MUSS man eigentlich mit dem Internet Geld verdienen? Nö. Es sei denn… Manche Dinge, scheinen so einfach, dass sie fast unglaublich sind. Zum Beispiel die Begründung, warum diese ganze Sache mit dem Web 2.0 so toll sein soll:
„Warum treffen sich eigentlich erwachsene Menschen mit ihren Freunden am Baggersee? Schließlich bekommen sie kein Geld dafür. Warum kicken andere, ebenso erwachsene Menschen, am Wochenende auf einem staubigen Bolzplatz herum, wohlwissend, dass sie niemals Fußball-Profis werden können? Warum probt eine Hobby-Kapelle wacker zweimal wöchentlich Jazz-Standards, obwohl die Hand voll Auftritte im Jahr noch nicht einmal ihre Proberaummiete refinanziert? Wo sind eigentlich die Geschäftsmodelle?…
Es ist so ermüdend, wie vorhersehbar. Kaum plöppt ein neues Phänomen der sozialen Interaktion aus dem Web, schon sind sie da, die Wirtschaftsjournalisten und ihre drei G-Fragen: Wieviel Geld wird damit verdient? Wo ist das Geschäftsmodell? Wird das so groß wie Google?“
Das schreibt Journalist Mario Sixtus (der auch für das Handelsblatt bloggt) für die „Technology Review“.
Ja, dann wäre ja alles klar. Vergessen wir diese ganze Kritik an Web 2.0, an wolkigen Internet-Ideen, die mutmaßlich nicht funktionieren, vergessen wir die Angst vor der Pleite und das Zittern vor dem nächsten „Plopp“ einer Blase: Es ist doch alles nur Spaß! Die wollen doch nur spielen!
Ganz einfach ist das – und unglaublich. Unglaublich unverfroren. Unverfroren naiv.
Ginge es hier nur um Hobby-Programmierer, die aus Spaß was ins Netz stellen und sich tagsüber mit anderen Dingen beschäftigten, würde ich Sixtus Recht geben.
Doch so ist es eben nicht. Wir reden hier von Unternehmen. Und Unternehmen werden geführt von Unternehmern. Und die tragen Verantwortung.
Einerseits für ihre Mitarbeiter: Wenn jemand seine Firma nur als Zerstreuung betrachtet, die morgen gerne auch über die Wupper/Elbe/Isar/Spree gehen kann, so sollte er keine Menschen beschäftigen, die möglicherweise noch eine Familie zu ernähren haben. Oder er sollte ihnen klar sagen, dass es Morgen schon wieder vorbei sein kann. Er sollte auch seine Rechnungen direkt zahlen, oder besser nur Geschäfte gegen bar machen, denn so ein Zahlungsausfall ist für keinen Geschäftspartner ein Spaß.
Und dann sind da noch die Geldgeber. Sicher, die Investitionen sind bei weitem nicht mehr so hoch wie 1999. Doch ein Business Angel, und die stellen in Deutschland derzeit einen großen Teil der Finanzierungen von Neugründungen, gibt seine 50.000 bis 500.000 Euro nicht zur Belustigung eines Spaß-Entrepreneurs. Erst recht nicht Private-Equity- und VC-Firmen, die versuchen aus anderer Leute Geld das Beste zu machen.
Deshalb also ist es nicht nur legitim, sondern sogar nötig, vom ersten Tag, da aus einem Internet-Hobby ein Unternehmen mit Geschäftskontakten wird, nach Zahlen, Daten Geschäftsmodellen zu fragen. Zugegeben: So wie es die „Business Week“ in dieser Woche hochschreibt, sollte es dann auch nicht passieren – erst wackelige Zahlen verwenden, dann das Titelbild auf Geld, Geld, Geld zuspitzen.
Die Sache gehört andersherum betrachtet – und da spielen Geschäftsmodelle in der Tat eine zweitrangige Rolle. Wer zwanghaft nach einem Businessplan sucht, wird keinen erhalten. Wer nach Kundenbedürfnissen forscht, ist dagegen auf der richtigen Spur. So sieht es auch der Herr Röll. Ich glaube vor allem, die Sache mit den Zielgruppen wird sich innerhalb der kommenden Jahre erledigen. Die Fragmentierung und Vermischung der Interessen wird dazu führen, dass sich Zielgruppendefinitionen nach der derzeitigen Methode, die sich schwerpunktmäßig auf demographische Aspekte bezieht, keine brauchbaren Ergebnisse mehr liefern.
Doch in dem Moment, da aus der Idee ein Unternehmen wird muss auch ein Geschäftsmodell vorhanden sein – alles andere ist Irrsinn.
Kommentare
der haltungsturner 8. August 2006 um 18:07
Ja klar hast du Recht – aber geht es darum? Ich habe Mario so verstanden, dass es gegen die Leute geschrieben ist, die immer jammern, dass das mit dem Web 2.0 blöd sei und alter Wein und wer will so was und überhaupt: Wie kann man damit Geld verdienen.
Andersrum wird ein Schuh draus: Dieses komische Web 2.0 gibt es, es gibt Leute wie dich und mich, die in bestimmtem Umfang damit und darin leben – und denen es meistens egal ist, wo das Geschäftsmodell sitzt. Und wenn dann ein Unternehmer kommt, und ein Geschäftsmodell entwickeltm das unser Bedürfnis trifft: Bingo.
Oder in meinem Fall: Wenn ein Kunde kommt, und fragt, wo man so Typen wie uns findet, um mit ihnen zu reden…
CIO-Blogger 8. August 2006 um 19:33
Dass in der Web2.0-Szene (zumindest in den USA) durchaus ernsthaft über das Thema \“Geschäftsmodelle\“ nachgedacht wird, zeigt eine Diskussion von 13 Web2.0-StartUp-CEOs mit Michael Arrington von TechCrunch. Die gibt es inzwischen auch als 24minütiger Video-Zusammenschnitt. Nicht alle dort vorgestellten Ideen werden sich durchsetzen und nicht alle Business-Modelle überzeugen – aber die Diskussion zeigt doch, dass sich etliche Leute eine Menge Gedanken machen. Die Überflieger und Schaumschläger sind wohl eher die Ausnahme.