte, es war das einzigste was Sie schrieb.
MfG

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Bernd Brot 25. Oktober 2006 um 15:02

Außerdem hat sie über Franz Beckenbauer ihren heutigen Ehemann (Sportchef der BILD) kennen- und liebengelernt. Deutschland ein Herbstmärchen!

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marcc 25. Oktober 2006 um 19:51

Bei Martina Krogmann zeigt sich meiner Meinung nach sehr schön wie viel Glück man für die Karriere braucht. Man muss zur rechten Zeit am rechten Ort sein und der Gesprächspartner muss glauben, dass man eines seiner Probleme lösen kann. Und schon wird man eingekauft.

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Felix Deutsch 25. Oktober 2006 um 23:45

>Außerdem hat sie über Franz Beckenbauer ihren heutigen Ehemann (Sportchef der BILD) kennen- und liebengelernt. Deutschland ein Herbstmärchen!

FUATWWTRC.

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fäb 26. Oktober 2006 um 22:48

Witzig, daß du damals neben Merkel bei datango zu Besuch warst. Hab damals für den Verein gearbeitet (glücklicherweise Techie-Abteilung) und glaube mich erinnern zu können, daß wir Techies Verbot hatten, auf der Etage aufzutauchen. Wir hätten ja jemanden verschrecken können oder Herrn A. darauf aufmerksam machen können, daß er selber kaum mehr Ahnung als Frau Merkel hat.
Und zu Frau Krogmann : nee, geht gar nicht.

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textexter 27. Oktober 2006 um 12:12

Was habt Ihr bloß? Bis kürzlich hatten wir einen Bundestrainer, der gelernt hat, wie man kleine Brötchen backt. Allerdings konnte der wirklich DFußball spielen, während die Politiker kompetente Politik spielen :-))

Avanti dillettanti!

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