Mal ehrlich, liebe CSU, liebe Kommission für Jugendmedienschutz, liebe katholische Kirche, liebe „Popetown“-Kritiker: Ihr kriegt doch Provision von MTV, oder? Anders ist nicht zu erklären, wie wunderbar Ihr Werbung macht für eine anscheinend mittelmäßig unterhaltsame Papst-Satire. In seinem Wahlkampf gegen Bob Dole wählte Bill Clinton 1996 gegen Bob Dole eine einfache Strategie: Er ignorierte ihn. Kein Eingehen auf Angriffe, keine Reaktion auf Provokation – einfach weitermachen. Der Preis für seine Ruhe: die Wiederwahl.
Dieser Mechanismus ist es, der Kollerkommunikation sinnlos macht. Hier noch einmal die Definition des Begriffs vom Januar:
Kollerkommunikation, die; Zwang, seine Meinung öffentlich kundzutun mit der absehbaren Folge der eigenen Bloßstellung in der Öffentlichkeit; ausgelöst durch Frustration, Ärger oder/und Wut über eine Person, die eine andere Meinung äußert als der Kollerkommunizierende; K-K tritt in vielen Formen auf, besonders verbreitet ist sie mündlich und schriftlich.
In Sachen „Popetown“ kollerkommunizieren eine Menge Menschen. Der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann hat nun sogar Anzeige erstattet. Schon zuvor erregten sich unter anderem die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und die Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach:
„Eine Ausstrahlung wäre ,eine unerträgliche Beleidigung aller Christen‘.“
Jene Angriffe allerdings sind eine unerträgliche Beleidigung der Intelligenz aller Menschen, die ein wenig Ahnung von Medien und Kommunikation haben. Es ist erbärmlich, wie gebildete (nehmen wir jetzt mal an) und in öffentlichen Ämtern tätige Menschen nicht erkennen, dass sie den Gegner, den sie besiegen wollen, nur stark machen.
Es ist so wie einst beim Porno „Deep Throat“: Allein durch die Kollerkommunikation seiner Gegner wurde er so bekannt. Ähnlich ist es mit „Popetown“: Strahlt MTV am Mittwoch die erste Folge aus, wird es saftige Einschaltquoten geben. Denn jene, die für Kirchensatire empfänglich sind, wissen nun mit Sicherheit, wann die Serie läuft. Sie werden sich mischen mit jenen, die solch eine Satire abscheulich finden, aber normalerweise nie auf „Popetown“ aufmerksam geworden wären. MTV wird Dankesbriefe schreiben an CSU & Co. Wie viele der Kritiker, ganz nebenbei, haben eigentlich wohl schon eine Folge der Serie gesehen?
Wer im Kampf eine Keule schwingt muss verdammt viel Kraft und Schwung aufbringen, um den Gegner zu treffen. Ein Florett dagegen ist eleganter und schneller. Mit einem solchen kämpft die „Frankfurter Allgemeine“, die mit ihrer konservativen Werthaltung mutmaßlich eher auf Seiten der „Popetown“-Kritiker steht. Und so bringt sie dem Feind Wunden bei, statt ihn zu stärken:
„Der schlechte Geschmack war schon unterhaltsamer….
Die Religionssatire auch. Religionsspezifisch ist der Streifen überhaupt nur dort, wo er die Zweckentfremdung von Symbolen witzig findet: Meßwein als Deodorant, das Kreuz als aufblasbares Spielzeug oder Trimmdich-Gerät. Ansonsten reproduziert die Pennälerphantasie, als deren Erzeugnis die Trickfilme durch einen Vorspann dargestellt werden, wohlbekannte und abgegriffene Verhöhnungsmuster. Auf einen Staat, einen Konzern oder einen Fernsehsender ließen sich die Schablonen vom unzurechnungsfähigen Chef, den verkommenen Managern und vom Massenbetrug genausogut legen.
Wenn das Satire sein soll, steht es jedenfalls um den Antiklerikalismus ähnlich schlecht wie um die hiesigen Gottesdienstbesuche am Sonntag. Anders formuliert: Werden keine besseren Witze über die Kirche mehr gerissen, als solche, dann dokumentiert das die Erwartung der Massenmedien, andere würden auch gar nicht mehr verstanden.Es bleibt der Eindruck, hier wurden übliche Späße für ein genügsames Publikum nachträglich mit der Aufschrift ?Papst? versehen, um es zum Skandal zu bringen.“
Übrigens: Dan Brown wirft in seinen Büchern der Kirche noch viel bösere Dinge vor. Die CSU hat ihn nicht angeklagt. Vielleicht waren seine Bücher aber auch zu anspruchsvoll. Oder zu spannend.
Kommentare
Ein Blog 26. April 2006 um 11:43
Ein Rätsel:Ein Bordell in Köln verhält sich zu Saudi-Arabien wie die Serie Popetown zu …?Als Hintergrund darf gelesen werden:Nach dem Karikaturen- der Flaggenstreit?undDie CSU kollerkommuniziertViel Erfolg.
Lösung: Klar. Die christlichen Parteien C[S
hANNES wURST 26. April 2006 um 11:53
Ich bin für Massendemonstrationen und UK-Flaggen Verbrennungen. Die Queen soll sich für die Papst-Beleidigung durch Ihre Untertanen öffentlich entschuldigen! Oder zurücktreten!
Was ist denn jetzt in Bezug auf Religion erlaubt oder möglicherweise verboten? Vergleiche Walter Moers: \“Wenn er gut drauf ist, erlässt er alle Sünden. So treiben\’s die Klerikalen.\“
blog of geewiz 26. April 2006 um 12:37
Die MTV-Zeichentrickserie “Popetown” schlägt schon riesige Wellen, bevor sie überhaupt angelaufen ist. Schon ihr Trailer führte zu heller Empörung in Kirchenleitung, bei frommen Katholiken und Politikern. Von Protesten in Weblogs und Pressever
FALK stands for FUCK ART, LET’S KILL! 26. April 2006 um 13:35
So zumindest hat man uns das mal irgendwann beigebracht. Also auf neudeutsch die “Fresse halten” und die Füsse ganz still dazu, wenn man keine Ahnung hat. Oder aber etwas ignorieren, wenn man etwas nicht haben möchte. Das allerdi…
Der Blogbote 26. April 2006 um 14:02
Bezahlte Werbung hat die umstrittene MTV-Serie “Popetown” wahrlich nicht mehr nötig. All die Kritiker, die in den letzten Wochen gegen die Sendung sturm gelaufen sind, haben quasi kostenlos für die nötige Präsenz der Papst-Satire gesorg…
Prospero 26. April 2006 um 19:04
Danke. Bestimmt werden die von MTV bezahlt. Was anderes kann ich mir auch nicht vorstellen.
Ad Astra
F!XMBR 26. April 2006 um 19:52
… wenn jetzt wieder die religiösen Fanatiker in unserem Land das Ruder übernehmen. Gott ist mir schlecht. Ich kann im Moment nicht so viel fressen, wie ich kotzen könnte.
Statt der gesamten Staffel zeigt MTV am 3. Mai vorerst nur einzige Folge…
das wüsste jeder gern^^ 29. Juli 2006 um 21:49
popetown ist einfach nur cool…und ich finde jeder sollte das recht und die möglichkeit auf freie meinungsäußerung haben. @hans wurst: sie sollten akzeptieren, dass nicht jeder ihrer meinung ist:P