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Bei der Recherche für eine Print-Geschichte stieß ich gestern auf ein Zitat von Albert Einstein aus seiner Rede zur Eröffnung der Funkausstellung 1930: „Bis auf unsere Tage lernten die Völker einander fast ausschließlich durch den verzerrenden Spiegel der eigenen Tagespresse kennen.“
Wer hätte gedacht, dass dieser Satz heute auf die Düsseldorfer Lokalpresse und das Madonna-Konzert passt? In Düsseldorf kabbeln sich drei Zeitungen um Leser. Da gibt es die „Westdeutsche Zeitung“, von der hier aber nicht die Rede sein soll. Dann den Platzhirsch „Rheinische Post“ mit deutlich konservativ-christlicher Ausrichtung. Und schließlich die zum WAZ-Konzern gehörende „Neue Rhein-Zeitung“, politisch gesehen eher links und sich immer sehr kritisch gebend.

Nun wird heute Abend Madonna in der hiesigen Arena mit dem Namen eines Ferienfliegers (die Arena, nicht Madonna) gastieren – und sich bühnentechnisch ans Kreuz nageln lassen. Solche Provokationen werden von Seiten der Kirchenfreunde gerne dazu genutzt, den Gegner durch Anzeigen und Interviews noch bekannter zu machen als ohnehin.

Gerade in Düsseldorf, einer von gehöriger Spießigkeit getragenen Stadt, ist damit zu rechnen, dass jemand den Einsatz der Staatsanwaltschaft fordert. Die weiß das aus. Und die Zeitungen wissen das ebenfalls, weshalb sie nachfragen.

Und was schreiben sie, die Kollegen vom Lokalen? Die „NRZ“ (nur nach Registrierung zu lesen) schreibt:

„Die Staatsanwaltschaft hat an diesem Abend kein berufliches Interesse an der zur Zeit goldblonden Sängerin. Ob es tatsächlich eine zu geißelnde Gotteslästerung sei, wenn die Pop-Ikone Dornenkronen bekränzt vom derzeit noch verhüllten Kreuz steigt, oder ob diese Choreographie unter die Ausdrucksfreiheit des Künstlers fällt, ließe sich im Vorfeld nicht sagen, so Johannes Mocken. „Die Polizei ist dazu da, Straftaten zu verhindern, wir sind dazu da, Straftaten zu verfolgen“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Und: „Meine Vorgesetzten hätten mich für bekloppt erklärt, wenn ich mich um Karten bemüht hätte. Wir können das auch so beurteilen.““

Tja, da hätte man dem Herrn doch einfach auch mal ein wenig Spaß gegönnt – aber nix is. Solch eine Antwort ist für konservative Journalisten aber anscheinend nicht akzeptabel. Denn die „Rheinische Post“ behauptet:

„Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte im Vorfeld angekündigt, das Konzert „genau zu verfolgen“. Sollten strafrechtliche Verstöße vorliegen, könne die Anklagebehörde Ermittlungen gegen den Popstar aufnehmen.“

Wahrnehmung ist halt immer eine Sache der Brille, die man auf der Nase hat.

Nachtrag vom 21.8.: Trotz ihrer moralischen Bedenken hat die „Rheinische Post“ keine Probleme damit, durch eine Madonna-Bildergalerie ihre Klickzahlen zu polieren.


Kommentare


Jens 21. August 2006 um 9:24

Interessanter Nebenaspekt: Die NRZ kann man jetzt auch ohne Anmeldung lesen. Scheint Lyssas Arbeit schon zu wirken, erklärte sie doch bei einem Bloggertreffen in BO, daß sie das Schlösschen bei den Artikeln nervt (der Kollege von blog.50hz.de forderte gar als Einstiegsgeschenk der WAZ für Lyssa eine Abschaffung der Registrierung).

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